Tessa Simon steht ganz oben: schön und erfolgreich, das Leben fest im Griff. Und sie hat alles: den Traumjob als Talk-Show-Moderatorin, die Titelgeschichten in Lifestyle-Magazinen, und die Liebe ihres Lebens ist noch ganz frisch. Ein Kind passt da ausgezeichnet ins Bild. Auch wenn das Mutterglück nicht frei von Schönheitsfehlern ist Baby Victor schreit Tag und Nacht, der Vater ist weniger enthusiastisch als versprochen, und ein kleiner Quotenknick macht die Produzenten nervös steckt Tessa das, wie gewohnt, kompetent und souverän weg. Als Victor allerdings von der Dachterrasse stürzt, vielleicht sogar durch ihre Schuld, droht ihr Leben von einer Schmutzkampagne der Boulevardpresse zerstört zu werden. Doch so leicht lässt Tessa sich von dem hart erkämpften Platz im Rampenlicht nicht verdrängen. Nach einer kurzen Zeit der Verzweiflung trifft sie eine folgenschwere Entscheidung ...
"Thea Dorns vierter Roman beginnt wie eine typische Frauengeschichte. Die erfolgreiche Moderatorin Tessa Simon kämpft fast 300 Seiten lang sehr unterhaltsam mit Problemen im Job, ihrem untreuen Partner und einem positiven Schwangerschaftstest. Erst im letzten Teil des Buches zeigt Dorn, dass sie eigentlich Krimiautorin ist, indem sie fast nebenbei das Grauen in Tessas Leben einbrechen lässt - so unerwartet und böse, dass dem Leser fast der Atem stockt. Ungewöhnlich, aber gekonnt."
GALA (Nr. 11 vom 04.03.04)
"Das ist ein verstörender, ein beunruhigender Roman, und Thea Dorn ist einfach eine brillante Schriftstellerin. Sie hat ein riesiges Interesse an all dem Bösen und sie hat ein Gespür für all die Unsicherheiten, die sie in jedem Menschen sieht - und das ist natürlich die beste Voraussetzung, um richtig gute Kriminal-Romane zu schreiben."
SWR 3 Buchtipp
"Thea Dorn ist eine der besten jungen Krimiautorinnen Deutschlands."
buch aktuell
GALA (Nr. 11 vom 04.03.04)
"Das ist ein verstörender, ein beunruhigender Roman, und Thea Dorn ist einfach eine brillante Schriftstellerin. Sie hat ein riesiges Interesse an all dem Bösen und sie hat ein Gespür für all die Unsicherheiten, die sie in jedem Menschen sieht - und das ist natürlich die beste Voraussetzung, um richtig gute Kriminal-Romane zu schreiben."
SWR 3 Buchtipp
"Thea Dorn ist eine der besten jungen Krimiautorinnen Deutschlands."
buch aktuell
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.04.2004Mutter aller Eitelkeiten
Quotenkiller: Thea Dorn lädt Goethe in die Talkshow ein
Tessa Simon nennen wir eine Kleinbürgerin im besten Medienalter. In der edel möblierten Lebenswelt der Moderatorin der Talkshow "Auf der Couch" gibt es mehrere Sofas, aus rotem Leder, grauem Filz oder grünem Cordsamt. Auf keinem kann eine Tante ermordet werden. Denn es handelt sich um sündhaft teure Designerstücke, auf denen das gemütvolle bürgerliche Verbrechen alten Stils deplaziert wirken würde. Mit bösartigem Vergnügen am blankpolierten Klischee beschreibt Thea Dorn Loft, Leben und Lieben einer Fernseh-Stella als kalte Hölle der Verlogenheit, in der es kein richtiges Leben gibt, aber auch kein falsches mehr. Hinter dem Schein ist die Wahrheit nicht mehr zu ermitteln, selbst der lebenskluge Kriminalkommissar kann von ihr nur noch in der Form des Märchens erzählen.
