Die »Chinesische Mauer« hat die Geschicke des Reiches der Mitte zu fast allen Epochen überschattet. Das mit ungeheuren Menschenopfern über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahrtausenden entstandene, von der Westgrenze der Provinz Gansu bis nach Pyongyang im Norden Koreas reichende Bauwerk ist nicht nur als Verteidigungsanlage zu verstehen. Die Mauer ist vielmehr Symbol der Abgrenzung der seßhaften Bevölkerung der chinesischen Hochkultur von der nomadischen Hirtenkultur der Steppe. Michel Jan entwirft im vorliegenden Band das Szenario des dramatischen Werdens der »Großen Mauer« und ihrer friedlichen und feindlichen Auswirkungen über die Jahrtausende hinweg. Eingebettet in einen Text mit vielen literarischen, persönlich über die Jahrhunderte überlieferten Zeugnissen sind die fotografischen Bildsequenzen, die ein packendes Bild der Landschaft und der Menschen entstehen lassen. Die Vergangenheit wird durch einfühlsam fotografierte Kunstwerke aus mehr als zwei Jahrtausenden lebendig. Die eingestreuten Zeichnungen, kalligraphischen Feinheiten und Gedichte machen das Buch zu einer bibliophilen Kostbarkeit.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.12.2000Bildbände
"Die Chinesische Mauer" von Michel Jan (Text), Roland und Sabrina Michaud (Fotografien). Hirmer Verlag, München 2000. 272 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 148 Mark. ISBN 3-7774-8680-9.
Beim Anflug aus nordwestlicher Richtung und bei klarem Wetter ist kurz vor Peking die Große Mauer zu sehen, genauer gesagt: ein Teilstück aus der Zeit der Ming-Dynastie (1368 - 1644). Dieser restaurierte Abschnitt bei Badaling zählt seit langem zu den touristischen Attraktionen Chinas und prägt bei vielen Besuchern ein Bild, das dem Gesamtkomplex des etwa sechstausend Kilometer langen Bauwerks aber kaum entspricht. Über die Hälfte ist stark beschädigt oder ganz verschwunden. Der französische Historiker Michel Jan schreibt deshalb gleich zu Beginn dieses großformatigen Prachtbands: "Es existiert keine Mauer, sondern eine Vielzahl von Steinwällen oder Erdaufschüttungen, die einem seltsamen Verlauf folgen, die eine Gratlinie eines Berges oder eine Lößwand betonen, die sich in die zerklüfteten Oberflächen des Nordens und die großen leeren Ebenen des Westens eingraben." Auch die Farbfotografien von Roland und Sabrina Michaud verdeutlichen die architektonische Vielfalt vor oft bizarrer Naturkulisse, zeigen zudem ein raffiniertes Spiel mit Licht- und Schatteneffekten. Dabei sind die teils doppelseitigen Aufnahmen mehr als bloß Illustration zu der essayistisch verfaßten Mauer-Chronik, die vom siebten vorchristlichen Jahrhundert bis zum Ende des Kaiserreichs 1911 reicht. Es ist eine ästhetisch perfekte Inszenierung, die diese funktionslos gewordene Verteidigungsanlage sowie einige in der Nähe lebende Bauern, Hirten oder Karawanenführer so darstellt, als wären die Uhren dort seit langem stehengeblieben. (-ung)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Die Chinesische Mauer" von Michel Jan (Text), Roland und Sabrina Michaud (Fotografien). Hirmer Verlag, München 2000. 272 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 148 Mark. ISBN 3-7774-8680-9.
