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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.02.2012

Im Zeichen des Weinbergs
Der König las und schrieb nicht nur viel, er ignorierte auch vorzüglich: Die Berliner Staatsbibliothek zeigt Bücher und Manuskripte Friedrichs des Großen
Julien Offray de La Mettrie, so behauptete Friedrich II., der dem radikalen Materialisten Zuflucht gewährt hatte, sei ein guter Arzt und schlechter Schriftsteller gewesen, zufrieden könne man mit ihm sein, wenn man seine Bücher ungelesen ließe. Viele meinen, mit dem Preußenkönig könnte man zufriedener sein, wenn er nur Bücher geschrieben hätte. Er war als Schriftsteller so beharrlich, zäh und fleißig wie als Herrscher und konnte einige erstaunliche Bucherfolge erzielen. Sein „Antimachiavell“, noch in Rheinsberg verfasst, erlebte bis zum Tode des Königs 38 Ausgaben, 63 hat man bis zum Jahr 1803 gezählt: 34 französische, fünfzehn deutsche, vier englische, zwei italienische und je eine holländische, lateinische, russische und schwedische. Auch die erste vom König autorisierte Ausgabe seiner Dichtungen, die „Poesies diverses“ aus dem Jahr 1760, verkaufte sich gut, wenigstens 6000 Exemplare ließen sich absetzen. Hinzu kommen Flugschriften, Militärisches, die bis heute nützlichen und unterhaltsamen Geschichtsbücher und viele tausend Briefe. Er war zweifelsohne einer der großen Autoren seines Jahrhunderts.
Eine Ausstellung in der Berliner Staatsbibliothek widmet sich jetzt dem Autor, Leser und Büchersammler Friedrich (www.die-buecher-des-koenigs.de). Sie wird anschließend in der Französischen Botschaft in Berlin, in Minden und in Wustrau gezeigt. Der Katalog ist – trotz des friedrich-frommen Tons – eine gute Einführung in das uferlos scheinende Thema (Die Bücher des Königs. Friedrich der Große. Schriftsteller und Liebhaber von Büchern und Bibliotheken. Herausgegeben von Wolfgang J. Kaiser. Berlin 2012. 240 S., 19,80 Euro).
Der Rechtsanwalt und Antiquar Wolfgang J. Kaiser kann aus dem Vollen schöpfen. Neben Stücken aus dem Besitz eines anonymen Sammlers werden Autographe der Berliner Staatsbibliothek und des Geheimen Preußischen Staatsarchivs gezeigt. So sind die „Réfutation du Prince de Machiavel“ aus dem Jahr 1739, ein Brief an Voltaire, Schreiben an den einstigen Lehrer Friedrichs, Duhan de Jandun, seltene Drucke und Kupferstiche zu sehen. Man wird bekannter mit Buchhändlern, Druckern und der sehr spezifischen Geisteswelt Friedrichs.
Dessen erste Bibliothek ließ der Vater, Friedrich Wilhelm I., im Jahr der Katte-Tragödie 1730 nach Amsterdam verkaufen. Die Kronprinzen-Bibliothek aus Rheinsberg wurde später in 37 Kisten nach Sanssouci gebracht. Dort befand sich eine der insgesamt sechs Privat-Bibliotheken des Königs: 2288 Bände mit dem Signum „V“ (für Vigne, Weinberg). In den Schlössern von Potsdam, Berlin und Breslau, in Charlottenburg und im Neuen Palais ließ Friedrich ebenfalls Bibliotheken einrichten, zum Teil mit denselben Titeln und Ausgaben, sodass er an seinen wechselnden Aufenthaltsorten bequem weiterlesen konnte.
Veränderungen im literarischen Leben hat er registriert, blieb aber den Überzeugungen und dem Geschmack seiner Jugend treu: Er verstand Aufklärung als Elitenprojekt, Poesie als Teil des geselligen Lebens einer Gemeinschaft erlesener, dem Lebensgenuss und der Eleganz verpflichteter Geister. Deutsche Autoren hat Friedrich nur am Rande wahrgenommen, ihnen in seiner Schrift „De la Littérature Allemande“ die französische Klassik als Vorbild vorgehalten. Mirabeau berichtet, er habe den König kurz vor dessen Tod gefragt, warum aus dem deutschen Caesar nicht ein Augustus geworden sei, und zur Antwort bekommen: „Was hätte ich wohl für die deutschen Schriftsteller tun können, was der Wohlfahrt gleich käme, die ich ihnen erwies, indem ich mich nicht um sie kümmerte und ihre Bücher nicht las?“
Mirabeau wird sich mit der schlagfertigen Auskunft nicht bescheiden, wird an die Verbrennung von Voltaires Spottschrift „Akakia“, an die widerrechtliche Verhaftung des großen Philosophen erinnern, an die Missachtung Lessings und Mendelssohns. So nah wie hier, wo er im Spiegel der Schriften und Bücher erscheint, wird man Friedrich woanders kaum kommen.
JENS BISKY
Der „Antimachiavell“ erlebte
bis zum Tod des Königs
38 Ausgaben
Mehr als 7000 Bände besaß Friedrich II. in seinen sechs privaten
Bibliotheken. Hier ein Ausschnitt aus der Bibliothek im Schloss Charlottenburg. Foto: Wolfgang J. Kaiser
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