Marktplatzangebote
38 Angebote ab € 3,00 €
  • Gebundenes Buch

1 Kundenbewertung

Von Gemütlichkeit und Grundgesetz, von Abendbrot bis Zerrissenheit. Alles was deutsch ist.
So ein Buch hat es noch nicht gegeben. Zwei Autoren, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, erkunden liebevoll und kritisch, kenntnisreich und ohne Berührungsängste, was das eigentlich ist, die deutsche Seele. Sie spüren sie auf in so unterschiedlichen Begriffen wie »Abendbrot« und »Wanderlust«, »Männerchor« und »Fahrvergnügen«, »Abgrund« und »Zerrissenheit«. In sechzig Kapiteln entsteht auf diese Weise eine tiefgründige und facettenreiche Kulturgeschichte des Deutschen.
Alle Debatten über
…mehr

Produktbeschreibung
Von Gemütlichkeit und Grundgesetz, von Abendbrot bis Zerrissenheit. Alles was deutsch ist.

So ein Buch hat es noch nicht gegeben. Zwei Autoren, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, erkunden liebevoll und kritisch, kenntnisreich und ohne Berührungsängste, was das eigentlich ist, die deutsche Seele. Sie spüren sie auf in so unterschiedlichen Begriffen wie »Abendbrot« und »Wanderlust«, »Männerchor« und »Fahrvergnügen«, »Abgrund« und »Zerrissenheit«. In sechzig Kapiteln entsteht auf diese Weise eine tiefgründige und facettenreiche Kulturgeschichte des Deutschen.

Alle Debatten über Deutschland landen am selben Punkt im Abseits: Darf man das überhaupt öffentlich sagen, etwas sei »deutsch« oder »typisch deutsch«? Kann man sich mit dem Deutschsein heute endlich versöhnen? Man muss es sogar, meinen Thea Dorn und Richard Wagner. Sie verspüren eine große Sehnsucht danach, das eigene Land wirklich kennen zu lernen, und machen Inventur in den Beständen der deutschen Seele. Ihr Buch ist eine erkenntnisreiche und unterhaltsame Reise an die Wurzeln unseres nationalen Erbes und geht durchaus ans Eingemachte. Obwohl es sich auch als Enzyklopädie lesen lässt, sind die Texte nicht aus nüchterner Distanz geschrieben. Auf diese Weise entstehen leidenschaftliche Plädoyers für bestimmte Merkmale des Deutschen, für ein damit verbundenes Lebensgefühl. Diese »Liebeserklärung« der Autoren ist ein sinnliches, reich bebildertes Buch, das die deutsche Seele einmal nicht seziert, sondern sie anspricht.

Ausstattung: durchgehend vierfarb., mit ca. 300 Abb.
Autorenporträt
Thea Dorn wurde 1970 im hessischen Offenbach geboren und wuchs in einem teil-protestantischen Haushalt auf. Als sie dreizehn war, entdeckte sie ihre Liebe zu Richard Wagner. Die Hoffnung, eines Tages selbst als Brunnhilde auf der Buhne zu stehen, musste sie jedoch begraben. Sie studierte Philosophie und ging nach Berlin, wo sie den Schriftsteller Richard Wagner kennen lernte, der 1952 im rumanischen Banat geboren worden war und seine ersten 35 Lebensjahre dort als Katholik und Angehoriger einer verfolgten deutschen Minderheit verbracht hatte. Obwohl Thea Dorn und Richard Wagner sich bis heute nicht einigen konnen, ob sie im Kino Das Cabinet des Dr. Caligari oder Die wei?e Holle vom Piz Palu anschauen sollen, sind sie immer noch befreundet.
Von Thea Dorn erschien nach Madchenmorder. Ein Liebesroman zuletzt der Essay-Band Ach, Harmonistan. Sie moderiert seit 2004 die Buchersendung Literatur im Foyer beim SWR. Von Richard Wagner stammt unter anderem der Roman Habseligkeiten, den Deutschen Horizont hat er bereits in einem fruheren Buch erkundet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.03.2012

Hegel als Brotaufstrich

Thea Dorn und Richard Wagner suchen die deutsche Seele und bürgern dabei die besten, freiesten und lebensfrohen Elemente aus der Kulturnation aus

Am 8. Mai vor knapp zehn Jahren, an dem Tag also, an dem die Deutschen jedes Jahr ihrer Niederlage und Befreiung gedenken, hielt Martin Walser eine Rede, in welcher es, wie eigentlich immer, vor allem um Martin Walser und dann um Walsers Deutschland ging. Er, Walser, habe besser als die meisten gewusst und tiefer als die meisten gefühlt, dass die deutsche Nation zusammengehöre, er habe schon 1977 gesagt, dass er die BRD so wenig anerkenne wie die DDR; und den 9. November 1989, den Fall der Mauer empfinde er als den glücklichsten Moment in der deutschen Geschichte.

