Vehement widerspricht Andreas von Bülow der offiziellen Version der Anschläge vom 11. September: Ohne geheimdienstliche Unterstützung war eine solche Operation nicht durchzuführen. Seine brisanten Thesen sind ein Angriff auf die Verlogenheit der CIA. Nur Stunden nach dem Terroranschlag vom 11. September hatte die US-Regierung Fotos und Steckbriefe aller Attentäter, wusste sie Bescheid über alle Drahtzieher und Hintermänner. Und blitzartig war auch Präsident George Bushs Strategie gegen die Mächte des Bösen fertig. Zufall? Bülow, früherer Bundesminister, zweifelt die offizielle Version vehement an.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.09.2011Sicherheit um jeden Preis?
Der 11. September 2001 und die Beschädigungen der politischen Urteilskraft
Der Schrecken über die Terroranschläge von New York und Washington am 11. September 2001 verbreitete sich in wenigen Minuten über die ganze Welt. Die Bilder von den einstürzenden Türmen des World Trade Center wurde an manchen Orten allerdings auch bejubelt, was weder vergessen noch überbewertet werden sollte. Die Hingabe an unedle Gefühle gehört auch zur Ausstattung des Menschen, der Krone der Schöpfung. Unmittelbar nach den Anschlägen herrschte der Gedanke vor, dass mit der Attacke auf zwei Symbole amerikanischer Macht auch tragende Grundpfeiler der nationalen und internationalen Politik eingestürzt seien. In der Tat hat sich im vergangenen Jahrzehnt weltpolitisch enorm viel verändert. Manches davon, wenn auch nicht alles, geht auf 9/11 zurück.
Über die Urheber, ihre Motive und ihre Hintermänner gab es von Anfang an deutliche Informationen. Dafür sorgten nicht zuletzt die Bekennerschreiben von Al-Kaida. Aber sofort gingen auch die Kontroversen darüber los, ob die Anschläge hätten verhindert werden können, ob es administrative Fehler gab, oder ob die regierungsamtliche Aufklärung von Tathergang und Tathintergründen vielleicht nichts anderes als die gigantische Vertuschung einer geheimdienstlichen Verschwörung war. Sie sind bis heute nicht abgerissen. Das Buch von Andreas von Bülow, zuerst 2003 erschienen und jetzt mit einem 35-seitigen Nachwort neu aufgelegt, ist ein typisches Beispiel für solche Verschwörungsszenarien, die mit viel punktuellen Detailüberlegungen und einem eklatanten Mangel an politischer Urteilskraft die Auseinandersetzungen über 9/11 noch lange wachhalten werden. Verschwörungstheorien zu basteln - das ist für eine international gut vernetzte und sich gegenseitig immer neu anspornende Minderheit inzwischen ein postmoderner Lebensstil geworden.
Was hier zutage tritt, ist freilich nichts anderes als ein Symptom für die Verstörung, welche Anschläge wie die vom 11. September 2001 im Leben von Individuen und Kollektiven bewirken können. Das Leben vieler Opfer-Angehöriger und ebenso mancher Helfer ist seither von Traumatisierungen überschattet. Noch dramatischer und folgenreicher haben sich die Terroranschläge auf die Politik und die politische Urteilskraft der amerikanischen Regierung ausgewirkt. Zwar weiß man heute noch längst nicht alles über die Terroraktion selbst und kennt viele Interna der Reaktion auf diese seitens der Bush-Administration noch nicht. Dennoch ergeben die vorhandenen Informationen ein ziemlich kohärentes Bild von dem, was am Tag der Anschläge passierte und was daraus entstand.
Bernd Greiner, Verfasser eines zu Recht viel gerühmten Buches über den Vietnam-Krieg, hat in seiner Studie über 9/11 auf der Basis zuverlässiger Quellen und seriöser Berichte von Wissenschaftlern und Publizisten den gegenwärtigen Stand unseres Wissens über die Anschläge konzentriert und nüchtern zusammengefasst. Sein Hauptaugenmerk ist jedoch nicht auf diese selbst gerichtet, vielmehr auf die amerikanische Außen-Sicherheitspolitik seit 2001 und auf die problematischen Veränderungen im Gefüge der amerikanischen Demokratie. Zwei überaus kostenintensive und ihre Ziele jedenfalls bis heute verfehlende militärische Interventionen wurden als "Krieg gegen den Terror" legitimiert. Speziell wegen der abenteuerlichen Kriegspolitik im Nahen Osten haben die Vereinigten Staaten sich enorme Probleme mit der arabischen Welt und den islamischen Staaten eingehandelt sowie das transatlantische Verhältnis einem Stresstest unterzogen, dessen Ergebnisse noch nicht genau abzuschätzen sind.
