Das Buch hat zwei Schwerpunkte: die Geschichte der Deutschen Kommunistischen Partei 1968-1984 und die Reaktionen der demokratischen Parteien der Bundesrepublik auf die DKP bis zur Durchsetzung des NATO-Doppelbeschlusses 1984. Beide Themenstränge werden sowohl unter innen- wie außenpolitischen Aspekten verfolgt. Die DKP spielte eine tragende Rolle als Instrument der 'Westarbeit' der DDR. Bei Wahlen stets ohne Erfolg, gelang es der Partei mit einer geschickten Bündnispolitik nach und nach, im außerparlamentarischen Raum von demokratischen Organisationen als Partner anerkannt zu werden, insbesondere in der Friedensbewegung. Vor diesem Hintergrund stellt der Autor die zentrale Frage seines Buches: Wie haben die demokratischen Parteien die politische Rolle der DKP wahrgenommen? Er verfolgt die Einstellungen und Verhaltensmuster von CDU und CSU, SPD, FDP und Grünen sowie die Haltung des Deutschen Bundestages und der verschiedenen Bundesregierungen. Sein Beobachtungszeitraum endet mit dem Jahr 1984, dem Höhepunkt und Abschluss einer Phase, in der die Friedensbewegung, aber auch der Einfluss der DKP ihren Zenit erreicht hatten. Ein wichtiger Beitrag zur Parteiengeschichte der Bundesrepublik und zur Geschichte der westdeutschen Friedensbewegung.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.07.2006Bedingungslose Linientreue
Die DKP war ein wesentlicher Faktor der Westarbeit der SED
Seit der Gründung im Jahr 1968 führt die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) in der öffentlichen Wahrnehmung nur eine Randexistenz. Mit Wahlergebnissen, die selten 0,5 Prozent erreichten und meist nicht einmal zur Teilnahme an der staatlichen Wahlkampfkostenerstattung berechtigten, erschien sie vielen bedeutungslos. Daß dies nicht immer den Tatsachen entsprach und die Partei im Kalten Krieg trotz ausbleibender Resonanz beim Wähler nicht unerheblichen Einfluß auf das politische Geschehen nehmen konnte, ist Gegenstand der Studie von Michael Roik.
Im ersten Teil schildert Roik die Umstände, die zur Wiederzulassung der 1956 durch das Bundesverfassungsgericht verbotenen KPD mit nur geringfügig verändertem Namen führten. Die Parteien der Großen Koalition von 1966 waren nicht mehr vom Nutzen der Verbotsentscheidung überzeugt. Außenpolitische Überlegungen ließen es geraten erscheinen, der Sowjetunion zu signalisieren, man könne auch anders, als nur in den Gräben des Kalten Kriegs zu verharren. Allerdings war es aus Rechtsgründen unmöglich, einfach das Verbotsurteil von 1956 aufzuheben, wie es die Kommunisten gern gesehen hätten. So mußte der damalige Bundesjustizminister Gustav Heinemann (SPD) persönlich als "Rechtsberater" eingreifen, um die KP-Antragsteller davon zu überzeugen, daß eine Neugründung nicht zu umgehen war. Die Union, deren Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger sich zur gleichen Zeit unter Umgehung des vom SPD-Vorsitzenden Willy Brandt geleiteten Auswärtigen Amts um einen eigenen Draht nach Moskau bemühte (nur Herbert Wehner war eingeweiht), erhob keine Einwände. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende und Bundesinnenminister Paul Lücke hatte auch schon entsprechende Gedankenspiele angestellt.
Allen Beteiligten war klar, daß es sich bei der "neuen" Partei um eine Nachfolgeorganisation der verbotenen KPD handelte, die man eigentlich sofort hätte verbieten müssen. Aus Opportunitätsgründen wurde davon abgesehen. So erstand wieder eine Partei, die wie ihre Vorgängerin nicht nur Teil der kommunistischen Weltbewegung, sondern politisch, finanziell und kadermäßig völlig von der Staatspartei der DDR abhängig war. Sie war ein wesentlicher Faktor der Westarbeit der SED und unterstand direkt dem Sekretariat des Zentralkomitees. Eigenen politischen Spielraum hatte sie zu keiner Zeit. Die materielle Abhängigkeit ihrer hauptamtlichen Funktionäre gewährleistete bedingungslose Linientreue. Abweichler verloren ihre wirtschaftliche Basis. Die Schilderung der Einzelheiten der Finanzierung des umfangreichen DKP-Interventionsapparates, der die SED jährlich zwischen 30 und 100 Millionen DM in harter Währung kostete, gehört zu den informativsten Teilen dieses Buches.
