Die Internationale Schuldenkrise steht seit mehr als zwei Jahrzehnten auf der Agenda von Politik und Weltöffentlichkeit. Nachdem der Kreislauf von Überschuldung, Entschuldung und Neuverschuldung jahrelang nicht durchbrochen wurde, sind neue Lösungskonzepte gefragter denn je. Jetzt wird ein Lösungsvorschlag auf breitester Ebene - von der Erlassjahr-Kampagne bis hin zum Internationalen Währungsfonds - diskutiert: die Einführung eines "Insolvenzrechts für Staaten".
Die Autoren des vorliegenden Buches wollen zur Fundierung der Diskussion beitragen und stellen vier Fragenkomplexe in den Mittelpunkt, die aus dem Blickwinkel unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen diskutiert und beantwortet werden:
Wie lässt sich allgemein Entschuldung und im Speziellen ein Insolvenzrecht für Staaten philosophisch und theologisch begründen?
Auf nationaler Ebene sprechen sowohl ethische als auch ökonomische Gründe für ein Insolvenzrecht. Welche Hindernisse stehen der Schaffung einer solchen Institution auf internationaler Ebene entgegen, und lassen sich diese Probleme gegebenenfalls beseitigen?
Welche völkerrechtlichen Probleme ergeben sich bei der Einführung eines Insolvenzrechts für Staaten?
Welche veränderten Anreizwirkungen ergeben sich durch die Schaffung eines Insolvenzrechts für Staaten aus Sicht potentieller Kreditgeber und Kreditnehmer für die Zukunft?
Die Autoren des vorliegenden Buches wollen zur Fundierung der Diskussion beitragen und stellen vier Fragenkomplexe in den Mittelpunkt, die aus dem Blickwinkel unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen diskutiert und beantwortet werden:
Wie lässt sich allgemein Entschuldung und im Speziellen ein Insolvenzrecht für Staaten philosophisch und theologisch begründen?
Auf nationaler Ebene sprechen sowohl ethische als auch ökonomische Gründe für ein Insolvenzrecht. Welche Hindernisse stehen der Schaffung einer solchen Institution auf internationaler Ebene entgegen, und lassen sich diese Probleme gegebenenfalls beseitigen?
Welche völkerrechtlichen Probleme ergeben sich bei der Einführung eines Insolvenzrechts für Staaten?
Welche veränderten Anreizwirkungen ergeben sich durch die Schaffung eines Insolvenzrechts für Staaten aus Sicht potentieller Kreditgeber und Kreditnehmer für die Zukunft?
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.01.2004Kreditvergabe als Kollektivgut
Die Diskussion um ein Insolvenzrecht für Staaten
Martin Dabrowski/Andreas Fisch/Karl Gabriel/Christoph Lienkamp (Herausgeber): Die Diskussion um ein Insolvenzrecht für Staaten. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2003, 202 Seiten, 69,80 Euro.
Die internationale Schuldenkrise ist keineswegs ein neues Thema, das unvermittelt auf die Agenda des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank oder der Welthandelsorganisation (WTO) geraten ist. Für Lateinamerika beispielsweise gelten die achtziger Jahre längst als "verlorene Dekade", weil die Schulden so zugenommen hatten, daß nicht einmal mehr eine Tilgung möglich war. Und im 21. Jahrhundert gilt für die ganze Welt, daß der Kreislauf von Verschuldung, Entschuldung und Neuverschuldung immer noch nicht durchbrochen ist. Die in der Verantwortung stehenden Politiker und Ökonomen suchen nach Lösungen. Vorschläge liegen vor; im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach einem Insolvenzrecht für Staaten. Unter den Akteuren, welche die Diskussion beherrschen, befindet sich der IWF, dessen Vorschläge Hauptgegenstand des Sammelbandes sind.
Neben der Ökonomie betont das Herausgeberteam bewußt auch die philosophischen, theologischen und ethischen Aspekte des Verschuldungsproblems. Vier Fragenkomplexe stehen im Mittelpunkt des Buches: Wie läßt sich ein Insolvenzrecht begründen? Was spricht auf nationaler Ebene ethisch und ökonomisch für ein Insolvenzrecht, und wie sind Hindernisse zur Schaffung einer entsprechenden Institution zu überwinden? Ergeben sich völkerrechtliche Schwierigkeiten? Ändern sich die Anreizwirkungen aus Sicht potentieller Kreditgeber und Kreditnehmer? Der Sammelband soll "einen Beitrag zu einem fruchtbaren interdisziplinären Gespräch" leisten. Daß das Buch mit einem Aufsatz über die Verschuldung der Entwicklungsländer nicht aus ökonomischer, sondern aus ethischer Sicht beginnt, untermauert dieses Anliegen. Sozialethische Fragen werden ebenso angesprochen wie juristische Themen.