Tessa Simon ist eine Aufklärerin von listiger Naivität, "die Meisterin der unterirdischen Steuerung", wie ihr Produzent Attila gern lobt. Ihren auf der Couch liegenden Gästen, ob Kanzlerkandidatin oder Popstar, entlockt sie immer erfolgreicher das Verdrängte und Verschwiegene, das abgeschobene Kind oder die Krebskrankheit. Die dunklen Seiten ihrer eigenen Seele aber scheint sie weniger gut zu kennen, und auch bei ihrem Liebhaber ist sie sich ihrer im Schnellkurs erworbenen psychologischen Künste nicht immer sicher. Den attraktiven Darsteller in Goethes oder Shakespeares Verblendungsstücken, Sebastian Waldenfels, hat die ehemalige Germanistikstudentin gerade dessen Kollegin ausgespannt. Unter herzlicher Anteilnahme der Boulevardpresse wird sie ihn heiraten.
Ihr tränenseliges Debüt im Ersten Kanal bringt sie nach ganz oben, nämlich in den stellaren Quotenbereich. Da ist sie schon eine öffentliche Schwangere, eine Hochglanzikone der erfolgreichen Frau, die Karriere und Mutterschaft in Schönheit praktiziert, "großes Thema", sagt der anfänglich um sein Format besorgte Attila. Das weckt natürlich Neid, und die häßlichen E-Mails und belästigenden Anrufe lassen nicht lange auf sich warten. Aber das sind die Schatten des Ruhms, die Tessa in der sinnlichen Gewißheit des Erfolgs nicht mehr erreichen. "Ein Gefühl vollkommener Unbesiegbarkeit breitete sich in ihr aus. Von den Fingerspitzen kletterte es die Arme hinauf, stieg in den Kopf, durchströmte ihren Körper, lief die Beine hinunter, bis es in den Zehen angekommen war."
Gewöhnungsbedürftig ist allerdings, daß sich Baby Victor schon im Mutterleib ziemlich unangenehm bemerkbar macht. Tessa wird auch oft schlecht, wobei gelegentlich unklar ist, ob das vom Leibesfrüchtchen kommt oder von der Lektüre einschlägiger Ratgeber, in denen latzbehoste Schwangere zu Protokoll geben, daß sie sich nunmehr nicht mehr "wie eine Sackgasse" fühlen. Da hilft auch die "extra-entspannende Algen-Kalt-Modelage" nicht immer, eher schon ein eisgekühlter Wodka. Das esoterische Gesäusel ihrer Amme geht der Quotenprinzessin ohnehin auf den Wecker. Zwecks Planungssicherheit entscheidet sich Tessa daher gegen die Gehirnwäsche der Ideologie der natürlichen Geburt und für einen körperfreundlichen Kaiserschnitt nach neuester israelischer Methode.
So plötzlich dem kalten Licht der Welt ausgesetzt, scheint Baby ein wenig lauter zu schreien, als es die niedlichen Wesen gemeinhin zu tun pflegen. Und tatsächlich, Klein Victor entwickelt sich nach verfrühtem Abstillen zu einem Rumpelstilzchen, einem Wutbolzen "mit feuerrotem Gesicht"; er spuckt seinen Brei aus und wirft notorisch den Butzebär aus dem Bett. Und er schreit, um nicht zu sagen: er "heulte wie eine Sirene in an- und abschwellenden Tönen". Natürlich muß die übelriechende Windel vorzugsweise dann gewechselt werden, wenn Mama sich darauf vorbereiten muß, in ihrer Talkshow einen Politiker zu grillen. So geht es der Medienmutter wie anderen auch, es kommt alles schlimmer als gedacht. Sie liebt selbstverständlich ihr Kind, will "keine gute Mutter sein, sondern die beste", aber manchmal könnte sie es, wie man so schön sagt, aus dem Fenster werfen. In einer schwülen Sommernacht legt sie dann das nervenkostend in den Schlaf gebrachte Baby nebst Butzebär auf die Dachterrasse und begibt sich wieder an ihren Laptop.
Thea Dorn gestaltet den Jahrmarkt der massenmedialen Eitelkeiten wie aber auch das "große Thema" Mutterglück hinreißend verächtlich und ressentimentgeladen als ein schauderhaftes Immergleiches. Passagenweise so schmerzhaft ausführlich, daß dem Leser so langweilig ist wie bei einer Talkshow von Gabi Bauer oder Margarete Schreinemakers. Aber für sein Durchhaltevermögen wird er immer wieder reich belohnt. Die Beschreibungen von Sendungen nebst Produktionsumfeld, Theaterstücken nebst Premierenfeiern oder von einer Medienhochzeit nebst Predigtexegese, die fingierten Zeitungsberichte oder die eingearbeiteten Besprechungen von Ratgeberliteratur sind Glanzstückchen intermedialer Realsatire.
