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Dieses Buch bietet die erste deutschsprachige zusammenhängende Darstellung der wechselvollen und konfliktreichen Beziehungen zwischen Italien und dem deutschen König/Kaiser im 14. Jahrhundert.

Produktbeschreibung
Dieses Buch bietet die erste deutschsprachige zusammenhängende Darstellung der wechselvollen und konfliktreichen Beziehungen zwischen Italien und dem deutschen König/Kaiser im 14. Jahrhundert.
Autorenporträt
Roland Pauler, geb. 1954, PD Dr. phil., hat in München, Erlangen, Regensburg und Cremona Mittelalterliche Geschichte unterrichtet. Der Alltagsgeschichte gilt sein besonderes Interesse.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.08.1997

Dienstreisen mit Kaiserwetter
Roland Pauler zieht mit den deutschen Herrschern nach Italien

Als die Päpste ihre häufige Absenz von Rom unter Innozenz IV. erstmals bis zur Residenz in Südfrankreich steigerten (1244-1251), entwickelte ein Kirchenrechtler den Grundsatz: Ubi est papa, ibi est Roma (wo der Papst ist, dort ist auch Rom). Die Bischöfe, die das Oberhaupt der Kirche regelmäßig aufsuchen mußten, sollten sich also nicht an dem Ort, sondern an der Person des Stellvertreters Christi orientieren. Für die deutschen Könige galt das aber nicht. In nachstaufischer Zeit ist zuerst der Luxemburger Grafensohn Heinrich VII. in Abwesenheit des Papstes in Rom zum Kaiser gekrönt worden (1312), und Gleiches geschah 1328 dem Wittelsbacher Ludwig IV. und 1355 Heinrichs Enkel Karl IV.

Erst Urban V., der 1367 - vergeblich - versuchte, die Kurie von Avignon an den Tiber zurückzuführen, traf hier wieder mit dem Kaiser zusammen. Karl IV. führte das Pferd des Papstes vom Monte Mario nach der Peterskirche. In früheren Jahrhunderten wäre das eine anstößige Szene gewesen, nun aber war sie ohne politische Symbolik. Die Bindung des Kaisertums an Rom war stärker als an den Papst als Konsekrator. Die Römer selbst brachten sich immer wieder in Erinnerung und klagten, die Päpste hätten ihre Stadt zur Witwe und sie selbst zu Waisen gemacht.

Bisweilen hofften sie, die Kaiser würden in der Ewigen Stadt auf Dauer residieren, und schmähten sie, wenn sie - hilflos, überfordert oder auch ohne Interesse - mit der Krone Karls des Großen und Ottos I. im Gepäck wieder abzogen. Die Jahrzehnte Heinrichs, Ludwigs und Karls waren freilich auch die Zeit Dantes und Petrarcas, die in Briefen, Denkschriften und vor allem in Versen die Wiederaufrichtung Roms und Italiens beschworen; eine neue Lehre von der Monarchie wurde entwickelt und gleichzeitig scharfe Kritik am Universalepiskopat der Päpste geübt.

In der deutschen Geschichtswissenschaft gelten die Romzüge des späten Mittelalters als blasser Epilog der großen Kaiserzeit, als "klägliches Schauspiel" vergeblicher Ansätze, die unmöglich gewordene Reichsherrschaft südlich der Alpen wiederherzustellen (Friedrich Baethgen). Nur der Außenseiter der Zunft, Ferdinand Gregorovius, hat es bisher verstanden, die deutsch-italienische Kaisergeschichte des vierzehnten Jahrhunderts fesselnd zu erzählen und kraftvoll zu deuten. Heinrich VII. nannte er einen "verunglückten Messias Italiens ohne Tatenspur". Karl IV. war für ihn "der unkaiserlichste aller romfahrenden Imperatoren, doch ein verständiger Mann". Er habe das Kaisertum entwürdigt, weil er sich dem Papst verpflichtete, am Tag seiner Krönung Rom zu verlassen, und dies auch noch einhielt.

