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Keine ausführliche Beschreibung für "Die deutsche Staatsrechtslehre in der Zeit des Nationalsozialismus. Europäisches und nationales Verfassungsrecht. Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber" verfügbar.

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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.11.2001

Stellen Sie die Forschung mal ein
Juristen debattieren über die Staatsrechtslehrer der Nazizeit

Viele wissenschaftliche Kongresse sind öffentlich; die Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer ist es nicht. Im Oktober 2000, fünfundfünfzig Jahre nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes, stand zum ersten Mal in ihrer Geschichte das Thema "Die deutsche Staatsrechtslehre in der Zeit des Nationalsozialismus" auf der Tagesordnung. Die Beteiligten versicherten einander, es sei für sie kein Tabu-Thema. Wirklich nicht?

In der Tat war den Referaten der Berichterstatter kein Hinweis aufs Gegenteil zu entnehmen. Der Würzburger Rechtsphilosoph Horst Dreier und der Jenaer Ordinarius für Öffentliches Recht, Walter Pauly, lieferten filigrane und quellengesättigte Analysen. Sachlich zeichneten sie ein Stück Wissenschaftsgeschichte nach, das wie wenige andere auch rechtspolitischen und moralischen Prämissen unterliegt. Bis weit über die Seitenmitte ragen nun in den Druckfassungen die Fußnoten in den Text. Es sind Katakomben der Sprache der Unmenschlichkeit einerseits, andererseits Dokumentationen der späteren und späten Versuche der Juristen, Entgleisungen, Anpassungen und andere moralische Kapitulationen der nationalsozialistischen Juristen zu erklären.

Immer noch ist der Beitrag der Rechtswissenschaft zum Aufbau und zur Durchsetzung des NS-Unrechtsstaates umstritten. Vor 1933, so beide Referenten übereinstimmend, gab es keine "protofaschistische Staatsrechtslehre" (Dreier). Das explosive Gemisch von antiliberalen Grundstimmungen genügte, die Machtergreifung 1933 auch juristisch zu bejahen und sich mit der zweifelhaften Formel von der "legalen Revolution" anzufreunden. Und nach der Machtergreifung? Dreier stellte eine "eigentümlich negatorische Struktur" fest: Es habe unter den Staatsrechtslehrern im Hinblick auf das Verfassungsrecht "Gewißheit über die Nichtgeltung, Ungewißheit über die positive Regelung" gegeben. Denn die Bestimmungen der Weimarer Verfassung waren offenkundig außer Kraft gesetzt, der Reichstag jeglicher staatsrechtlich kodifizierten Funktion entleert. Und die neuen Begriffe "völkischer Staat", "Führerstaat" und "Bewegungsstaat" gaben juristisch nichts her.

Konnte es aber dort, wo es der Sache nach möglicherweise kein genuines NS-Staatsrecht gab, wirklich eine "nationalsozialistische Staatsrechtslehre" geben? Ja, sagt Pauly, denn die Juristen mühten sich wie immer um Systematisierung und Begriffsbildung. Dem radikalen Vorschlag des Staatsrechtslehrers Reinhard Höhn von 1934, "ruhig einmal ein Jahr alle unsere Forschungen einzustellen und sich über die grundlegenden Ordnungen unseres Lebens in der heutigen Zeit klarzuwerden, wieder an die Quellen unseres Volkstums zurückzugehen", dieser Aufforderung zum totalen wissenschaftlichen Quietismus folgte niemand.

Statt dessen eilten die Staatsrechtslehrer dem nicht nachlassenden Daueraktivismus des NS-Regimes hinterher und huldigten schließlich selbst dem Vorrang des Politischen und der Gewalt vor dem Recht. Was sie betrieben, so Dreier, war daher eine "Staatsrechtslehre ohne Objekt": der im Ergebnis hilflose Versuch, die tatsächlichen Entwicklungen zu protokollieren. Er versandete im Affirmativen und Pathetischen. Ernst Rudolf Huber verabsolutierte die Führergewalt 1937 auch juristisch, Johannes Heckel sakralisierte sie im gleichen Jahr.

Das waren die Jahre der Stabilität des Regimes, und die Motive, die die Staatsrechtslehrer seinerzeit antrieben, glichen wohl weitgehend jenen anderer Berufsgruppen, die ihren Beitrag zur Stabilisierung des Systems leisteten. Mit dem Unterschied, daß man eben von Juristen eigentlich mehr erwartet hätte. Am Ende, nach Stalingrad, gab es nur noch den Staatszerfall zu analysieren, in entlegene Buchten der Geistesgeschichte zu flüchten oder sich in das Schweigen zu fügen. Noch mehr als Dreiers und Paulys teils solide, teils glänzende Analysen auf der Leipziger Tagung fesseln den Leser nun die im Tagungsband detailliert dokumentierten Wortbeiträge ihrer Kollegen.

Hier brach sich eine irritierende Emotionalität Bahn. Viele, nicht nur jüngere Mitglieder meinten eine "Befreiung" zu spüren, daß endlich über dieses Thema gesprochen wird. Ernst-Wolfgang Böckenförde lobte den "Mut" des Vorstands, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen. Andere fühlten sich gerade von der Beschwörung eines Befreiungsgefühls im Jahr 2000 befremdet: Freiheit wovon? Mut wem gegenüber? Der Leser kann beide Positionen verstehen. Denn die Staatsrechtslehrer-Vereinigung diskutierte auch ihre eigene Geschichte, die in die Gegenwart hineinwirkt, sei es über Lehrer-Schüler-Verhältnisse oder auf der Täter- beziehungsweise Opferseite. Sie hat sich mit ihrem jahrelangen Ausweichen vor dem Thema nun eine kulturelle Verspätung beschert.