Die gnadenlosen Gesetze des Kulturbetriebs und das verlogene Gewäsch, mit dem sie umgeben werden, erscheinen dabei als Paradigma einer rücksichtslosen Gesellschaft. Daher fragt sich der Leser bei fortschreitendem Albtraum, ob das geschilderte Milieu des Einbruchs des Entsetzlichen überhaupt noch bedarf: Was ist schon ein Verbrechen gegen die Einführung eines neuen Formats? Wenn beides nach geschlagenen dreihundert Seiten, unzähligen Gläsern Champagner und reichlich ausgestreuten Indizien endlich kommt, wirkt es beinahe wie eine märchenhafte Befreiung vom alltäglichen Grauen der Medienwelt. Wie es aber kommt und sich löst, ist trotz zahlreicher Vorausdeutungen auch für versierte Krimileser inhaltlich und formal überraschend: eine von Goethes "Wahlverwandtschaften" inspirierte waghalsige und groteske, aber stimmige Konstruktion in logischer und literarischer Präzisionsarbeit.
Mit "Die Brut" hat Thea Dorn, die bereits für "Berliner Aufklärung" den Chandlerpreis und für "Die Hirnkönigin" den Deutschen Krimipreis erhielt, den Maßstab für den unterhaltsam trivialen und zugleich intelligenten, ja gelehrten Kriminalroman neuerlich höher justiert. Ihre Anspielungen auf die literarische Tradition von der barocken Lyrik über Shakespeare und Goethe bis zu Hertha Kräftner verbinden sich im eleganten Zynismus des Stils, dem nach der Art Oscar Wildes nichts heilig ist, schon gar nicht das Mysterium der Mutterschaft, wie organisch mit den zeitgeistigen Mythen des Konsums und der Popkultur. Als Prinzipalin der neuesten Frankfurter Schule fertigt Thea Dorn aus der Analyse des verblendeten Bewußtseins und der Kritik der Kulturindustrie blitzgescheite Produkte derselben. Den Verdacht, ihre elaborierten Gemeinheiten könnten eine verdeckte Form der Trauer um die verlorene Aura des Menschenwesens im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit des Lebens sein, würde sie vermutlich kaltblütig zurückweisen: "Wer nicht über Leichen geht, hat in diesem Betrieb keine Chance."
FRIEDMAR APEL
Thea Dorn: "Die Brut". Roman. Wilhelm Goldmann Verlag, München 2004. 416 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Quotenkiller: Thea Dorn lädt Goethe in die Talkshow ein
Tessa Simon nennen wir eine Kleinbürgerin im besten Medienalter. In der edel möblierten Lebenswelt der Moderatorin der Talkshow "Auf der Couch" gibt es mehrere Sofas, aus rotem Leder, grauem Filz oder grünem Cordsamt. Auf keinem kann eine Tante ermordet werden. Denn es handelt sich um sündhaft teure Designerstücke, auf denen das gemütvolle bürgerliche Verbrechen alten Stils deplaziert wirken würde. Mit bösartigem Vergnügen am blankpolierten Klischee beschreibt Thea Dorn Loft, Leben und Lieben einer Fernseh-Stella als kalte Hölle der Verlogenheit, in der es kein richtiges Leben gibt, aber auch kein falsches mehr. Hinter dem Schein ist die Wahrheit nicht mehr zu ermitteln, selbst der lebenskluge Kriminalkommissar kann von ihr nur noch in der Form des Märchens erzählen.