Die ökonomische Perspektive wird in den vorangegangenen Aufsätzen zwar schon angesprochen, aber Detlev Aufderheide arbeitet dann noch besondere Aspekte heraus: zum Beispiel daß die Verschuldung inzwischen auch Staaten betrifft, die vergleichsweise weit entwickelt sind. Aufderheide beschäftigt sich vor allem damit, welche Bedingungen ein Insolvenzrecht erfüllen muß. Denn: "Die Antwort auf diese Frage gibt zugleich eine Antwort auf die so drängende Frage, warum Kreditinstitute in den Geberländern bisher so heftigen Widerstand gegen eine Entschuldung bieten, die doch ohnehin unausweichlich scheint." Der Autor betrachtet die Kreditvergabe dabei insgesamt als Kollektivgut: Alle Akteure würden durch die derzeitige Lage veranlaßt, jene Kosten auf Dritte zu überwälzen, die sie selbst tragen müßten. Und damit sei die nächste Verschuldungskrise ohne ein Insolvenzrecht für Staaten programmiert.
Rolf Eschenburg unterstützt in seinem Korreferat die ökonomischen Vorteile einer Insolvenzordnung. Durch diese können die gegenseitigen Erwartungshaltungen stabilisiert werden, zumindest aber Transaktionskosten und Reibungsverluste minimiert werden. Kunibert Raffer verweist auf das amerikanische Insolvenzrecht, das als Vorbild für eine Insolvenzordnung der Staaten dienen könnte. Kritisch sieht Eva Terberger-Stoy allerdings, daß ein zu großzügig gehandhabtes Insolvenzrecht Tür und Tor für zahlungsunwillige Schuldner öffnet.
Der Sammelband bietet eine interdisziplinäre Stellungnahme zur Einführung eines Insolvenzrechts für Staaten. Es wird deutlich, daß die internationale Verschuldung nicht nur ein ökonomisches Problem ist. Lösungen allerdings müssen auf rechtlicher und ökonomischer Ebene gefunden werden.
INDIRA GURBAXANI
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Diskussion um ein Insolvenzrecht für Staaten
Martin Dabrowski/Andreas Fisch/Karl Gabriel/Christoph Lienkamp (Herausgeber): Die Diskussion um ein Insolvenzrecht für Staaten. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2003, 202 Seiten, 69,80 Euro.
Die internationale Schuldenkrise ist keineswegs ein neues Thema, das unvermittelt auf die Agenda des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank oder der Welthandelsorganisation (WTO) geraten ist. Für Lateinamerika beispielsweise gelten die achtziger Jahre längst als "verlorene Dekade", weil die Schulden so zugenommen hatten, daß nicht einmal mehr eine Tilgung möglich war. Und im 21. Jahrhundert gilt für die ganze Welt, daß der Kreislauf von Verschuldung, Entschuldung und Neuverschuldung immer noch nicht durchbrochen ist. Die in der Verantwortung stehenden Politiker und Ökonomen suchen nach Lösungen. Vorschläge liegen vor; im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach einem Insolvenzrecht für Staaten. Unter den Akteuren, welche die Diskussion beherrschen, befindet sich der IWF, dessen Vorschläge Hauptgegenstand des Sammelbandes sind.
Neben der Ökonomie betont das Herausgeberteam bewußt auch die philosophischen, theologischen und ethischen Aspekte des Verschuldungsproblems. Vier Fragenkomplexe stehen im Mittelpunkt des Buches: Wie läßt sich ein Insolvenzrecht begründen? Was spricht auf nationaler Ebene ethisch und ökonomisch für ein Insolvenzrecht, und wie sind Hindernisse zur Schaffung einer entsprechenden Institution zu überwinden? Ergeben sich völkerrechtliche Schwierigkeiten? Ändern sich die Anreizwirkungen aus Sicht potentieller Kreditgeber und Kreditnehmer? Der Sammelband soll "einen Beitrag zu einem fruchtbaren interdisziplinären Gespräch" leisten. Daß das Buch mit einem Aufsatz über die Verschuldung der Entwicklungsländer nicht aus ökonomischer, sondern aus ethischer Sicht beginnt, untermauert dieses Anliegen. Sozialethische Fragen werden ebenso angesprochen wie juristische Themen.