Und dann, zur Begründung, warum er fühlte, wie er eben fühlte, sagte Martin Walser diesen Satz: "Thüringen und Sachsen waren mir durch Lektüre und durch Hörensagen zu Seelenlandschaften geworden, Karl May und Nietzsche durften nicht im Ausland geboren sein."

Drei Absätze später war die Rede zu Ende; das Protokoll verzeichnet Beifall, die Zeitungen berichteten wohlwollend. Keiner regte sich auf, keiner war entsetzt.

Keiner stellte Walser die Frage: Wo ist eigentlich Franz Kafka geboren?

Und wie, wenn nicht Ausland, heißt heute das Land, in dem Gerhart Hauptmann und Adalbert Stifter geboren wurden, Elias Canetti und Gregor von Rezzori, Gottfried von Straßburg und Rose Ausländer? Arthur Schopenhauer, Günter Grass, Herta Müller?

Darf Immanuel Kant im Ausland geboren sein?

Vielleicht muss man süddeutsch und katholisch sein, um sich darüber aufzuregen, vielleicht muss man Eltern haben, die aus Schlesien und dem Sudetenland kommen, um sich von Walser gekränkt zu fühlen, vielleicht muss man wissen, dass Wolfgang Amadeus Mozart "teutsch" schrieb, wenn von seinem Land, seiner Sprache die Rede war, vielleicht reicht es aber auch, sich für die eigene Geschichte zu interessieren, für die eigene Sprache, die eigene Kultur, damit man weiß (und nicht bloß fühlt), dass das Wörtchen deutsch etwas anderes bezeichnet als nur den Inhalt für ein Gefäß, das die Umrisse der Bundesrepublik in den Grenzen von 1990 hat: das Bismarck-Reich, um seine östlichen Provinzen amputiert.

Und man weiß dann auch, dass die Frage, was das sei, die deutsche Seele, sich nicht bloß deshalb so oft gestellt hat, weil diese Seele so besonders wäre, so besonders schön und musikalisch und dann so beschädigt und verdorben. Die Frage nach der deutschen Seele hat sehr viel damit zu tun, dass es die meiste Zeit auf die Frage nach der deutschen Nation keine scharfe und genaue Antwort gab.

Und so nimmt man Thea Dorns und Richard Wagners Buch "Die deutsche Seele", das wie ein Lexikon gegliedert ist, 64 Einträge, vom Abendbrot bis zur Zerrissenheit, endlich zur Hand - und natürlich schlägt man gleich das Kapitel zur Kulturnation auf, schon weil der Begriff so zwiespältig ist. Wer im 19. Jahrhundert von der Kulturnation sprach, meinte damit womöglich, dass er die Grenzen, welche die Fürsten gezogen hatten, nicht respektierte; dass er die Definition dessen, was deutsch sei, nicht von Habsburgern oder Hohenzollern hören wolle, sondern lieber von Dichtern, Denkern, Komponisten. Wer heute von der Kulturnation spräche, meinte damit womöglich ein Deutschland, dem man auch als Immigrant gern beitreten könnte; nicht indem man seine außerdeutsche Herkunft leugnete, sondern indem man das Bekenntnis zu Beethoven oder Büchner, die Bereitschaft, deutsche Geschichte weiterzuschreiben, wichtiger nähme als die Haarfarbe, die Nasenform, die Religion.

Wenn die Kulturnation aber in den Spiegel sah, schaute die Nationalkultur zurück; wer den Begriff gebrauchte, war, je nach eigenem Standpunkt, immer auch versucht, die kulturelle Produktion Wiens für zu balkanisch und jüdisch zu halten, die Münchens für zu ultramontan und katholisch, die Kölns für zu linksrheinisch und fast schon französisch, die Berlins für sibirisch und barbarisch. Man kann den Begriff der Kulturnation auch so eng fassen, bis nur noch die klassische Goethe-und-Schiller-Norm übrigbleibt. Und auf der Tonspur singt der Chor die "Ode an die Freude".

