Wie muss das Verständnis zwischen Mensch und Pferd sein, damit das Pferd sich für die Signale des Menschen und die reiterlichen Hilfen interessiert, diese versteht und umsetzen kann. Mit diesem Thema beschäftigen sich der Bundestrainer Herbert Meyer und die Reitlehrerin Ariane Pourtavaf und erläutern die Grundregeln der Verständigung Mensch - Pferd anhand von Beispielen aus ihrer Praxis, konkreten Anleitungen und Fotoserien: Eine Aufforderung an den Menschen, bewusster mit einigen Grundvoraussetzungen des Reiters und des Umgangs mit dem Pferd umzugehen. Eine Hilfe also für jeden Pferdefreund, die Harmonie zwischen ihm und seinem Pferd zu verbessern sowie eigene Fehler erkennen und abstellen zu können. Diese Ergänzung zu klassischen Reitlehre sollte in keiner Reiterbibliothek fehlen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.12.1998Das Pferd hat Anspruch auf einen Menschen mit starkem Charakter
Auch Menschen sind ein Stück Natur. Das auch zu empfinden, können sie von den Tieren lernen. Doch wo sind die vierbeinigen Lehrmeister? Im Zeitalter der Single-Appartements und Landmaschinen kann kaum noch jemand von sich behaupten, er sei mit Tieren aufgewachsen und hätte die Fähigkeit erworben, sie zu verstehen. Was noch vor wenigen Jahrzehnten der Hofhund, die Stallkatze und das Ackerpferd den Kindern beibrachten, ist zumindest in Europa gefährdetes Wissen. Ohne die Hobbyreiter und den Turniersport hätte das Pferd zum Beispiel längst den Rückzug von Kutsche und Pflug in den Streichelzoo antreten müssen. Turnierreiter im Hochleistungssport werden zwar in der Öffentlichkeit gerne als Trickser, Doper und Tierquäler hingestellt. Doch sie erfüllen eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Sie erhalten altes Wissen um "Die Brücke zwischen Mensch und Pferd" und entwickeln es fort. Das mag einer der Gründe sein, weshalb Herbert Meyer, der Bundestrainer der Springreiter, zusammen mit der Pferdewirtschaftsmeisterin und ehemaligen Journalistin Ariane Pourtavaf ein Buch verfaßt hat, das von der Verständigung, Auseinandersetzung und der Zusammenarbeit mit Pferden handelt. Und zwar ein Buch nicht nur für sportliche Reiter, sondern für alle, die gern mit Pferden umgehen.
Der Band, der im Verlag der Deutschen Reiterlichen Vereinigung in Warendorf erschienen ist, versteht sich als Ergänzung zur Reitlehre und befaßt sich genausoviel wie mit dem Pferd auch mit dem Reiter. Liebevolle Fotos, Fotoserien und Zeichnungen illustrieren die Kapitel. Besonders im ersten Teil, wo es um die Grundsatzfragen der Harmonie mit dem Pferd geht, wird die Rolle des Menschen zum Thema. Er soll, so verlangt das Buch, sich selbst klarmachen, daß er der Lebensinhalt seines Pferdes ist und deshalb die Pflicht zu einem reibungslosen Umgang mit dem Tier hat - und nicht umgekehrt. "Nur der Mensch hat die Fähigkeit, andere Sprachen zu erlernen, so auch die Pferdesprache, die für uns manchmal nicht einfach ist, da sie auf dem Sozialverhalten der Pferde und den Regeln innerhalb der Herde beruht", heißt es in dem Buch.
Über Pferdesprache lernt der Leser eine Menge, und zwar ganz konkrete Vokabeln. So muß der Mensch, um seine Herdendominanz sichtbar zu machen, darauf achten, daß er im Alltag nicht etwa dem Pferd ausweicht, sondern umgekehrt. Und er läuft ihm auf der Weide auch nicht hinterher. Der Kopf des Menschen hat immer Vorfahrt vor dem Pferdekopf. Und wenn man doch einmal ausweichen muß, so sollte man wenigstens die Hand auf das Pferd zubewegen. Der Ranghöhere, heißt es da, hat auch an der Futterstelle Vorfahrt. Um das zu beweisen, muß man seinem Vierbeiner nicht das Heu wegfressen. Aber der Mensch muß darauf bestehen, daß er wichtiger ist als das Futter. Rein körperliche Kraftproben sind aber zu vermeiden. Am besten, das Pferd merkt sein ganzes Leben lang nicht, daß es um ein Vielfaches mehr Kraft hat als der Mensch. "Du weißt, daß Dein Pferd stärker ist als Du. Das gut erzogene Pferd weiß es im günstigsten Falle nicht und braucht es auch nicht zu wissen."
