"Dieses Buch ist ein Meisterwerk - elegant geschrieben, klar in der Analyse und vielschichtig in der Perspektive. Eine maßgebliche neue Deutung des Ersten Weltkriegs und eine fesselnde Lektüre."Christopher Clark, Autor von "Die Schlafwandler" Jörn Leonhards grandiose Synthese entfaltet ein beeindruckendes Panorama. Sie zeigt, wie die Welt in den Krieg hineinging und wie sie aus ihmals eine völlig andere wieder herauskam. Sie nimmt nicht nur die Staaten und Nationen in den Blick, sondern auch die Imperien in Europa und weit darüber hinaus. Sie beschreibt die dynamische Veränderung der Handlungsspielräume, die rasanten militärischen Entwicklungen und die immerrascheren Wandlungen der Kriegsgesellschaften. Und sie lässt die Erfahrungen ganz unterschiedlicher Zeitgenossen wieder lebendig werden: von Militärs, Politikern und Schriftstellern, Männern und Frauen, Soldaten und Arbeitern. Doch die Gewalterfahrungen des Weltkrieges endeten nicht mit den Friedensverträgen nach 1918, sondern setzten sich in Europa und der ganzen Welt im Namen neuer Ordnungsvorstellungen und radikaler Ideologien fort - so als wäre damals die Büchse der Pandora geöffnet worden, jenes Schreckensgefäß der antiken Mythologie, aus dem alle Übel derWelt entwichen, als man gegen den Rat der Götter seinen Deckel hob.
"The beste single-volume history of the Great War yet written."
Simon Heffer, The Spectator, 5. Mai 2018
"Dieses Buch ist ein Meisterwerk - elegant geschrieben, klar in der Analyse und vielschichtig in der Perspektive. Eine maßgebliche neue Deutung des Ersten Weltkriegs und eine fesselnde Lektüre."
Christopher Clark, Autor von "Die Schlafwandler"
"Mit Leonhards Analyse beginnt eine neue Epoche der Weltkriegsgeschichte."
Hans-Ulrich Wehler, Frankfurter Allgemeine Zeitung
Simon Heffer, The Spectator, 5. Mai 2018
"Dieses Buch ist ein Meisterwerk - elegant geschrieben, klar in der Analyse und vielschichtig in der Perspektive. Eine maßgebliche neue Deutung des Ersten Weltkriegs und eine fesselnde Lektüre."
Christopher Clark, Autor von "Die Schlafwandler"
"Mit Leonhards Analyse beginnt eine neue Epoche der Weltkriegsgeschichte."
Hans-Ulrich Wehler, Frankfurter Allgemeine Zeitung
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Urszenen gegenwärtiger Konflikte entdeckt Jens Bisky in Jörn Leonhards monumentaler Geschichte des Ersten Weltkriegs. Den Krieg versteht er auch, wenn ihm der Autor anhand von klug geordneten Details und Anekdoten, Fotos und Briefen Schlaglichter auf das Geschehen bietet, alles in einem plausiblen analytischen Rahmen, wie Bisky versichert, dem die Zusammenfassungen ausgangs jedes Kapitels Orientierung verschafft haben. Ein bisschen Geduld braucht der Rezensent, bis der Autor zum eigentlichen Kriegsausbruch kommt, doch bis dahin hat er schon viel gelernt. Über die einzelnen Elemente der "Urkatastrophe", darüber, wie Loyalität erzeugt wurde, wie Eliten und Massen zusammenspielten und über Erinnerungsformen. Dass vom Autor aufgezeigte Kontinuitäten hier nicht zu Zwangsläufigkeit führen, rechnet Bisky Leonhard hoch an, auch seine historische Distanz und dass er die Frage der Kriegsschuld locker umschifft, um sich Spannenderem zuzuwenden. Ein derartig reflektiertes wie kühnes Nebeneinander von Militär-, Wirtschafts-, Mentalitäts- und Gesellschaftsgeschichte, meint der Rezensent, ist was für den Profi wie auch für den historisch interessierten Leser.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.2014Beginn einer neuen Epoche der Weltkriegsgeschichte
Christopher Clark, Herfried Münkler, schön und gut - aber das wichtigste Buch zum Ersten Weltkrieg legt Jörn Leonhard mit "Die Büchse der Pandora" vor. Es ist unübertrefflich.