Die "imperiale Präsidentschaft" von George W. Bush und seinem mächtigen Vizepräsidenten Dick Cheney hat das Land nur für kurze Zeit nach den Anschlägen geeint. In längerer Perspektive haben viele Aspekte der Anti-Terror-Politik, vor allem die Aushöhlung des Folterverbots und die hypertrophen Sicherheitsvorkehrungen auf Kosten von Freiheit und Menschenwürde das Land tief gespalten. Für Greiner ist es vor allem die Angst der Machthaber selbst, die sie zu einer Politik der Sicherheit um jeden Preis angetrieben hat. "Akteure, die mit der Angst anderer spielen, sind in der Regel selbst über die Maßen verängstigt; ebenso beruht ihre Täuschung der Umwelt oft auf massiver Selbsttäuschung. Man könnte auch von einer durch Angst und Panik diktierten Regression sprechen", schreibt er. Damit könnte er in der Tat das hinter aller Arroganz, Selbstermächtigung und nach außen demonstrierter Machtfülle wirksame Grundmotiv der amerikanischen Politik nach dem September 2001 angesprochen haben.
Gäbe es auch für die Sicherheitspolitik so etwas wie unabhängige Rating-Agenturen, dann würden die Vereinigten Staaten seit 9/11 ihr Triple A eingebüßt haben. Alle Bemühungen um interne und externe Sicherheitsmaximierung haben ihr Ziel verfehlt und zugleich neue Probleme geschaffen. Wie ungemein schwierig es ist, einmal vorgenommene Sicherheitsdispositionen wieder zurückzunehmen, wenn sich gezeigt hat, dass sie untauglich sind, lässt sich an dem Schicksal des Wahlversprechens von Barack Obama studieren, das Gefangenenlager Guantánamo aufzulösen. Er kriegt es nicht hin. Sicherheit über mehr Prävention ist leider ein Konzept, das zu falschen Perfektionierungen führt. Am Ende seiner luziden Studie schließt Greiner konsequenterweise mit einem pessimistischen Ton: Der Krieg gegen den Terror hat diesen geradezu aufgepäppelt. Mit neuen Terroranschlägen ist zu rechnen.
WILFRIED VON BREDOW
Bernd Greiner: 9/11. Der Tag, die Angst, die Folgen. C. H. Beck Verlag, München 2011. 280 S., 19,95 [Euro].
Andreas von Bülow: Die CIA und der 11. September. Internationaler Terror und die Rolle der Geheimdienste. Piper Verlag, München 2011. 331 S., 9,95 [Euro].
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Der 11. September 2001 und die Beschädigungen der politischen Urteilskraft
Der Schrecken über die Terroranschläge von New York und Washington am 11. September 2001 verbreitete sich in wenigen Minuten über die ganze Welt. Die Bilder von den einstürzenden Türmen des World Trade Center wurde an manchen Orten allerdings auch bejubelt, was weder vergessen noch überbewertet werden sollte. Die Hingabe an unedle Gefühle gehört auch zur Ausstattung des Menschen, der Krone der Schöpfung. Unmittelbar nach den Anschlägen herrschte der Gedanke vor, dass mit der Attacke auf zwei Symbole amerikanischer Macht auch tragende Grundpfeiler der nationalen und internationalen Politik eingestürzt seien. In der Tat hat sich im vergangenen Jahrzehnt weltpolitisch enorm viel verändert. Manches davon, wenn auch nicht alles, geht auf 9/11 zurück.
Über die Urheber, ihre Motive und ihre Hintermänner gab es von Anfang an deutliche Informationen. Dafür sorgten nicht zuletzt die Bekennerschreiben von Al-Kaida. Aber sofort gingen auch die Kontroversen darüber los, ob die Anschläge hätten verhindert werden können, ob es administrative Fehler gab, oder ob die regierungsamtliche Aufklärung von Tathergang und Tathintergründen vielleicht nichts anderes als die gigantische Vertuschung einer geheimdienstlichen Verschwörung war. Sie sind bis heute nicht abgerissen. Das Buch von Andreas von Bülow, zuerst 2003 erschienen und jetzt mit einem 35-seitigen Nachwort neu aufgelegt, ist ein typisches Beispiel für solche Verschwörungsszenarien, die mit viel punktuellen Detailüberlegungen und einem eklatanten Mangel an politischer Urteilskraft die Auseinandersetzungen über 9/11 noch lange wachhalten werden. Verschwörungstheorien zu basteln - das ist für eine international gut vernetzte und sich gegenseitig immer neu anspornende Minderheit inzwischen ein postmoderner Lebensstil geworden.