Das Buch besteht aus drei Teilen und bewegt sich vom Einfachen ins Anspruchsvollere. Im zweiten Teil steigt der Reiter in den Sattel und lernt die Technik des Reitens. Im dritten Teil geht es um Ausbildung, den Umgang mit Problemen und Prüfungssituationen. Dabei werden auch komplizierte Zusammenhänge verständlich gemacht. Einer der Merksätze sagt eigentlich schon alles: "Es gibt auf jede Frage nicht nur eine Antwort, sondern viele. Es kommt immer darauf an, wer sie stellt, wem, und in welchem Moment." Spitzensportler und Ausbilder wie Ludger Beerbaum, Isabell Werth, Franke Sloothaak und Klaus Balkenhol ergänzen die Kapitel um ihre persönlichen Erfahrungen. Am Ende jedes Abschnitts wird das Gelesene in Merksätzen und einer Zusammenfassung noch einmal auf den Punkt gebracht.
Die wichtigste Botschaft: Das Pferd hat Anspruch auf einen Menschen mit starkem Charakter. Von Selbstzweifeln zernagte Personen machen ein Pferd nervös. Ein ruhiger, selbstbewußter, konsequenter Reiter verleiht ihm hingegen Sicherheit auf dem Weg des gemeinsamen Lernens. Langeweile ist nicht erlaubt, denn das Pferd soll stets seine ganze Aufmerksamkeit und Konzentration auf den Reiter richten. Es soll wissen wollen, was der Reiter als nächstes von ihm will. So gibt dieses Buch Antworten auf vieles, was man schon immer über den Umgang mit Pferden wissen wollte und nicht richtig in Fragen kleiden konnte. Daß die Erklärungen manchmal ein bißchen feierlich und idealistisch klingen und der Tonfall stellenweise gar an Aufklärungsbücher für Jugendliche erinnert, nützt der Lesbarkeit und liegt außerdem in der Natur der Sache. Ein Buch wie "Die Brücke zwischen Mensch und Pferd" kann zwar eine große Hilfe sein. Doch was das Reiten wirklich bedeutet, erfährt man doch erst, wenn man es tut. EVI SIMEONI
Ariane Pourtavaf und Herbert Meyer: "Die Brücke zwischen Mensch und Pferd". 150 Seiten, 280 Farbfotos. FN-Verlag, Warendorf, 49.80 Mark.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Auch Menschen sind ein Stück Natur. Das auch zu empfinden, können sie von den Tieren lernen. Doch wo sind die vierbeinigen Lehrmeister? Im Zeitalter der Single-Appartements und Landmaschinen kann kaum noch jemand von sich behaupten, er sei mit Tieren aufgewachsen und hätte die Fähigkeit erworben, sie zu verstehen. Was noch vor wenigen Jahrzehnten der Hofhund, die Stallkatze und das Ackerpferd den Kindern beibrachten, ist zumindest in Europa gefährdetes Wissen. Ohne die Hobbyreiter und den Turniersport hätte das Pferd zum Beispiel längst den Rückzug von Kutsche und Pflug in den Streichelzoo antreten müssen. Turnierreiter im Hochleistungssport werden zwar in der Öffentlichkeit gerne als Trickser, Doper und Tierquäler hingestellt. Doch sie erfüllen eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Sie erhalten altes Wissen um "Die Brücke zwischen Mensch und Pferd" und entwickeln es fort. Das mag einer der Gründe sein, weshalb Herbert Meyer, der Bundestrainer der Springreiter, zusammen mit der Pferdewirtschaftsmeisterin und ehemaligen Journalistin Ariane Pourtavaf ein Buch verfaßt hat, das von der Verständigung, Auseinandersetzung und der Zusammenarbeit mit Pferden handelt. Und zwar ein Buch nicht nur für sportliche Reiter, sondern für alle, die gern mit Pferden umgehen.