In der anschwellenden Flut von Literatur über den Ersten Weltkrieg, dessen Ausbruch vor hundert Jahren als Auftakt der "Urkatastrophe" des zwanzigsten Jahrhunderts ins Gedächtnis gerufen wird, gibt es sehr unterschiedliche Leistungen und Tiefpunkte. Bisher bietet der in Cambridge lehrende australische Historiker Christopher Clark mit seinen "Schlafwandlern", derzeit schon in der dreizehnten Auflage, eine lohnende Geschichte der internationalen Beziehungen vor dem Herbst 1914. Doch die Proportionen von Clarkes Text stimmen nicht. Hundert Seiten über Serbien und seine gefährliche Terrorismusszene folgen längere Kapitel über Frankreich, Russland und England, während ein eigener, ausführlicherer Teil über die Berliner Entscheidungsprozesse, deren Folgenreichtum bekannt ist, fehlt.
Man gewinnt den Eindruck, dass sich Clark partout von der Fischer-Kontroverse der sechziger Jahre so weit wie möglich distanzieren möchte. Zu dieser Position passt auch, dass er die methodisch immer lohnende Frage nach den "Non-Decisions", nach den schwerwiegenden Folgen nicht getroffener Entscheidungen, nirgendwo konsequent verfolgt.
Wozu hätte eine aufrechte, auf Friedenswahrung abgestellte England-Politik Bethmann Hollwegs geführt? Wohin eine entschieden bremsende reichsdeutsche Politik? Warum konnten die beiden Balkankriege im Vorfeld von 1914 vom europäischen Staatensystem aufgefangen werden, während das mit dem dritten von deutscher Seite nicht ernsthaft versucht wurde?
Durch sein Vorgehen verwischt Clark verblüffend einseitig den massiven deutschen Verursachungsanteil an der fatalen Konstellation, die zum Krieg geführt hat. Dem beschönigenden Kommentar des englischen Politikers Lloyd George aus den zwanziger Jahren, alle Staaten seien letztlich in das Unheil "hineingeschlittert", wird zielstrebig zu neuer Geltung verholfen. Und der Verkaufserfolg auf dem deutschen Büchermarkt - keineswegs auf dem englischen! - verrät ein tiefsitzendes, jetzt wieder hochgespültes apologetisches Bedürfnis, sich von jenen Schuldvorwürfen zu befreien, die in der Kontroverse um das Kriegszielbuch des Hamburger Historikers Fritz Fischer ("Griff nach der Weltmacht", 1961) allenthalben verfochten worden waren.
Das gleichzeitig erschienene Buch des Berliner Politikwissenschaftlers Herfried Münkler wird der intensiven Debatte über den Weltkrieg nicht von ferne gerecht. Offenbar muss man sich mit der einen gewaltigen Umfang erreichenden Forschungsliteratur ganz anders vertraut machen. Übrigens ist die strenge Deutschland-Zentriertheit seines Buchs den weitgespannten globalen, vergleichenden Perspektiven von Leonhard krass unterlegen. Münklers penetrante Kritik an Fischer bezeugt zudem die Verständnislosigkeit, mit der er dessen Leistung begegnet, jahrelang mit imponierender Zivilcourage als einziger deutscher Neuzeithistoriker die Kritik an der Julikrise 1914 und an den Kriegszielplänen bis 1918 - sowie an den damals nur zu oft verschwiegenen Kontinuitätslinien bis 1945 - pointiert vertreten zu haben.
Doch glücklicherweise ist soeben die glänzende Analyse "Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs"des Freiburger Historikers Jörn Leonhard erschienen, die in einem umfangreichen Konvolut von 1150 Seiten ein wahrhaft umfassendes Panorama des Ersten Weltkriegs, seiner Vorgeschichte und seiner Ursachen, seines Verlaufs und seiner Folgen präsentiert. Alle Historiker wissen, dass sie das theoretische Ziel einer "Totalgeschichte" wegen des ihnen nur vergönnten partiellen Erkenntnisgewinns nie erreichen können. Doch Leonhard kommt dieser totalgeschichtlichen Zielutopie erstaunlich nahe.