Tessa Simon ist eine Aufklärerin von listiger Naivität, "die Meisterin der unterirdischen Steuerung", wie ihr Produzent Attila gern lobt. Ihren auf der Couch liegenden Gästen, ob Kanzlerkandidatin oder Popstar, entlockt sie immer erfolgreicher das Verdrängte und Verschwiegene, das abgeschobene Kind oder die Krebskrankheit. Die dunklen Seiten ihrer eigenen Seele aber scheint sie weniger gut zu kennen, und auch bei ihrem Liebhaber ist sie sich ihrer im Schnellkurs erworbenen psychologischen Künste nicht immer sicher. Den attraktiven Darsteller in Goethes oder Shakespeares Verblendungsstücken, Sebastian Waldenfels, hat die ehemalige Germanistikstudentin gerade dessen Kollegin ausgespannt. Unter herzlicher Anteilnahme der Boulevardpresse wird sie ihn heiraten.
Ihr tränenseliges Debüt im Ersten Kanal bringt sie nach ganz oben, nämlich in den stellaren Quotenbereich. Da ist sie schon eine öffentliche Schwangere, eine Hochglanzikone der erfolgreichen Frau, die Karriere und Mutterschaft in Schönheit praktiziert, "großes Thema", sagt der anfänglich um sein Format besorgte Attila. Das weckt natürlich Neid, und die häßlichen E-Mails und belästigenden Anrufe lassen nicht lange auf sich warten. Aber das sind die Schatten des Ruhms, die Tessa in der sinnlichen Gewißheit des Erfolgs nicht mehr erreichen. "Ein Gefühl vollkommener Unbesiegbarkeit breitete sich in ihr aus. Von den Fingerspitzen kletterte es die Arme hinauf, stieg in den Kopf, durchströmte ihren Körper, lief die Beine hinunter, bis es in den Zehen angekommen war."
Gewöhnungsbedürftig ist allerdings, daß sich Baby Victor schon im Mutterleib ziemlich unangenehm bemerkbar macht. Tessa wird auch oft schlecht, wobei gelegentlich unklar ist, ob das vom Leibesfrüchtchen kommt oder von der Lektüre einschlägiger Ratgeber, in denen latzbehoste Schwangere zu Protokoll geben, daß sie sich nunmehr nicht mehr "wie eine Sackgasse" fühlen. Da hilft auch die "extra-entspannende Algen-Kalt-Modelage" nicht immer, eher schon ein eisgekühlter Wodka. Das esoterische Gesäusel ihrer Amme geht der Quotenprinzessin ohnehin auf den Wecker. Zwecks Planungssicherheit entscheidet sich Tessa daher gegen die Gehirnwäsche der Ideologie der natürlichen Geburt und für einen körperfreundlichen Kaiserschnitt nach neuester israelischer Methode.
So plötzlich dem kalten Licht der Welt ausgesetzt, scheint Baby ein wenig lauter zu schreien, als es die niedlichen Wesen gemeinhin zu tun pflegen. Und tatsächlich, Klein Victor entwickelt sich nach verfrühtem Abstillen zu einem Rumpelstilzchen, einem Wutbolzen "mit feuerrotem Gesicht"; er spuckt seinen Brei aus und wirft notorisch den Butzebär aus dem Bett. Und er schreit, um nicht zu sagen: er "heulte wie eine Sirene in an- und abschwellenden Tönen". Natürlich muß die übelriechende Windel vorzugsweise dann gewechselt werden, wenn Mama sich darauf vorbereiten muß, in ihrer Talkshow einen Politiker zu grillen. So geht es der Medienmutter wie anderen auch, es kommt alles schlimmer als gedacht. Sie liebt selbstverständlich ihr Kind, will "keine gute Mutter sein, sondern die beste", aber manchmal könnte sie es, wie man so schön sagt, aus dem Fenster werfen. In einer schwülen Sommernacht legt sie dann das nervenkostend in den Schlaf gebrachte Baby nebst Butzebär auf die Dachterrasse und begibt sich wieder an ihren Laptop.
Thea Dorn gestaltet den Jahrmarkt der massenmedialen Eitelkeiten wie aber auch das "große Thema" Mutterglück hinreißend verächtlich und ressentimentgeladen als ein schauderhaftes Immergleiches. Passagenweise so schmerzhaft ausführlich, daß dem Leser so langweilig ist wie bei einer Talkshow von Gabi Bauer oder Margarete Schreinemakers. Aber für sein Durchhaltevermögen wird er immer wieder reich belohnt. Die Beschreibungen von Sendungen nebst Produktionsumfeld, Theaterstücken nebst Premierenfeiern oder von einer Medienhochzeit nebst Predigtexegese, die fingierten Zeitungsberichte oder die eingearbeiteten Besprechungen von Ratgeberliteratur sind Glanzstückchen intermedialer Realsatire.