Die ökonomische Perspektive wird in den vorangegangenen Aufsätzen zwar schon angesprochen, aber Detlev Aufderheide arbeitet dann noch besondere Aspekte heraus: zum Beispiel daß die Verschuldung inzwischen auch Staaten betrifft, die vergleichsweise weit entwickelt sind. Aufderheide beschäftigt sich vor allem damit, welche Bedingungen ein Insolvenzrecht erfüllen muß. Denn: "Die Antwort auf diese Frage gibt zugleich eine Antwort auf die so drängende Frage, warum Kreditinstitute in den Geberländern bisher so heftigen Widerstand gegen eine Entschuldung bieten, die doch ohnehin unausweichlich scheint." Der Autor betrachtet die Kreditvergabe dabei insgesamt als Kollektivgut: Alle Akteure würden durch die derzeitige Lage veranlaßt, jene Kosten auf Dritte zu überwälzen, die sie selbst tragen müßten. Und damit sei die nächste Verschuldungskrise ohne ein Insolvenzrecht für Staaten programmiert.
Rolf Eschenburg unterstützt in seinem Korreferat die ökonomischen Vorteile einer Insolvenzordnung. Durch diese können die gegenseitigen Erwartungshaltungen stabilisiert werden, zumindest aber Transaktionskosten und Reibungsverluste minimiert werden. Kunibert Raffer verweist auf das amerikanische Insolvenzrecht, das als Vorbild für eine Insolvenzordnung der Staaten dienen könnte. Kritisch sieht Eva Terberger-Stoy allerdings, daß ein zu großzügig gehandhabtes Insolvenzrecht Tür und Tor für zahlungsunwillige Schuldner öffnet.
Der Sammelband bietet eine interdisziplinäre Stellungnahme zur Einführung eines Insolvenzrechts für Staaten. Es wird deutlich, daß die internationale Verschuldung nicht nur ein ökonomisches Problem ist. Lösungen allerdings müssen auf rechtlicher und ökonomischer Ebene gefunden werden.
INDIRA GURBAXANI
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Im Zentrum der im 21.Jahrhundert nicht weniger als in den 80er Jahren schwelenden Schuldenfrage stehe die Diskussion um das Insolvenzrecht für Staaten. Der besprochene Sammelband, der insbesondere auf Lösungsvorschläge des IWF eingehe, leiste "einen Beitrag zu einem fruchtbaren, interdisziplinären Gespräch" und überzeuge in diesem Ansatz durch den vorangestellten ethisch motivierten Aufsatz. In vier Fragekomplexen werden Indira Gurbaxani zufolge eben nicht nur ökonomische, sondern auch theologische, sozialethische und juristische Aspekte berücksichtigt. Dabei ginge es ebenso um eine grundsätzliche Argumentation wie um die konkrete Gründung einer entsprechenden Institution oder um völkerrechtliche und die sich für potenzielle Kreditgeber- und -nehmer ergebenden Konsequenzen. Drei Beiträgen widmet sich die Rezensentin etwas näher und bemerkt abschließend unmissverständlich, dass Lösungen jedoch "auf rechtlicher und ökonomischer Ebene gefunden werden" müssten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Fazit: Es handelt sich um eine ausgezeichnete Publikation, die einen guten Überblick über die relevanten Argumente zur Problematik der notwendigen Einführung eines Insolvenzrechts für Staaten gibt. Positiv hervorzuheben ist auch die große Interdisziplinarität der Beiträge. Ökonomen, Philosophen, Politologen und Theologen haben, jeweils aus ihrer Perspektive, das Problem der Entschuldung, deren Konsequenzen und die Möglichkeit der Überwindung durch die Einführung eines Insolvenzrechts für Staaten analysiert. Diese Publikation bietet ein ausgezeichnetes Beispiel von der Fruchtbarkeit eines interdisziplinären Ansatzes. Für jeden, der sich mit diesen Fragen beschäftigt, ist sie zu empfehlen, da sowohl die sachlichen, als auch die ethischen sowie theologische Aspekte kenntnisreich dargestellt werden." Prof. Werner Lachmann, in: Wirtschaft und Ethik, Dez. 2004