Der Freiburger Neuzeithistoriker war bisher mit zwei mächtigen Bänden über "Liberalismus" und "Bellizismus" hervorgetreten, die durch eine eigentümliche Mischung von moderner Ideen- und koselleckscher Begriffsgeschichte auffielen. Mit seinem Glanzstück zur Weltkriegsgeschichte hat er seine früheren Leistungen geradezu sprungartig weit übertroffen. Der Umfang des Buches verbietet eine Schritt für Schritt referierende Darstellung des Inhalts. Wohl aber können die auffallenden Vorzüge dieser Synthese knapp präsentiert werden.
An erster Stelle steht das scharf ausgeprägte Problembewusstsein des Verfassers, das ihn durchweg zu einer überzeugenden Problemorientierung seiner analytischen Fragen und seiner erklärungskräftigen Antworten anhält. Seine Methode, jeweils ein halbes Dutzend solcher Fragen aufzuwerfen und dann überzeugend zu erörtern, erleichtert dem Leser eine eingehende Auseinandersetzung mit der jeweils anstehenden Problematik.
Trotz dieses analytischen Duktus kommt die Ereignisgeschichte, und zwar in einem imponierenden globalen Umfang, keineswegs zu kurz. Sie wird aber eigentlich immer wieder durch eine vergleichende Argumentation gebändigt. Dadurch wird eine riesige Informationsfülle glänzend strukturiert, ob es um den immens wichtigen Beitrag der britischen Dominions zur englischen Kriegsleistung, die Bewältigung der Kriegskosten oder die Strapazen an der Heimatfront, die ausgedehnte Nachkriegsgeschichte in aller Welt geht. Wie viel plausibler wird jetzt der Erste Weltkrieg als Vorgeschichte und determinierende Kraft des Zweiten Weltkriegs begriffen!
Der "Weltkrieg" schließlich, durchaus als globale Konflikthäufung verstanden, wird als eine Vielfalt von Problemen, die in anderen Gesamtdarstellungen überhaupt nicht oder nur selten punktuell zur Sprache kommen, kenntnisreich erörtert. Das reicht vom Mikrokosmos der Grabenwelt im Stellungskrieg über die Körpererfahrung an der Front und in der Heimat bis zur Schlachtenschilderung der Kämpfe bei Verdun und an der Somme mit ihren Hunderttausenden von Toten auf beiden Seiten. Das weite Ausgreifen wird durch ein durchweg überzeugendes Herausarbeiten der Gemeinsamkeit von Problemlagen in den kriegführenden Ländern, aber auch der gravierenden Unterschiede zwischen ihnen gewissermaßen diszipliniert.
Man kann den Autor nur bewundern, dass er diese methodische Ausrichtung so konsequent durchgehalten hat.
Die Sprache dieses riesigen Textes bleibt elastisch und stets begriffsscharf. Allenfalls hätte ein energischer Lektor eingreifen sollen, da die deutsche Sprache nun einmal vorbehaltlos den Singular liebt, keineswegs aber die ständigen Pluralformen, die als Anglizismen in das Gegenwartsdeutsch immer weiter eindringen. Die Anmerkungen entsprechen der Fülle der Urteile und Informationen; die Register erschließen den Text für suchende Leser; die Bibliographie ist ein kleines Meisterwerk für sich, da sie aus einer riesigen Literatur eine überzeugende Auswahl getroffen hat.
Kurzum, wir haben mit Jörn Leonhards imponierender Synthese ein theoretisch und methodisch höchsten Ansprüchen genügendes, durch seine Interpretationskunst, seine Vielseitigkeit und die Informationsdichte überzeugendes Werk gewonnen, das nicht zuletzt durch sein gerechtes Urteil überzeugt. Wird am Ende des Jahres 2014 eine Bilanz der Literaturschwemme zum Ersten Weltkrieg gezogen, wird Leonhard aller Wahrscheinlichkeit nach als einsamer Spitzenreiter aus diesem Wettbewerb hervorgehen, denn mit seiner Analyse beginnt eine neue Epoche der Weltkriegsgeschichte.
HANS-ULRICH WEHLER
Jörn Leonhard: "Die Büchse der Pandora". Geschichte des Ersten Weltkriegs. Verlag C. H. Beck, München 2014. 1157 S., Abb., geb., 38,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Christopher Clark, Herfried Münkler, schön und gut - aber das wichtigste Buch zum Ersten Weltkrieg legt Jörn Leonhard mit "Die Büchse der Pandora" vor. Es ist unübertrefflich.