Die gnadenlosen Gesetze des Kulturbetriebs und das verlogene Gewäsch, mit dem sie umgeben werden, erscheinen dabei als Paradigma einer rücksichtslosen Gesellschaft. Daher fragt sich der Leser bei fortschreitendem Albtraum, ob das geschilderte Milieu des Einbruchs des Entsetzlichen überhaupt noch bedarf: Was ist schon ein Verbrechen gegen die Einführung eines neuen Formats? Wenn beides nach geschlagenen dreihundert Seiten, unzähligen Gläsern Champagner und reichlich ausgestreuten Indizien endlich kommt, wirkt es beinahe wie eine märchenhafte Befreiung vom alltäglichen Grauen der Medienwelt. Wie es aber kommt und sich löst, ist trotz zahlreicher Vorausdeutungen auch für versierte Krimileser inhaltlich und formal überraschend: eine von Goethes "Wahlverwandtschaften" inspirierte waghalsige und groteske, aber stimmige Konstruktion in logischer und literarischer Präzisionsarbeit.
Mit "Die Brut" hat Thea Dorn, die bereits für "Berliner Aufklärung" den Chandlerpreis und für "Die Hirnkönigin" den Deutschen Krimipreis erhielt, den Maßstab für den unterhaltsam trivialen und zugleich intelligenten, ja gelehrten Kriminalroman neuerlich höher justiert. Ihre Anspielungen auf die literarische Tradition von der barocken Lyrik über Shakespeare und Goethe bis zu Hertha Kräftner verbinden sich im eleganten Zynismus des Stils, dem nach der Art Oscar Wildes nichts heilig ist, schon gar nicht das Mysterium der Mutterschaft, wie organisch mit den zeitgeistigen Mythen des Konsums und der Popkultur. Als Prinzipalin der neuesten Frankfurter Schule fertigt Thea Dorn aus der Analyse des verblendeten Bewußtseins und der Kritik der Kulturindustrie blitzgescheite Produkte derselben. Den Verdacht, ihre elaborierten Gemeinheiten könnten eine verdeckte Form der Trauer um die verlorene Aura des Menschenwesens im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit des Lebens sein, würde sie vermutlich kaltblütig zurückweisen: "Wer nicht über Leichen geht, hat in diesem Betrieb keine Chance."
FRIEDMAR APEL
Thea Dorn: "Die Brut". Roman. Wilhelm Goldmann Verlag, München 2004. 416 S., geb., 19,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Der neue Roman von Thea Dorn ist der Inbegriff eines postfeministischen Krimis, schwärmt Verena Mayer; anders als in den vorgehenden, in denen die Bemühungen der Frauen, es mit den Männer an Bösartigkeit aufzunehmen, etwas Angestrengtes gehabt hätten. Diesmal, so Mayer, sind gar keine Gewaltexzesse nötig, ja, lange Zeit passiere gar nichts, die Dramaturgie gleiche einer Infektion, die sich schleichend in den Körper einniste und deren erste Symptome ignoriert würden. Der Alltag einer Fernsehmoderatorin steht im Mittelpunkt; diese wird schwanger und lässt ihr Karriere und Beziehungen störendes Kind - so deutet es Verena Mayer zumindest an - eines Tages verschwinden. Bei Dorn, die ihr Pseudonym völlig unbekümmert von Adorno abgeleitet habe, gehe es nicht einfach nur um Diskriminierung und Gleichberechtigung von Frauen, diese Phase haben die Dreißigjährigen längst überwunden beziehungsweise gar nicht mehr erlebt, vermutet Mayer; bei Dorn geht es um die "Superfrauwerdung", lautet ihre These. Die Superfrauen nehmen sich einfach, was sie wollten, frohlockt die Rezensentin; da habe das Verbrechen keine psychologische Motivation mehr nötig, sondern denselben Stellenwert wie ein Auslandssemester im Lebenslauf: "es bringt einen weiter oder es war einem gerade danach".
© Perlentaucher Medien GmbH
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