Richard Wagner, der den Eintrag zur Kulturnation geschrieben hat, deutet den Gebrauch des Wortes nur als Zeichen einer deutschen Politik-Unfähigkeit, einer Politik-Unlust; er erzählt vom Missbrauch der Goethe-Schiller-Norm durch Nazis und Kommunisten; und davon, dass wir den fast vergessenen Begriff nur noch dann aus dem Archiv holen, wenn ein Österreicher oder Schweizer den Büchner-Preis bekommt und wir uns daran erinnern, dass es die gemeinsame Sprache ist, die uns trennt.

Sie trennt auch Thea Dorn und Richard Wagner - und das ist schon das Beste, was es über dieses Buch zu sagen gibt: dass die Autoren sich nicht einig sind. Richard Wagner, vor knapp 60 Jahren im Banat geboren und vor 25 Jahren nach Deutschland ausgereist, hat schon wegen seiner Herkunft, seiner Biographie, ein feineres Gespür für die unscharfen Ränder dessen, was wir deutsch nennen, und Grundkenntnisse einer Geschichte, die außerhalb der heutigen Grenzen spielt, hat er sowieso. Und dass er dennoch nicht den Ton angibt, mit seinen Einträgen zur Kleinstaaterei, zur Heimat, zur Mystik, zur Reformation, liegt an seinem Stil, der in den besten Momenten poetisch ist, oft assoziativ, manchmal wirr. Wagner will nicht seinen Punkt machen. Er schüttet sein deutsches Herz aus.

Den Ton gibt Thea Dorn an, die 18 Jahre jünger ist und in Westdeutschland geboren; sie hat das Abendbrot bearbeitet, die Arbeitswut, den Abgrund, die Musik - und Thea Dorn schreibt klar und selbstbewusst, in einem aufgekratzten Illustriertenton, der sich zwar keine Mehrdeutigkeiten, keinen Überschuss leistet, aber immerhin den Vorteil hat, dass man überdeutlich sieht, was einen stört.

Das fängt schon mit der Seele an, von welcher man, das suggeriert das Vorwort, sehr lange nicht gesprochen habe. Martin Walser, der das Buch naturgemäß in der "Zeit" besprochen hat, zitiert, damit er umso heftiger widersprechen kann, dort Michael Krügers "Nachtrag zur Seele": "In Auschwitz wurde die Seele endgültig zum Schweigen gebracht. Nun ist die Seele verschwunden."

Sie hat aber nicht geschwiegen in den vergangenen Jahrzehnten, sie hat sehr viel und meistens von sich selbst gesprochen, diese deutsche Seele, die wir nur, was ja eine der allerdeutschesten Traditionen ist, bei ihrem griechischen Namen nannten. Wir haben sie zum Therapeuten geschickt, zum Analytiker, wir haben uns und die Welt vielleicht sogar viel zu oft nach den Kriterien der Seelenlehre betrachtet. Und wenn wir jetzt, statt Psyche, wieder Seele sagen sollen, dann ist das auch nur Ausdruck jenes Trends, der deutsche Namen wie Friedrich und Karl wieder in Mode bringt, das fahle Licht des deutschen Nordens für eine Erleuchtung hält und die Garnisonsstadt Potsdam fürs Florenz der neuen deutschen Bürgerlichkeit (wie hieße eigentlich der Psycho, wenn wir ihn bei seinem deutschen Namen nennen wollten?).