In der anschwellenden Flut von Literatur über den Ersten Weltkrieg, dessen Ausbruch vor hundert Jahren als Auftakt der "Urkatastrophe" des zwanzigsten Jahrhunderts ins Gedächtnis gerufen wird, gibt es sehr unterschiedliche Leistungen und Tiefpunkte. Bisher bietet der in Cambridge lehrende australische Historiker Christopher Clark mit seinen "Schlafwandlern", derzeit schon in der dreizehnten Auflage, eine lohnende Geschichte der internationalen Beziehungen vor dem Herbst 1914. Doch die Proportionen von Clarkes Text stimmen nicht. Hundert Seiten über Serbien und seine gefährliche Terrorismusszene folgen längere Kapitel über Frankreich, Russland und England, während ein eigener, ausführlicherer Teil über die Berliner Entscheidungsprozesse, deren Folgenreichtum bekannt ist, fehlt.
Man gewinnt den Eindruck, dass sich Clark partout von der Fischer-Kontroverse der sechziger Jahre so weit wie möglich distanzieren möchte. Zu dieser Position passt auch, dass er die methodisch immer lohnende Frage nach den "Non-Decisions", nach den schwerwiegenden Folgen nicht getroffener Entscheidungen, nirgendwo konsequent verfolgt.
Wozu hätte eine aufrechte, auf Friedenswahrung abgestellte England-Politik Bethmann Hollwegs geführt? Wohin eine entschieden bremsende reichsdeutsche Politik? Warum konnten die beiden Balkankriege im Vorfeld von 1914 vom europäischen Staatensystem aufgefangen werden, während das mit dem dritten von deutscher Seite nicht ernsthaft versucht wurde?
Durch sein Vorgehen verwischt Clark verblüffend einseitig den massiven deutschen Verursachungsanteil an der fatalen Konstellation, die zum Krieg geführt hat. Dem beschönigenden Kommentar des englischen Politikers Lloyd George aus den zwanziger Jahren, alle Staaten seien letztlich in das Unheil "hineingeschlittert", wird zielstrebig zu neuer Geltung verholfen. Und der Verkaufserfolg auf dem deutschen Büchermarkt - keineswegs auf dem englischen! - verrät ein tiefsitzendes, jetzt wieder hochgespültes apologetisches Bedürfnis, sich von jenen Schuldvorwürfen zu befreien, die in der Kontroverse um das Kriegszielbuch des Hamburger Historikers Fritz Fischer ("Griff nach der Weltmacht", 1961) allenthalben verfochten worden waren.
Das gleichzeitig erschienene Buch des Berliner Politikwissenschaftlers Herfried Münkler wird der intensiven Debatte über den Weltkrieg nicht von ferne gerecht. Offenbar muss man sich mit der einen gewaltigen Umfang erreichenden Forschungsliteratur ganz anders vertraut machen. Übrigens ist die strenge Deutschland-Zentriertheit seines Buchs den weitgespannten globalen, vergleichenden Perspektiven von Leonhard krass unterlegen. Münklers penetrante Kritik an Fischer bezeugt zudem die Verständnislosigkeit, mit der er dessen Leistung begegnet, jahrelang mit imponierender Zivilcourage als einziger deutscher Neuzeithistoriker die Kritik an der Julikrise 1914 und an den Kriegszielplänen bis 1918 - sowie an den damals nur zu oft verschwiegenen Kontinuitätslinien bis 1945 - pointiert vertreten zu haben.
Doch glücklicherweise ist soeben die glänzende Analyse "Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs"des Freiburger Historikers Jörn Leonhard erschienen, die in einem umfangreichen Konvolut von 1150 Seiten ein wahrhaft umfassendes Panorama des Ersten Weltkriegs, seiner Vorgeschichte und seiner Ursachen, seines Verlaufs und seiner Folgen präsentiert. Alle Historiker wissen, dass sie das theoretische Ziel einer "Totalgeschichte" wegen des ihnen nur vergönnten partiellen Erkenntnisgewinns nie erreichen können. Doch Leonhard kommt dieser totalgeschichtlichen Zielutopie erstaunlich nahe.
