Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wirkt das Prinzip der Gewaltenteilung wie eine schöne, doch auf dem Rückzug begriffene Idee aus dem Arsenal der alt gewordenen politischen Moderne. Öffentliche Gewalt hat sich, so ein weit verbreiteter Eindruck, zum einen in exekutiven Organisationen zentralisiert, zum anderem hat die Internationalisierung der Rechtsordnung das klassische Gewaltenteilungsschema überholt. Diesen Vorstellungen, die eine bestimmte Idee von Staatlichkeit verabsolutieren, wird in diesem Buch ein legitimationstheoretisches Modell entgegengesetzt, das Gewaltengliederung von der Form des…mehr
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wirkt das Prinzip der Gewaltenteilung wie eine schöne, doch auf dem Rückzug begriffene Idee aus dem Arsenal der alt gewordenen politischen Moderne. Öffentliche Gewalt hat sich, so ein weit verbreiteter Eindruck, zum einen in exekutiven Organisationen zentralisiert, zum anderem hat die Internationalisierung der Rechtsordnung das klassische Gewaltenteilungsschema überholt. Diesen Vorstellungen, die eine bestimmte Idee von Staatlichkeit verabsolutieren, wird in diesem Buch ein legitimationstheoretisches Modell entgegengesetzt, das Gewaltengliederung von der Form des demokratischen Verfassungsstaats zumindest teilweise löst. Das bedeutet nicht, dass die kleiner werdenden einseitigen Entscheidungmöglichkeiten von Nationalstaaten, nicht auch Verluste an demokratischer Selbstbestimmung mit sich brächten. Trotzdem können bestimmte Legitimationsprobleme so reformuliert und auch relativiert werden.Die alte Unterscheidung zwischen den drei Herrschaftsgewalten,zwischen Gesetzgebung, Gesetzesvollzug und Rechtsprechung, entfaltet auch für die neuesten Entwicklungen des Rechts einen Wert, wenn man sie konsequent auf eine legitimationstheoretische Grundlage stellt: Verstanden als organisatorische Explikation des unauflösbaren Widerspruchs zwischen individueller Freiheit und demokratischer Selbstbestimmung lassen sich für die Bestimmung der drei Gewalten und für ihr institutionelles Arrangement Verwirklichungskriterien herleiten und auf verschiedenste Probleme des nationalen und internationalen Verfassungsrechts anwenden.
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Autorenporträt
Christoph Möllers, geb. 1969, ist seit 2005 Professor für Öffentliches Recht, Rechtsvergleichung und Verfassungstheorie an der Georg-August-Universität Göttingen. Er war 2006/2007 Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Wichtige Veröffentlichungen: Staat als Argument, 2000; Gewaltengliederung, 2005; Internationales Verwaltungsrecht (hrsg. mit Christian Walter und Andreas Voßkuhle). Er forscht zu Problemen des nationalen und internationalen Verfassungsrechts, zur Bedeutung der Demokratietheorie für das öffentliche Recht, der Internationalisierung von Verwaltungsstrukturen und zur Theorie der Normativität des Rechts.
Inhaltsangabe
Einleitung: Verfassungstheorie und politische PhilosophieKapitel 1: Gewaltenteilung: Traditionen und BedeutungenI. Traditionen der Gewaltenteilung: eine vergleichende Skizze1. Demokratische Vorbehalte gegen Gerichte: Frankreich2. Parlamentarische Regierung: England3. Gewaltenteilung als gemischte Demokratie: USA4 Gewaltentrennung im monarchischen Rechtsstaat: Deutschland5. Föderale ErgänzungenII. Gewaltenteilung: Funktionen und Bedeutungen1. Zur Funktion: Herrschaftsermöglichung und Herrschaftsbegrenzung2. Zur Bedeutung: Trennung, Balance oder AnmaßungsverbotIII. ZwischenbilanzKapitel 2: Gewaltengliederung in SelbstbestimmungI. Selbstbestimmung als Legitimationskonzept1. Zur Idee der Selbstbestimmung2. Zwischen Wille und Rechtfertigung3. Selbstbestimmung durch HerrschaftII. Individuelle und demokratische Selbstbestimmung durch Recht1. Das Verhältnis zwischen individueller und kollektiver Selbstbestimmung2. Individuelle und demokratische Legitimation3. Recht und PolitikIII. Die drei Gewalten: eine legitimationstheoretische Herleitung1. Rechtserzeugung als Bezugspunkt der Gewaltengliederung2. Legislative3. Judikative4. Exekutive5. Ämterbesetzung6. Überschießende Legitimation: Parteien und objektive Grundrechte7. Hierarchie und Konkretisierung zwischen den GewaltenIV. ZwischenbilanzKapitel 3: Gewaltengliederung im VerfassungsstaatI. Parlament und Regierung1. Regierung und Parlament2. Delegationen: Die Ermächtigung der Exekutive durch die Legislative3.Parlamentarische Kontrolle4. Agenturen: Verselbständigte VerwaltungseinheitenII. Verfassungsgerichtsbarkeit1. Verfassungsgerichte im Vorrang der Verfassung2. Verfassungsgerichte als Hüter des demokratischen Prozesses3. Verfassungsgerichte als Hüter föderaler Kompetenzordnungen4. Verfassungsgerichte als Hüter der Grundrecht5. FazitIII. Grenzen gerichtlicher Kontrolle der VerwaltungIV. ZwischenbilanzKapitel 4: Gewaltengliederung in der Internationalisierung des Rechts Vorüberlegungen1. Rechtsinternationalisierung: eine legitimationstheoretische Analyse2. Demokratische Legitimation durch Intergouvernementalität3. Individuelle Legitimation durch Vergerichtlichung4. Ungleichzeitigkeiten der LegitimationsentwicklungI. Der internationalisierte Verfassungsstaat1. Auswärtige Gewaltengliederung2. Drei Lösungsmöglichkeiten3. Fazit: Vereinheitlichung von Innen- und AußenverfassungsrechtII. Europäische Integration1. Gewaltengliederung in der Europäischen Union2. Judikative Rechtserzeugung3. Legislative Rechtserzeugung4. Die Kommission: Regierung oder Agentur5. Die Legitimation verkoppelter Exekutiven6. FazitIII. Internationales Recht1. Bauelemente internationaler Organisationen2. Vereinte Nationen3. Welthandelorganisation4. Institutionen des MenschenrechtsschutzesIV. Hybride Organisationsformen1. Soft Law durch internationale Organisationen2. Transnationale Verwaltungsnetzwerke3. Private RechtsetzungAusblick: Governance - Konstitutionalisierung - Vierte Gewalten?
