Das ungewöhnliche Schicksal einer deutschen Minderheit in Südosteuropa ist Thema des Buches. Diese Deutschen mussten nach einer Siedlungsperiode von 125 Jahren ihre Heimat verlassen und fanden sich nach Umsiedlung und Flucht in dem Land wieder, aus dem einst ihre Vorfahren ausgewandert waren. Ab 1814 wurden sie von Zar Alexander I. in Bessarabien - heute Moldawien und Ukraine - angesiedelt. 1918 kam das Land zu Rumänien. In der Zwischenkriegszeit waren die Bessarabiendeutschen Teil der deutschen Minderheit in Großrumänien. Nach dem Einmarsch der Roten Armee 1940 wurden sie aus ihrer Heimat ausgesiedelt und 1941/42 im von der deutschen Wehrmacht okkupierten Polen angesiedelt. Im Januar 1945 mussten sie dann nach Westen flüchten und sich im geteilten Deutschland eine neue Existenz schaffen. Im ersten Teil des Buches entsteht - im Sinne einer kollektiven Biografie - ein Porträt dieser Gruppe von der Auswanderung aus Deutschland bis heute. Im zweiten Teil wechselt die Perspektive von der Gesamtgeschichte zur Nahaufnahme: Anhand der Auswertung von zahlreichen biografischen Interviews mit Bessarabiendeutschen aus drei Generationen werden die lebensgeschichtlichen Erfahrungen bis zu den Zäsuren von Umsiedlung, Krieg und Flucht rekonstruiert und die Integrationsverläufe nach 1945 veranschaulicht. Das innerhalb kurzer Zeit vergriffene Werk erscheint nun in zweiter Auflage.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rundum gelungen findet Rezensent Christian Semler dieses "schöne Buch" über die lange vergessenen Bessarabien-Deutschen, das Ute Schmidt hier vorgelegt hat. Wie Semler berichtet, erzählt Schmidt darin die Geschichte dieser Minderheit von ihrer Ansiedlung als Kolonisten im zaristischen Russland über ihre Umsiedlung in der Folge des Hitler-Stalin-Paktes in den von Nazi-Deutschland annektierten "Warthegau" bis hin zur Flucht und der Mühsal des Neuanfangs im Nachkriegsdeutschland. Zudem zitiere Schmidt Interviews, die in einer Art historischem Längsschnitt drei Generationen umfassten: die Erlebnisgeneration, die Zwischengeneration der Kriegskinder oder Neubürgerkinder und schließlich die Generation der Konsumkinder. Ein Verfahren, das nach Ansicht Semlers eine "überzeugende Verflechtung" gewährleistet. Er hebt hervor, dass Schmidt die Erlebnisgeschichte zum Teil mittels neuer Dokumente "reich" erschließt und die Interviews auf dieser Grundlage systematisiert und auswertt. Positiv findet Semler zudem, dass Schmidt das soziologische Handwerkszeug nutze ohne in einen soziologischen Jargon zu verfallen. Im Gegenteil: Semler lobt insbesondere Schmidts Fähigkeit "unterhaltsam" und "anschaulich" zu erzählen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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