Der Freiburger Neuzeithistoriker war bisher mit zwei mächtigen Bänden über "Liberalismus" und "Bellizismus" hervorgetreten, die durch eine eigentümliche Mischung von moderner Ideen- und koselleckscher Begriffsgeschichte auffielen. Mit seinem Glanzstück zur Weltkriegsgeschichte hat er seine früheren Leistungen geradezu sprungartig weit übertroffen. Der Umfang des Buches verbietet eine Schritt für Schritt referierende Darstellung des Inhalts. Wohl aber können die auffallenden Vorzüge dieser Synthese knapp präsentiert werden.
An erster Stelle steht das scharf ausgeprägte Problembewusstsein des Verfassers, das ihn durchweg zu einer überzeugenden Problemorientierung seiner analytischen Fragen und seiner erklärungskräftigen Antworten anhält. Seine Methode, jeweils ein halbes Dutzend solcher Fragen aufzuwerfen und dann überzeugend zu erörtern, erleichtert dem Leser eine eingehende Auseinandersetzung mit der jeweils anstehenden Problematik.
Trotz dieses analytischen Duktus kommt die Ereignisgeschichte, und zwar in einem imponierenden globalen Umfang, keineswegs zu kurz. Sie wird aber eigentlich immer wieder durch eine vergleichende Argumentation gebändigt. Dadurch wird eine riesige Informationsfülle glänzend strukturiert, ob es um den immens wichtigen Beitrag der britischen Dominions zur englischen Kriegsleistung, die Bewältigung der Kriegskosten oder die Strapazen an der Heimatfront, die ausgedehnte Nachkriegsgeschichte in aller Welt geht. Wie viel plausibler wird jetzt der Erste Weltkrieg als Vorgeschichte und determinierende Kraft des Zweiten Weltkriegs begriffen!
Der "Weltkrieg" schließlich, durchaus als globale Konflikthäufung verstanden, wird als eine Vielfalt von Problemen, die in anderen Gesamtdarstellungen überhaupt nicht oder nur selten punktuell zur Sprache kommen, kenntnisreich erörtert. Das reicht vom Mikrokosmos der Grabenwelt im Stellungskrieg über die Körpererfahrung an der Front und in der Heimat bis zur Schlachtenschilderung der Kämpfe bei Verdun und an der Somme mit ihren Hunderttausenden von Toten auf beiden Seiten. Das weite Ausgreifen wird durch ein durchweg überzeugendes Herausarbeiten der Gemeinsamkeit von Problemlagen in den kriegführenden Ländern, aber auch der gravierenden Unterschiede zwischen ihnen gewissermaßen diszipliniert.
Man kann den Autor nur bewundern, dass er diese methodische Ausrichtung so konsequent durchgehalten hat.
Die Sprache dieses riesigen Textes bleibt elastisch und stets begriffsscharf. Allenfalls hätte ein energischer Lektor eingreifen sollen, da die deutsche Sprache nun einmal vorbehaltlos den Singular liebt, keineswegs aber die ständigen Pluralformen, die als Anglizismen in das Gegenwartsdeutsch immer weiter eindringen. Die Anmerkungen entsprechen der Fülle der Urteile und Informationen; die Register erschließen den Text für suchende Leser; die Bibliographie ist ein kleines Meisterwerk für sich, da sie aus einer riesigen Literatur eine überzeugende Auswahl getroffen hat.
Kurzum, wir haben mit Jörn Leonhards imponierender Synthese ein theoretisch und methodisch höchsten Ansprüchen genügendes, durch seine Interpretationskunst, seine Vielseitigkeit und die Informationsdichte überzeugendes Werk gewonnen, das nicht zuletzt durch sein gerechtes Urteil überzeugt. Wird am Ende des Jahres 2014 eine Bilanz der Literaturschwemme zum Ersten Weltkrieg gezogen, wird Leonhard aller Wahrscheinlichkeit nach als einsamer Spitzenreiter aus diesem Wettbewerb hervorgehen, denn mit seiner Analyse beginnt eine neue Epoche der Weltkriegsgeschichte.
HANS-ULRICH WEHLER
Jörn Leonhard: "Die Büchse der Pandora". Geschichte des Ersten Weltkriegs. Verlag C. H. Beck, München 2014. 1157 S., Abb., geb., 38,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main