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Das Buch bietet eine umfassende Darstellung der wichtigsten 100 deutschen Dichterbünde von den Singschulen der spätmittelalterlichen Meistersinger bis zu den letzten Streitigkeiten des PEN-Clubs. Es geht nicht nur auf ästhetische, mentalitätsbedingte und berufsständische Aspekte ein, sondern rückt auch die unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Wirkungsabsichten der literarischen Zirkel, Gruppen und Interessenvertretungen in den Vordergrund. Dadurch trägt es zugleich wichtige Erkenntnisse zu einer ins Kulturwissenschaftliche ausgeweiteten Gesellschaftsgeschichte Deutschlands bei. Der Autor…mehr

Produktbeschreibung
Das Buch bietet eine umfassende Darstellung der wichtigsten 100 deutschen Dichterbünde von den Singschulen der spätmittelalterlichen Meistersinger bis zu den letzten Streitigkeiten des PEN-Clubs.
Es geht nicht nur auf ästhetische, mentalitätsbedingte und berufsständische Aspekte ein, sondern rückt auch die unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Wirkungsabsichten der literarischen Zirkel, Gruppen und Interessenvertretungen in den Vordergrund. Dadurch trägt es zugleich wichtige Erkenntnisse zu einer ins Kulturwissenschaftliche ausgeweiteten Gesellschaftsgeschichte Deutschlands bei.
Der Autor entwickelt ein neues Avantgarde-Konzept, das auch für die gegenwärtige Situation, die für die Entstehung neuer Dichterbünde nicht eben günstig ist, von wegweisender Relevanz sein könnte.
Autorenporträt
Hermand, Jost§Jost Hermand, geboren 1930 in Kassel, Studium der Germanistik, Geschichte, Kunstgeschichte und Philosophie an der Universität Marburg, seit 1958 Professor of German Culture an der University of Wisconsin-Madison (USA). Seit 1967 Vilas Research Professor, seit 2003 Honorarprofessor der Humboldt-Universität zu Berlin. 2010 Dr. phil. h.c. der Universität Kassel, Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, Mitbegründer der International Brecht Society. Gastprofessuren an der Harvard University, der University of Texas at Austin und den Universitäten Marburg, Kassel, Bremen, Oldenburg, Freiburg, Essen, Potsdam, München, Köln, Gießen, und der Freien Universität Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.01.1999

Im Klub der Meistersinger
Zwei Bücher zur Geschichte der literarischen Vereine

Mit alle Vereinsmeierei ad absurdum führenden Satzungen hat der Berliner Bohemien Otto Erich Hartleben 1903 seine "Halkyonische Akademie für unangewandte Wissenschaften" gegründet, in der namhafte Zeitgenossen Mitglieder wurden, von den Dichtern Detlef von Liliencron, Egon Friedell und Gerhart Hauptmann über den Maler Franz von Lenbach, den Musiker Conrad Ansorge, den Feuilletonisten Joseph Viktor Widmann und den Schauspieler Joseph Kainz bis hin zum Verleger Samuel Fischer und sogar zu einem Mitinhaber des Verlages de Gruyter. Welch glückliche Zeit, da sich solche Leute nicht zu wichtig vorkamen, um einer so schrägen Vereinigung anzugehören!

Das Schräge und Oppositionelle an Hartlebens "Akademie" ist aber nicht etwa das pure Gegenteil zu den typischen Dichterbünden, sondern gerade ein Merkmal konsequenter und wirksamer literarischer Vereinigungen. Das halkyonische Rebellentum der Boheme gegen das blasierte Großbürgertum hat zum Beispiel sein Pendant im Engagement des "Leipziger Literatenvereins" für Meinungs- und Pressefreiheit um 1844 und in der patriotischen Revolte des "Göttinger Hainbunds" gegen die galant-französelnde Mode und überhaupt gegen alles Höfische zwischen 1770 und 1780.

Hermands Darstellung geht über eine geschichtliche und ideologiekritische Analyse der einzelnen Dichterbünde hinaus. Was uns an Dichterbünden interessieren soll, ist das "eingreifende Denken" ihrer Mitglieder. Eindrücklich sichtbar wird dieses Denken etwa bei den "Sprachgesellschaften des siebzehnten Jahrhunderts". Während die heutige Rechtschreibreform weitgehend als rückwärtsgewandter Affentanz erscheint, zeigen sich die Bemühungen um die Standardisierung und Modernisierung einer allgemein verbindlichen deutschen Hochsprache und Rechtschreibung als visionäres Unterfangen, dem wir verdanken, daß ein Berner, ein Wiener und ein Hamburger heute miteinander sprechen können. In der kriegserschütterten Zeit um 1650 mußten die Ziele der berühmten "Fruchtbringenden Gesellschaft" wie Balsam wirken: "erhaltung guten vertrauens / erbauung wohlanständiger sitten / als auch nützlicher ausübung in des Volkes Landes-Sprache".

Das "eingreifende Denken" literarischer Gesellschaften ist freilich bis zum heutigen Pen-Club eine Gratwanderung zwischen politischem Engagement und wirklich literarischer Bedeutung und Produktion. Immer wieder mußten die Dichterbünde abwiegen oder sich abgrenzen zwischen ästhetischem und politischem Bekenntnis.