Jetzt hat sich Roland Pauler, gerüstet durch zwei Monographien über die Italienpolitik Karls IV., an Gregorovius' Aufgabenstellung versucht - doch welch ein Fehlschlag! Pauler bestreitet nicht das herkömmliche Urteil über die Italienzüge; doch bleibe auch so noch "eine reizvolle Palette von Fragen, die mit den Wechselbeziehungen zwischen Italien" und den Kaisern verbunden seien. So darf aber kein Geschichtsschreiber seinen Gegenstand abwerten. Das Bestreben, Wissenslücken zu schließen und vergessene Stoffe aufzuarbeiten, mag die Spezialforschung antreiben, nicht aber Historiographie, die Zusammenhänge deuten und Sinn vermitteln muß. Pauler wollte sich beschränken auf die Auswertung von Chroniken, Verträgen, Gesetzen, Ratsprotokollen und Urkunden, die "nicht nur tiefen Einblick in das politische Geschehen, sondern auch in die Mentalität" der Epoche gäben. Die staatstheoretischen Schriften der Zeit blieben also weithin beiseite, so daß gerade die mentalitätengeschichtlich interessante Wechselwirkung zwischen gelehrten Werken und "Volkskultur" nicht aufgehellt werden konnte.

Hätte sich Pauler nur ein wenig intensiver mit der Verfassungslehre seiner Zeit befaßt, so wäre ihm auch nicht der geradezu furchtbare Anachronismus unterlaufen, daß er den Kaiser als Reichsoberhaupt stets als "Souverän" titulierte. Bei der Zusammenstellung seiner Quellen hat der Autor Kunstwerke und Sachzeugnisse übergangen, denen die gegenwärtige Historie allenthalben neue Einsichten abgewinnt. Welche Chancen zu anschaulicher Darstellung hat er sich aber dadurch entgehen lassen, daß er die Chronik aus 73 Bildern von Heinrichs Romfahrt unausgewertet ließ, die der Bruder des Kaisers, Erzbischof Balduin von Trier, in Auftrag gegeben hat.

Mentalitätsgeschichtlich gearbeitet ist Paulers Buch kaum. Der Verfasser versucht nicht, von expliziten Zeugnissen über Denken und Handeln der Menschen auf nur halbbewußte Haltungen von Kollektiven zurückzuschließen. Was Pauler bietet, ist politische Geschichte als Ereignisgeschichte. Es genügt ihm, hier und da chronologische Verhältnisse zu revidieren und daraus kausale Verknüpfungen abzuleiten. Mehr als eine Handvoll Spezialisten wird er damit kaum erreichen, zumal er den Sinn gelegentlicher polemischer Ausfälle (gegen Peter Moraw und Heinz Thomas) nicht verdeutlichen kann.

Auf dem Weg nach Rom verstarb 1311 in Genua die Gemahlin Heinrichs VII., Königin Margarete. Pauler, ganz fixiert auf die staatspolitischen Ziele des Unternehmens, vermag darin nur ein ärgerliches Hindernis zu sehen, das die rasche Erwerbung des Kaiserdiadems hinausschob, zumal da der längere Zwischenstopp die Kosten des armen Luxemburgers erhöhte. Was tat aber Heinrich VII. in Genua? Er wurde Zeuge, daß sich binnen einer Woche am Grab seiner Frau erste Wunder ereigneten. Der Bischof der Stadt und die Franziskaner schienen den aufkeimenden Kult sofort gefördert zu haben, der sich bald darauf bis nach Pavia verbreitete. Als Heinrich aus Rom nach Pisa zurückkehrte, nahm er sich im Frühjahr 1313 selbst der Kanonisation Margaretes an; und obgleich er damals einen Zug nach Neapel vorbereitete, der ganz Italien der kaiserlichen Herrschaft unterwerfen sollte, zweigte er achtzig Florin für den Bildhauer Giovanni Pisano ab, der ein berühmtes Grabmal für die heiligmäßige Königin schuf. Das Geld dürfte Giovanni und seine Werkstatt mehr als ein halbes Jahr in Lohn und Brot gesetzt haben.

Von scheinbar retardierenden Momenten und dysfunktionalen Ausgaben dieser Art im politischen und diplomatischen Ringen der deutschen Könige als Kaiser im spätmittelalterlichen Italien liest man bei Pauler leider nichts. Ein mentalitätengeschichtlich erweiterter Begriff des Politischen gewänne auch Heinrichs Sorge um seine tote Gemahlin einen Sinn ab. MICHAEL BORGOLTE

Roland Pauler: "Die deutschen Könige und Italien im 14. Jahrhundert". Von Heinrich VII. bis Karl IV. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1997. VIII, 338 S., geb., 64,- DM.

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