Erst jetzt holt sie daher nach, was Gesellschaft und Wissenschaftsgeschichte schon längst auf die Agenda gesetzt hatten: eine kritische Rückschau, die in diesen ersten Anläufen selbstverständlich bisweilen unbeholfen ist, die das Vergangene subjektiviert und moralisiert. Zeitzeugen meldeten sich in Leipzig zu Wort, jene, die damals als junge Privatdozenten den "Aufbruch des deutschen Volkes" erlebten; die an den Seminaren Carl Schmitts im Jahr 1933 teilnahmen; die den Reichstag selbst hatten brennen sehen. Sie sagten, wer die Begeisterung nicht gesehen habe, könne sie nicht nachvollziehen.

Der Wunsch, die Staatsrechtslehre frei von Schuldzuweisungen zu diskutieren, verwischt sich vor fortbestehenden individuellen Betroffenheiten der Staatsrechtslehrer. Die Wissenschaftshistoriker Pauly und Dreier wiesen zwei irritierende Kontinuitätslinien nach. Denn in der NS-Zeit entstanden auch wegweisende begriffliche und dogmatische Figuren. Pauly berichtete, wie Ernst Forsthoff 1938 das Konzept der "Daseinsvorsorge" entwickelte, das bis heute als begriffliche Figur die Verwaltungsrechtswissenschaft leitet. Es weist dem Staat der Industriegesellschaft die Aufgabe zu, seine Bürger mit Wasser, Gas, Elektrizität zu versorgen: Der Verwaltungsstaat scheint in der technisierten Massengesellschaft sachnotwendig Garant für die Versorgung des einzelnen mit dem Lebensnotwendigsten zu werden.

Die Staatsform scheint dabei keine Rolle zu spielen. Die Realität des Interventionsstaates marginalisiert scheinbar das Politische zu einer subsidiären Frage. Ähnlich ambivalent präsentierte Dreier die "Großraumtheorie", die die NS-Staats- und -Völkerrechtler als dogmatische Konstruktion für ein territorial erweitertes Reich entworfen hatten. Dreier meint, sie enthalte ein Analysepotential, das über ihre konkreten Entstehungsbedingungen hinausweist. Denn sie biete eine durchaus erklärungsträchtige These für die Existenz von Staaten, die jedenfalls faktisch einen höheren Rang einnehmen als andere (wobei Dreier auf die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion zwischen 1945 und 1989 verwies).

Auch das Problem einer den Nationalstaat transzendierenden Hoheitsgewalt sei zumindest ansatzweise thematisiert worden. Die moderne Massengesellschaft, die ihrerseits ganz technizistisch nach der "Optimierung industrieller Wirtschaftsräume" strebt, folgt hier offensichtlich irritierend unideologischen Elementen aus hochideologischem Kontext. Doch wie die heutige Staatslehre mit diesen Theorien aus "vergifteten Quellen" umgehen soll, war eine delikate moralische Frage unter vielen. Pauly fand es erwägenswert, eine Juristenethik zu etablieren: Eine Instanz, in der "man" sich über die Grundregeln dessen verständigen könne, was ein Staatsrechtslehrer zu seiner Zeit machen und mitmachen dürfe. Dreier sah dies skeptischer, gerade weil bereits die Weimarer Staatsrechtslehre von solchen materialen Ethiken geprägt war. Der feste Glaube an die "richtigen" Inhalte helfe nicht, sich in der Krisensituation gegen das "falsche" Staatsrecht zu wehren.

Die Geschichte, so möchte man Dreier beipflichten, ist keine Apotheke zur moralischen Selbstversicherung, eher verunsichert sie uns. Auch die Staatsrechtslehrer der Leipziger Tagung 2000 traten glücklicherweise auseinander, ohne sich wechselseitig moralischen Belehrungen unterzogen zu haben. Sie hatten sich bloß einem zentralen Abschnitt der Wissenschaftsgeschichte ihres Fachs gestellt und haben nun ihrerseits der zukünftigen Wissenschaftsgeschichte und Mentalitätsforschung eine erstrangige Quelle vorgelegt. Daß sie dabei einander versicherten, sie hätten kein Tabu-Thema verhandelt, war die Formel, die ihnen die Zunge löste.

MILOS VEC

Horst Dreier und Walter Pauly: "Die deutsche Staatsrechtslehre in der Zeit des Nationalsozialismus". Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer. Heft 60. Verlag Walter de Gruyter, Berlin, New York 2001. 733 S., geb., 336,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer stand im Oktober 2000 auf einer Tagung das Thema Nationalsozialismus auf dem Plan, berichtet Milos Vec. Das wurde auch höchste Zeit, denkt der Rezensent, obwohl trotz jahrzehntelanger Tabuisierung und nun erstmaliger Aufarbeitung der Rolle der Staatsrechtler im NS-Staat ihre Verantwortung und Mitschuld umstritten bleibt. "Teils solide, teils glänzende", in jedem Fall aber quellengesättigte Analysen hat der Rezensent in den Beiträgen des Würzburger Rechtsphilosophen Horst Dreier und des Jenaer Ordinarius für Öffentliches Recht, Walter Pauly, gefunden. Noch spannender allerdings findet Vec, dass der vorliegende Tagungsband auch die Diskussionen nach den Vorträgen enthält, die dem Leser verdeutlichen, wie vielfältig, aber auch widersprüchlich die Positionen der Staatsrechtler sind. Die Diskussion ist neu, wenn gleich überfällig, und so hat es den Rezensenten denn auch nicht erstaunt, dass sie eine irritierende Emotionalität zeigt. Aber immerhin, so Vec erleichtert, sie wird nun endlich geführt.

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