Dank Jost Hermands Analyse werden wichtige gemeinsame Kennzeichen der Dichterbünde durch die Jahrhunderte deutlich sichtbar. So steht zum Beispiel eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein gemeinsamer Verlag oft als Bindeglied, Sprachrohr und Identifikationsmittel im Zentrum einer entstehenden Vereinigung. In vielen Fällen verdankten Gemeinschaften ihr Leben gerade einem solchen Druckerzeugnis und gingen mit dem Erlöschen einer Zeitschrift auch bald wieder ein. Solch zentrale Funktionen hatten unter anderen der "Teutsche Merkur" und das "Tiefurter Journal" im frühen Weimar; das "Anthenäum", das "Poetische Journal", "Die Neue Gemeinschaft" bei den Friedrichshagenern; die "Blätter für die Kunst", das "Castrum peregrini" im George-Kreis; der "Charon" und "Die Brücke" bei den Berliner Charontikern; der "Sturm" und die "Aktion" bei den Expressionisten; "Die Pleite", "Der Dada", "Der blutige Ernst" und "Der Gegner" bei den Dadaisten; die "Linkskurve" und "Hieb und Stich" im Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller; die Zeitschriften "Orient" und "Chug" bei den deutschsprachigen Exilanten in Palästina; der mexikanische Verlag "El Libro Libre" beim Heinrich-Heine-Klub von Exilanten in den Vereinigten Staaten und Mexiko; die Zeitschrift "Freie Deutsche Kultur" beim Freien Deutschen Kulturbund in England; "Der Ruf" als Keimzelle der Gruppe 47.

Neben den Gemeinsamkeiten unter den Schriftstellern und Schriftstellerinnen innerhalb der Vereinigungen gab es aber auch mindestens ebenso viele Gegensätze. Solidarität fand auf gesellschaftlich-politischem Niveau statt, als geistige Produzenten waren aber die Mitglieder oft scharfe Konkurrenten oder gar Gegner - sowohl im Gebiet der Ästhetik als auch des Broterwerbs. Darüber konnte auch der "Allgemeine Deutsche Schriftstellerverband", der seit 1909 sogar "Schutzverband deutscher Schriftsteller" hieß, nicht hinwegtäuschen.

Was Jost Hermands Typologie der Dichterbünde nicht bieten kann, die minuziöse Dokumentation über Entstehungsdaten, Satzungen, Mitglieder, Finanzen, Publikationen und so weiter, dies alles löst das fast gleichzeitig erschienene "Handbuch literarisch-kultureller Vereine, Gruppen und Bünde 1825-1933" ein. Das von Wulf Wülfing, Karin Bruns und Rolf Parr herausgegebene Repertorium konzentriert sich auf die für Dichterbünde fruchtbare zweite Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts (mit Ausblicken bis 1918 und 1933): Literarisch-kulturelle Vereinigungen entstanden zwischen Goethe, Stirner und Nietzsche, zwischen Klassizismus und Avantgarde, zwischen Nationalismus, Liberalismus, Sozialismus und Kommunismus. Das freie Vereinswesen ist mit der bürgerlichen Gesellschaft großgeworden und bildet für diese ein konstitutives Merkmal. Eine Untersuchung der Vereine ist deshalb innerhalb der Geschichtsschreibung der bürgerlichen Gesellschaft wichtig, war aber in der Germanistik bis heute eine vernachlässigte Disziplin.

Zu 132 Vereinigungen vom "Afranischen Dichterbund" (Meißen) bis zur "Zwecklosen Gesellschaft" (Breslau) haben mehr als zwanzig Autorinnen und Autoren in zehnjähriger Arbeit Informationen gesammelt und schließen damit ein empfindliches Loch in der Forschung. Wo hätte man bis jetzt zuverlässig und erschöpfend Auskunft gefunden über den Berliner "Verbrechertisch", die Münchner "Gesellschaft der Krokodile" oder zu den "Kommenden"? Die Informationen lagen verstreut in Kürschners Literatur-Kalender, in Zeitschriften, Aufsätzen, Briefausgaben, gedruckten Lebenserinnerungen und in unbekannten Privatarchiven.

Um des Umfanges willen wurden in diesem Handbuch nur die ästhetisch-programmatischen Vereinigungen beschrieben und die rein berufsständischen Interessensvertretungen von Schriftstellern ausgespart. Während die Artikel zu kleinen, unbekannten Vereinen oft nur einige Zeilen zählen, umfassen die großen Beiträge, etwa zum "Giordano Bruno-Bund", zum "Literarischen Verein zu Dresden" oder zur "Neuen Gemeinschaft" Dutzende von Seiten. Die hier gesammelten Informationen sind von unschätzbarem Wert: In minuziösen Recherchen wurden zu Name, Gründungsdatum, Bestand, Vereinssitz, Programm, Geschichte, Struktur und Organisation, Veranstaltungen und Publikationen sowie zu einzelnen Mitgliedern genaue Angaben gefunden und durch Angaben zur Fachliteratur und zu unveröffentlichten Quellen belegt. Die Register verzeichnen sämtliche erwähnten Personen (gegen achttausend Namen), vereinsinterne Übernamen, die Vereine, Gruppen und Bünde sowie die Vereinsperiodika und die Orte. DAVID MARC HOFFMANN.

Wulf Wülfing/Karin Bruns/Rolf Parr (Hrsg.): "Handbuch literarisch-kultureller Vereine, Gruppen und Bünde 1825 - 1933". Metzler Verlag, Stuttgart, Weimar 1998. 597 S., geb., 148,- DM.

Jost Hermand: "Die deutschen Dichterbünde". Von den Meistersingern bis zum PEN-Club. Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien 1998. 383 S., geb., 68,- DM.

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