Einleitung: Verfassungstheorie und politische PhilosophieKapitel 1: Gewaltenteilung: Traditionen und BedeutungenI. Traditionen der Gewaltenteilung: eine vergleichende Skizze1. Demokratische Vorbehalte gegen Gerichte: Frankreich2. Parlamentarische Regierung: England3. Gewaltenteilung als gemischte Demokratie: USA4 Gewaltentrennung im monarchischen Rechtsstaat: Deutschland5. Föderale ErgänzungenII. Gewaltenteilung: Funktionen und Bedeutungen1. Zur Funktion: Herrschaftsermöglichung und Herrschaftsbegrenzung2. Zur Bedeutung: Trennung, Balance oder AnmaßungsverbotIII. ZwischenbilanzKapitel 2: Gewaltengliederung in SelbstbestimmungI. Selbstbestimmung als Legitimationskonzept1. Zur Idee der Selbstbestimmung2. Zwischen Wille und Rechtfertigung3. Selbstbestimmung durch HerrschaftII. Individuelle und demokratische Selbstbestimmung durch Recht1. Das Verhältnis zwischen individueller und kollektiver Selbstbestimmung2. Individuelle und demokratische Legitimation3. Recht und PolitikIII. Die drei Gewalten: eine legitimationstheoretische Herleitung1. Rechtserzeugung als Bezugspunkt der Gewaltengliederung2. Legislative3. Judikative4. Exekutive5. Ämterbesetzung6. Überschießende Legitimation: Parteien und objektive Grundrechte7. Hierarchie und Konkretisierung zwischen den GewaltenIV. ZwischenbilanzKapitel 3: Gewaltengliederung im VerfassungsstaatI. Parlament und Regierung1. Regierung und Parlament2. Delegationen: Die Ermächtigung der Exekutive durch die Legislative3.Parlamentarische Kontrolle4. Agenturen: Verselbständigte VerwaltungseinheitenII. Verfassungsgerichtsbarkeit1. Verfassungsgerichte im Vorrang der Verfassung2. Verfassungsgerichte als Hüter des demokratischen Prozesses3. Verfassungsgerichte als Hüter föderaler Kompetenzordnungen4. Verfassungsgerichte als Hüter der Grundrecht5. FazitIII. Grenzen gerichtlicher Kontrolle der VerwaltungIV. ZwischenbilanzKapitel 4: Gewaltengliederung in der Internationalisierung des Rechts Vorüberlegungen1. Rechtsinternationalisierung: eine legitimationstheoretische Analyse2. Demokratische Legitimation durch Intergouvernementalität3. Individuelle Legitimation durch Vergerichtlichung4. Ungleichzeitigkeiten der LegitimationsentwicklungI. Der internationalisierte Verfassungsstaat1. Auswärtige Gewaltengliederung2. Drei Lösungsmöglichkeiten3. Fazit: Vereinheitlichung von Innen- und AußenverfassungsrechtII. Europäische Integration1. Gewaltengliederung in der Europäischen Union2. Judikative Rechtserzeugung3. Legislative Rechtserzeugung4. Die Kommission: Regierung oder Agentur5. Die Legitimation verkoppelter Exekutiven6. FazitIII. Internationales Recht1. Bauelemente internationaler Organisationen2. Vereinte Nationen3. Welthandelorganisation4. Institutionen des MenschenrechtsschutzesIV. Hybride Organisationsformen1. Soft Law durch internationale Organisationen2. Transnationale Verwaltungsnetzwerke3. Private RechtsetzungAusblick: Governance - Konstitutionalisierung - Vierte Gewalten?
Rezensionen
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Den "rousseauistisch erweiterten Freiheitsbegriff", der dieser Studie zugrunde liegt und der neben der individuellen auch die kollektive Selbstbestimmung umfasst, findet Wolfgang Kersting erfreulich. Die Spannungen zwischen liberalen und republikanischen Aspekten der Freiheit sieht der Rezensent einmal nicht wie üblich zugunsten der einen oder anderen Seite eingeebnet, sondern auf die Legislative als "Ort der demokratischen Selbstbestimmung" und die Forderung nach einer Gewaltengliederung hin ausbalanciert. Anregend erscheinen Kersting auch Christoph Möllers Überlegungen zur Anwendung der Gewaltengliederung. Abgesehen von durchaus kritischen Tönen im Hinblick auf ihre Verwirklichung im internationalen Recht erscheinen sie ihm mitunter etwas blauäugig, doch insgesamt harmonisch.