Das ist anscheinend die geistige Disposition der Berliner Republik, die sich ganz deutlich unterscheiden will von jener alten Bundesrepublik, in der man immerhin die Hoffnung haben durfte, dass die Italianisierung der Speisekarten, die Amerikanisierung der Umgangsformen und die allgemeine Verwestlichung der Sprache, der Dresscodes und der Gewohnheiten dieses Land ziviler, charmanter, lässiger und fröhlicher machten. Dass man, als Bayer beispielsweise, unter den neuen Bedingungen fast schon zum Gesinnungsausländer wird, ist nicht bloß eine Frage des Geschmacks. Es ist vor allem ein Problem der Traditionen, welche sich diese Berliner Republik erfindet. In ihrem Eintrag zum Abendbrot schreibt Thea Dorn das Lob der Kargheit; die deutsche Seele brauche abends nichts als Brot, Butter, Käse, Wurst: "Geiz spielte bei dieser frugalen Sitte die unwesentlichste Rolle. Man wollte sich bewusst absetzen von den Abendschlemmereien in katholischen Ländern wie Frankreich, und ganz im Ernst: Wen interessieren Austern, gebratene Wachteln oder Petits Fours, wenn er die Wahl zwischen Johann Wolfgang von Goethe und Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Wilhelm und Alexander von Humboldt, Heinrich Heine und Bettina von Arnim hat?" So schreibt Thea Dorn über den altpreußischen Salon, und das ist natürlich der Moment, da möchte man aus den katholischen Küchen Münchens die Wachteleier holen und damit nach der Autorin werfen. Man möchte ihr zurufen, dass, wer sich den Hegel aufs Brot schmiere, diesen Fraß gefälligst selber runterschlucken und zivilisierteren Menschen nicht in die Austern spucken soll.

In ihrem Eintrag zur Musik schreibt Thea Dorn viele kluge Sachen, und natürlich klingt es nur ein bisschen vorlaut, wenn sie behauptet, dass die Weltliteratur die Entfernung aller deutschen Werke aus dem Kanon so gut verkraften würde wie die Geschichte der Kunst das Fehlen deutscher Beiträge kaum bemerken würde. Die Musik hingegen sei ohne die Deutschen nicht denkbar.

Stimmt ja auch, zumindest der letzte Satz - und umso schmerzlicher ist es beim Weiterlesen, wenn Thea Dorn zur Türsteherin der deutschen Musik wird und entscheidet, wer hereindarf und wer nicht. Beethoven, der Deutsche, habe ein anderes Konzept der Symphonie als "die beiden Österreicher" Haydn und Mozart; deutsche Musik haben Bach, Beethoven, Wagner komponiert - und dass sie, auf dem Umweg über Thomas Mann und Theodor W. Adorno, dann Arnold Schönberg zum Deutschen ehrenhalber ernennt, macht die Konfusion nur noch schlimmer.

Wer Mozart ausbürgert, zeigt damit ja nicht nur, dass er keine Ahnung hat davon, wie sich Mozarts Geburtsstadt Salzburg zum Heiligen Römischen Reich verhielt. Er sagt vor allem, dass er Mozarts Freiheit, Mozarts Überfluss und Mozarts atemberaubende Geistesgegenwart als undeutsch empfindet. Wer Haydn nicht zu den Deutschen zählt, sollte, wenn künftig die Fahnen wehen, lieber die Preußenhymne singen. Oder "Heil dir im Siegerkranz".

Wenn diese beiden aber keine Deutschen sind, möchte man selber auch keiner mehr sein. Und wenn die Berliner Republik, während sie sich selber mit der Seele sucht, dabei ihre kulturelle Selbstamputation betreibt: Dann wird es eng in diesem Land, viel zu eng.

CLAUDIUS SEIDL

Thea Dorn, Richard Wagner: "Die deutsche Seele". Knaus, 560 Seiten, 22,90 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Fasziniert blättert der hier rezensierende Martin Walser durch diese Anthologie, die die deutsche Seele sucht. Aber nicht, indem sie über die Seele schreibt, so Walser anerkennend, sondern indem sie Begriffe wie "Bruder Baum", "German Angst", "Wanderlust" oder "Musik" und ihre Verankerung in der deutschen Kultur untersucht, um so der "deutschen Seele" auf die Spur zu kommen. "Auschwitz" kommt als Begriff nicht vor. Das beschäftigt Walser, aber er findet es offenbar legitim, nach der deutschen Seele vor Auschwitz zu suchen. Auch so scheint ihm das Unternehmen der beiden Autoren äußerst wagemutig. Doch die beiden Autoren scheinen sicher jede Hürde zu nehmen: Richard Wagner durch "kluges Argumentieren" und Thea Dorn durch mutiges "Sich-gehen-Lassen".

© Perlentaucher Medien GmbH
"Eine amüsante, mitunter lehrreiche, oft überzeugende Lektüre." FOCUS