Beim Anflug aus nordwestlicher Richtung und bei klarem Wetter ist kurz vor Peking die Große Mauer zu sehen, genauer gesagt: ein Teilstück aus der Zeit der Ming-Dynastie (1368 - 1644). Dieser restaurierte Abschnitt bei Badaling zählt seit langem zu den touristischen Attraktionen Chinas und prägt bei vielen Besuchern ein Bild, das dem Gesamtkomplex des etwa sechstausend Kilometer langen Bauwerks aber kaum entspricht. Über die Hälfte ist stark beschädigt oder ganz verschwunden. Der französische Historiker Michel Jan schreibt deshalb gleich zu Beginn dieses großformatigen Prachtbands: "Es existiert keine Mauer, sondern eine Vielzahl von Steinwällen oder Erdaufschüttungen, die einem seltsamen Verlauf folgen, die eine Gratlinie eines Berges oder eine Lößwand betonen, die sich in die zerklüfteten Oberflächen des Nordens und die großen leeren Ebenen des Westens eingraben." Auch die Farbfotografien von Roland und Sabrina Michaud verdeutlichen die architektonische Vielfalt vor oft bizarrer Naturkulisse, zeigen zudem ein raffiniertes Spiel mit Licht- und Schatteneffekten. Dabei sind die teils doppelseitigen Aufnahmen mehr als bloß Illustration zu der essayistisch verfaßten Mauer-Chronik, die vom siebten vorchristlichen Jahrhundert bis zum Ende des Kaiserreichs 1911 reicht. Es ist eine ästhetisch perfekte Inszenierung, die diese funktionslos gewordene Verteidigungsanlage sowie einige in der Nähe lebende Bauern, Hirten oder Karawanenführer so darstellt, als wären die Uhren dort seit langem stehengeblieben. (-ung)
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Gute Noten bekommt dieser "großformatige Prachtband" in einer mit "-ung" unterschriebenen Rezension. Der Text des Buches, eine "essayistisch verfasste Mauerchronik" scheint historisch fundiert die Geschichte dieser "funktionslos gewordenen Verteidigungsanlage" zu erzählen - vom 7. vorchristlichen Jahrhundert bis zum Ende des Kaiserreiches 1911. Die Fotos verdeutlichen wohl sehr beeindruckend die "architektonische Vielfalt" des 6000 km langen Bauwerkes, "oft vor bizarrer Naturkulisse". Eine "ästhetisch perfekte Inszenierung", steht dann sibyllinisch am Ende der Kritik, als wäre das Ganze dann doch ein bisschen zu schön geraten, um wirklich wahr zu sein.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.06.2000Mauer im Wald
Eine Mauer, die spazieren geht: Für den Landart-Künstler Andy Goldsworthy bilden die steinernen Gebilde keine starren Grenzen, die Grundstücke trennen oder gar Frontlinien zwischen verfeindeten Nachbarn bilden. Goldsworthy macht die Mauern beweglich und lebendig – er schickt sie auf Wanderschaft. Sie laufen über Hügel und Täler, tauchen in Seen ein und legen sich in üppigen Kurven um die Baumstämme eines Waldes. Aus der Schlangenform von Goldworthys Mauern spricht „Respekt vor der Priorität der Bäume, die vor ihnen da waren”, meint der Kunstkritiker Kenneth Baker. Goldworthys 760 Meter lange Steinmauer im Skulpturenpark des Storm King Art Center im Staat New York ist die Hauptattraktion seines Buches mit dem einfachen Titel Mauer, das bei Zweitausendeins erschien (60 Farbfotos, 94 S. , 33 Mark).
ajh/Foto: Verlag
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Eine Mauer, die spazieren geht: Für den Landart-Künstler Andy Goldsworthy bilden die steinernen Gebilde keine starren Grenzen, die Grundstücke trennen oder gar Frontlinien zwischen verfeindeten Nachbarn bilden. Goldsworthy macht die Mauern beweglich und lebendig – er schickt sie auf Wanderschaft. Sie laufen über Hügel und Täler, tauchen in Seen ein und legen sich in üppigen Kurven um die Baumstämme eines Waldes. Aus der Schlangenform von Goldworthys Mauern spricht „Respekt vor der Priorität der Bäume, die vor ihnen da waren”, meint der Kunstkritiker Kenneth Baker. Goldworthys 760 Meter lange Steinmauer im Skulpturenpark des Storm King Art Center im Staat New York ist die Hauptattraktion seines Buches mit dem einfachen Titel Mauer, das bei Zweitausendeins erschien (60 Farbfotos, 94 S. , 33 Mark).
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"Hinreißende Fotos von der 3.000 Kilometer langen Mauer, an der zwölf Dynastien 2.500 Jahre bauten, werden kombiniert mit Aufnahmen von Kunstschätzen und Porträts. Ein Hauch von Poesie durchweht die kundigen Texte von Michel Jan: Der Pariser Ostasiatik-Professor schmückt sie mit chinesischer Lyrik." (art) "Der Politologe Michel Jan und die Fotografen Roland und Sabrina Michaud sind nun monatelang entlang der Mauer gefahren und haben einen opulenten Bildband geschaffen, in dem die zweitausendjährige Baugeschichte der Chinesischen Mauer genauso erzählt wird wie die Geschichte all der Mauervölker von den Mongolen bis zu den Han." (Süddeutsche Zeitung)