Masterarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Germanistik - Literaturgeschichte, Epochen, Note: 1 (12 auf der dänischen Skala), , Sprache: Deutsch, Abstract: Aus dieser Studie geht hervor, dass die offiziellen Behauptungen der Brüder Grimm zu ihrer Sammeltätigkeit und Vorgehensweisen in offensichtlichem Widerspruch zu ihren tatsächlichen Arbeitsmethoden stehen. Ein kritischer Blick auf Inhalt und Aufbau der Vorrede zu "Kinder- und Hausmärchen" lässt bereits erahnen, dass die Grimms nicht die ganze Wahrheit erzählten, sondern lediglich Bruchstücke ihres großen Fachwissens vermittelten, die sich mit der romantischen Auffassung von einer sich im Absterben befindlichen deutschen Erzähltradition und den Forderungen des angehenden Biedermeiers deckten.Das Ideal der Brüder Grimm bestand aus der romantischen Vorstellung einer reinen und unmittelbaren Volksdichtung, die sich seit einer zeitlich unbestimmbaren Vergangenheit unter einfachen und ungebildeten Menschen auf dem Lande erhalten hätte. Weil die Grimms ihre Märchen für ihre eigene Gegenwart vermittelten, spielte die romantische Trauer darüber, dass der naiv-kindliche Glückszustand inzwischen vergangen sei, für sie eine entscheidende Rolle. Dabei erkennt man ebenfalls bei den Brüdern Grimm die dem Romantiker auszeichnende wundersam herablassende Einstellung zur reinen Volksüberlieferung: Was ihnen fragmentarisch und unvollkommen vorkam, wurde ausgetauscht oder aus Fragmenten verschiedener Herkunft zu einer neuen Ganzheit zusammengeschrieben.Die Brüder Grimm sind jedoch niemals - wie z.B. ihr dänischer Nachfolger Evald Tang Kristensen - Märchen sammelnd von Dorf zu Dorf gewandert. Entgegen ihrer eigenen Behauptungen erhielten sie die bekanntesten Stoffe nicht aus dem einfachen Volke, sondern aus dem frankophilen Bildungsbürgertum ihrer Heimatstadt Kassel oder von den Adelsfamilien Haxthausen und Droste-Hülshoff. Die verlorene Tradition, die sie bewahren wollten, mussten die Brüder Grimm daher zuerst selbst erschaffen. Durch ihren Einsatz ist auf diese Weise zwar eine unschätzbare deutsche Erzähltradition noch rechtzeitig schriftlich festgehalten worden; sowohl ihr Qualitätsanspruch als auch ihre literarischen Ambitionen bewirkten jedoch, dass das Unmittelbare der mündlichen Erzählungen, wie sie in ihrer Märchensammlung präsentiert wurden, für immer verloren ging.
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