Was hier zutage tritt, ist freilich nichts anderes als ein Symptom für die Verstörung, welche Anschläge wie die vom 11. September 2001 im Leben von Individuen und Kollektiven bewirken können. Das Leben vieler Opfer-Angehöriger und ebenso mancher Helfer ist seither von Traumatisierungen überschattet. Noch dramatischer und folgenreicher haben sich die Terroranschläge auf die Politik und die politische Urteilskraft der amerikanischen Regierung ausgewirkt. Zwar weiß man heute noch längst nicht alles über die Terroraktion selbst und kennt viele Interna der Reaktion auf diese seitens der Bush-Administration noch nicht. Dennoch ergeben die vorhandenen Informationen ein ziemlich kohärentes Bild von dem, was am Tag der Anschläge passierte und was daraus entstand.
Bernd Greiner, Verfasser eines zu Recht viel gerühmten Buches über den Vietnam-Krieg, hat in seiner Studie über 9/11 auf der Basis zuverlässiger Quellen und seriöser Berichte von Wissenschaftlern und Publizisten den gegenwärtigen Stand unseres Wissens über die Anschläge konzentriert und nüchtern zusammengefasst. Sein Hauptaugenmerk ist jedoch nicht auf diese selbst gerichtet, vielmehr auf die amerikanische Außen-Sicherheitspolitik seit 2001 und auf die problematischen Veränderungen im Gefüge der amerikanischen Demokratie. Zwei überaus kostenintensive und ihre Ziele jedenfalls bis heute verfehlende militärische Interventionen wurden als "Krieg gegen den Terror" legitimiert. Speziell wegen der abenteuerlichen Kriegspolitik im Nahen Osten haben die Vereinigten Staaten sich enorme Probleme mit der arabischen Welt und den islamischen Staaten eingehandelt sowie das transatlantische Verhältnis einem Stresstest unterzogen, dessen Ergebnisse noch nicht genau abzuschätzen sind.
Die "imperiale Präsidentschaft" von George W. Bush und seinem mächtigen Vizepräsidenten Dick Cheney hat das Land nur für kurze Zeit nach den Anschlägen geeint. In längerer Perspektive haben viele Aspekte der Anti-Terror-Politik, vor allem die Aushöhlung des Folterverbots und die hypertrophen Sicherheitsvorkehrungen auf Kosten von Freiheit und Menschenwürde das Land tief gespalten. Für Greiner ist es vor allem die Angst der Machthaber selbst, die sie zu einer Politik der Sicherheit um jeden Preis angetrieben hat. "Akteure, die mit der Angst anderer spielen, sind in der Regel selbst über die Maßen verängstigt; ebenso beruht ihre Täuschung der Umwelt oft auf massiver Selbsttäuschung. Man könnte auch von einer durch Angst und Panik diktierten Regression sprechen", schreibt er. Damit könnte er in der Tat das hinter aller Arroganz, Selbstermächtigung und nach außen demonstrierter Machtfülle wirksame Grundmotiv der amerikanischen Politik nach dem September 2001 angesprochen haben.
Gäbe es auch für die Sicherheitspolitik so etwas wie unabhängige Rating-Agenturen, dann würden die Vereinigten Staaten seit 9/11 ihr Triple A eingebüßt haben. Alle Bemühungen um interne und externe Sicherheitsmaximierung haben ihr Ziel verfehlt und zugleich neue Probleme geschaffen. Wie ungemein schwierig es ist, einmal vorgenommene Sicherheitsdispositionen wieder zurückzunehmen, wenn sich gezeigt hat, dass sie untauglich sind, lässt sich an dem Schicksal des Wahlversprechens von Barack Obama studieren, das Gefangenenlager Guantánamo aufzulösen. Er kriegt es nicht hin. Sicherheit über mehr Prävention ist leider ein Konzept, das zu falschen Perfektionierungen führt. Am Ende seiner luziden Studie schließt Greiner konsequenterweise mit einem pessimistischen Ton: Der Krieg gegen den Terror hat diesen geradezu aufgepäppelt. Mit neuen Terroranschlägen ist zu rechnen.
WILFRIED VON BREDOW
Bernd Greiner: 9/11. Der Tag, die Angst, die Folgen. C. H. Beck Verlag, München 2011. 280 S., 19,95 [Euro].
Andreas von Bülow: Die CIA und der 11. September. Internationaler Terror und die Rolle der Geheimdienste. Piper Verlag, München 2011. 331 S., 9,95 [Euro].
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