Im zweiten Teil spielt die DKP eine eher untergeordnete Rolle. Hier geht es vor allem um die etablierten Parteien SPD, CDU/CSU, FDP sowie die später dazugekommenen Grünen und ihre Sicht auf den Weltkommunismus Moskauer Prägung, seine Ostberliner Filiale SED und die von beiden ausgehenden Gefahren für die Bundesrepublik. Dargestellt wird diese Sicht am Beispiel der westdeutschen Friedensbewegung und speziell des Umgangs der demokratischen Parteien mit dem sogenannten Nato-Doppelbeschluß in den Jahren 1979 bis 1984. Hier bricht die Untersuchung ab, weil - so der Autor - die Zustimmung der Regierung Kohl/Genscher zur Umsetzung des Nato-Doppelbeschlusses im Herbst 1983 der Friedensbewegung auf ihrem Höhepunkt das wichtigste und die Massen am meisten mobilisierende Thema "Nachrüstung" genommen habe.
Am besten fällt Roiks Urteil über die CDU/CSU aus. Der Union bescheinigt er zutreffend beim Doppelbeschluß Prinzipienfestigkeit, ebenso wie der FDP, deren äußerster linker Flügel allerdings mit der zum Teil kommunistisch beeinflußten Friedensbewegung sympathisierte, aber 1982 nach dem Regierungswechsel die Partei verließ. Am härtesten trifft sein Urteil die SPD, deren Bundeskanzler Helmut Schmidt den Nato-Doppelbeschluß 1979 initiiert hatte, dem die Partei jedoch später die Gefolgschaft versagte, womit sie einen wichtigen Beitrag zum Verlust ihrer Regierungsfähigkeit leistete.
Die Einzelheiten dieser Entwicklung werden mit großem Fleiß zusammengetragen. Leider gestalten viele Wiederholungen die Lektüre recht ermüdend. Anzuerkennen ist, daß bei der Schilderung der FDP-Politik erstmals die Rolle William Borms als Einflußagent des MfS ausführlich gewürdigt wird. Wenn Borm auch beim Nato-Doppelbeschluß erfolglos war, muß seine Wirkung in anderen Fragen der Deutschland-Politik noch im Detail untersucht werden. Zu bedauern ist, daß die Untersuchung 1984 endet und auf bestimmte Gegenstände beschränkt ist. Sonst hätte Roik Gelegenheit gehabt, die von ihm gelobte antikommunistische Konsequenz des CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß am Beispiel seiner Vermittlung des Milliardenkredits an die DDR und seiner Beziehungen zu Alexander Schalck-Golodkowski zu erörtern.
DETLEF KÜHN
Michael Roik: Die DKP und die demokratischen Parteien 1968-1984. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2006. 396 S., 44,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die DKP war ein wesentlicher Faktor der Westarbeit der SED
Seit der Gründung im Jahr 1968 führt die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) in der öffentlichen Wahrnehmung nur eine Randexistenz. Mit Wahlergebnissen, die selten 0,5 Prozent erreichten und meist nicht einmal zur Teilnahme an der staatlichen Wahlkampfkostenerstattung berechtigten, erschien sie vielen bedeutungslos. Daß dies nicht immer den Tatsachen entsprach und die Partei im Kalten Krieg trotz ausbleibender Resonanz beim Wähler nicht unerheblichen Einfluß auf das politische Geschehen nehmen konnte, ist Gegenstand der Studie von Michael Roik.
Im ersten Teil schildert Roik die Umstände, die zur Wiederzulassung der 1956 durch das Bundesverfassungsgericht verbotenen KPD mit nur geringfügig verändertem Namen führten. Die Parteien der Großen Koalition von 1966 waren nicht mehr vom Nutzen der Verbotsentscheidung überzeugt. Außenpolitische Überlegungen ließen es geraten erscheinen, der Sowjetunion zu signalisieren, man könne auch anders, als nur in den Gräben des Kalten Kriegs zu verharren. Allerdings war es aus Rechtsgründen unmöglich, einfach das Verbotsurteil von 1956 aufzuheben, wie es die Kommunisten gern gesehen hätten. So mußte der damalige Bundesjustizminister Gustav Heinemann (SPD) persönlich als "Rechtsberater" eingreifen, um die KP-Antragsteller davon zu überzeugen, daß eine Neugründung nicht zu umgehen war. Die Union, deren Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger sich zur gleichen Zeit unter Umgehung des vom SPD-Vorsitzenden Willy Brandt geleiteten Auswärtigen Amts um einen eigenen Draht nach Moskau bemühte (nur Herbert Wehner war eingeweiht), erhob keine Einwände. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende und Bundesinnenminister Paul Lücke hatte auch schon entsprechende Gedankenspiele angestellt.