Der Band, der im Verlag der Deutschen Reiterlichen Vereinigung in Warendorf erschienen ist, versteht sich als Ergänzung zur Reitlehre und befaßt sich genausoviel wie mit dem Pferd auch mit dem Reiter. Liebevolle Fotos, Fotoserien und Zeichnungen illustrieren die Kapitel. Besonders im ersten Teil, wo es um die Grundsatzfragen der Harmonie mit dem Pferd geht, wird die Rolle des Menschen zum Thema. Er soll, so verlangt das Buch, sich selbst klarmachen, daß er der Lebensinhalt seines Pferdes ist und deshalb die Pflicht zu einem reibungslosen Umgang mit dem Tier hat - und nicht umgekehrt. "Nur der Mensch hat die Fähigkeit, andere Sprachen zu erlernen, so auch die Pferdesprache, die für uns manchmal nicht einfach ist, da sie auf dem Sozialverhalten der Pferde und den Regeln innerhalb der Herde beruht", heißt es in dem Buch.
Über Pferdesprache lernt der Leser eine Menge, und zwar ganz konkrete Vokabeln. So muß der Mensch, um seine Herdendominanz sichtbar zu machen, darauf achten, daß er im Alltag nicht etwa dem Pferd ausweicht, sondern umgekehrt. Und er läuft ihm auf der Weide auch nicht hinterher. Der Kopf des Menschen hat immer Vorfahrt vor dem Pferdekopf. Und wenn man doch einmal ausweichen muß, so sollte man wenigstens die Hand auf das Pferd zubewegen. Der Ranghöhere, heißt es da, hat auch an der Futterstelle Vorfahrt. Um das zu beweisen, muß man seinem Vierbeiner nicht das Heu wegfressen. Aber der Mensch muß darauf bestehen, daß er wichtiger ist als das Futter. Rein körperliche Kraftproben sind aber zu vermeiden. Am besten, das Pferd merkt sein ganzes Leben lang nicht, daß es um ein Vielfaches mehr Kraft hat als der Mensch. "Du weißt, daß Dein Pferd stärker ist als Du. Das gut erzogene Pferd weiß es im günstigsten Falle nicht und braucht es auch nicht zu wissen."
Das Buch besteht aus drei Teilen und bewegt sich vom Einfachen ins Anspruchsvollere. Im zweiten Teil steigt der Reiter in den Sattel und lernt die Technik des Reitens. Im dritten Teil geht es um Ausbildung, den Umgang mit Problemen und Prüfungssituationen. Dabei werden auch komplizierte Zusammenhänge verständlich gemacht. Einer der Merksätze sagt eigentlich schon alles: "Es gibt auf jede Frage nicht nur eine Antwort, sondern viele. Es kommt immer darauf an, wer sie stellt, wem, und in welchem Moment." Spitzensportler und Ausbilder wie Ludger Beerbaum, Isabell Werth, Franke Sloothaak und Klaus Balkenhol ergänzen die Kapitel um ihre persönlichen Erfahrungen. Am Ende jedes Abschnitts wird das Gelesene in Merksätzen und einer Zusammenfassung noch einmal auf den Punkt gebracht.
Die wichtigste Botschaft: Das Pferd hat Anspruch auf einen Menschen mit starkem Charakter. Von Selbstzweifeln zernagte Personen machen ein Pferd nervös. Ein ruhiger, selbstbewußter, konsequenter Reiter verleiht ihm hingegen Sicherheit auf dem Weg des gemeinsamen Lernens. Langeweile ist nicht erlaubt, denn das Pferd soll stets seine ganze Aufmerksamkeit und Konzentration auf den Reiter richten. Es soll wissen wollen, was der Reiter als nächstes von ihm will. So gibt dieses Buch Antworten auf vieles, was man schon immer über den Umgang mit Pferden wissen wollte und nicht richtig in Fragen kleiden konnte. Daß die Erklärungen manchmal ein bißchen feierlich und idealistisch klingen und der Tonfall stellenweise gar an Aufklärungsbücher für Jugendliche erinnert, nützt der Lesbarkeit und liegt außerdem in der Natur der Sache. Ein Buch wie "Die Brücke zwischen Mensch und Pferd" kann zwar eine große Hilfe sein. Doch was das Reiten wirklich bedeutet, erfährt man doch erst, wenn man es tut. EVI SIMEONI
Ariane Pourtavaf und Herbert Meyer: "Die Brücke zwischen Mensch und Pferd". 150 Seiten, 280 Farbfotos. FN-Verlag, Warendorf, 49.80 Mark.
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