Allen Beteiligten war klar, daß es sich bei der "neuen" Partei um eine Nachfolgeorganisation der verbotenen KPD handelte, die man eigentlich sofort hätte verbieten müssen. Aus Opportunitätsgründen wurde davon abgesehen. So erstand wieder eine Partei, die wie ihre Vorgängerin nicht nur Teil der kommunistischen Weltbewegung, sondern politisch, finanziell und kadermäßig völlig von der Staatspartei der DDR abhängig war. Sie war ein wesentlicher Faktor der Westarbeit der SED und unterstand direkt dem Sekretariat des Zentralkomitees. Eigenen politischen Spielraum hatte sie zu keiner Zeit. Die materielle Abhängigkeit ihrer hauptamtlichen Funktionäre gewährleistete bedingungslose Linientreue. Abweichler verloren ihre wirtschaftliche Basis. Die Schilderung der Einzelheiten der Finanzierung des umfangreichen DKP-Interventionsapparates, der die SED jährlich zwischen 30 und 100 Millionen DM in harter Währung kostete, gehört zu den informativsten Teilen dieses Buches.
Im zweiten Teil spielt die DKP eine eher untergeordnete Rolle. Hier geht es vor allem um die etablierten Parteien SPD, CDU/CSU, FDP sowie die später dazugekommenen Grünen und ihre Sicht auf den Weltkommunismus Moskauer Prägung, seine Ostberliner Filiale SED und die von beiden ausgehenden Gefahren für die Bundesrepublik. Dargestellt wird diese Sicht am Beispiel der westdeutschen Friedensbewegung und speziell des Umgangs der demokratischen Parteien mit dem sogenannten Nato-Doppelbeschluß in den Jahren 1979 bis 1984. Hier bricht die Untersuchung ab, weil - so der Autor - die Zustimmung der Regierung Kohl/Genscher zur Umsetzung des Nato-Doppelbeschlusses im Herbst 1983 der Friedensbewegung auf ihrem Höhepunkt das wichtigste und die Massen am meisten mobilisierende Thema "Nachrüstung" genommen habe.
Am besten fällt Roiks Urteil über die CDU/CSU aus. Der Union bescheinigt er zutreffend beim Doppelbeschluß Prinzipienfestigkeit, ebenso wie der FDP, deren äußerster linker Flügel allerdings mit der zum Teil kommunistisch beeinflußten Friedensbewegung sympathisierte, aber 1982 nach dem Regierungswechsel die Partei verließ. Am härtesten trifft sein Urteil die SPD, deren Bundeskanzler Helmut Schmidt den Nato-Doppelbeschluß 1979 initiiert hatte, dem die Partei jedoch später die Gefolgschaft versagte, womit sie einen wichtigen Beitrag zum Verlust ihrer Regierungsfähigkeit leistete.
Die Einzelheiten dieser Entwicklung werden mit großem Fleiß zusammengetragen. Leider gestalten viele Wiederholungen die Lektüre recht ermüdend. Anzuerkennen ist, daß bei der Schilderung der FDP-Politik erstmals die Rolle William Borms als Einflußagent des MfS ausführlich gewürdigt wird. Wenn Borm auch beim Nato-Doppelbeschluß erfolglos war, muß seine Wirkung in anderen Fragen der Deutschland-Politik noch im Detail untersucht werden. Zu bedauern ist, daß die Untersuchung 1984 endet und auf bestimmte Gegenstände beschränkt ist. Sonst hätte Roik Gelegenheit gehabt, die von ihm gelobte antikommunistische Konsequenz des CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß am Beispiel seiner Vermittlung des Milliardenkredits an die DDR und seiner Beziehungen zu Alexander Schalck-Golodkowski zu erörtern.
DETLEF KÜHN
Michael Roik: Die DKP und die demokratischen Parteien 1968-1984. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2006. 396 S., 44,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Durchaus beachtenswert scheint Detlef Kühn diese Arbeit über die "DKP und die demokratischen Parteien 1968-1984", die Michael Roik vorgelegt hat. Besonders interessiert ihn die Darstellung der Rolle der wiederzugelassenen DKP in den sechziger Jahren. Überzeugend lege der Autor die völlige Abhängigkeit der DKP von der Staatspartei der DDR dar. Insbesondere die Schilderung der Einzelheiten der Finanzierung der DKP durch die SED lobt Kühn als höchst instruktiv. Aufschlussreich findet er zudem Roiks Ausführungen über den Umgang der demokratischen Parteien mit dem sogenannten Nato-Doppelbeschluss in den Jahren 1979 bis 1984. Insgesamt bescheinigt er dem Autor, die Details dieser Entwicklung "mit großem Fleiß" zusammenzustellen. Allerdings kommt es zu Kühns Bedauern dabei zu zahlreichen einschläfernden Wiederholungen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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