»Lyrik schreiben heißt, die Geschwätzigkeit abzubauen.«
Einzigartig sind die Verse Doris Runges, die mit wenigen Worten, genauestens gesetzt, ganze Welten öffnen und von Erfahrungen berichten, die gemacht zu haben, wir nicht wussten. Lebensgesättigt, zutiefst subjektiv, ohne jede Sentimentalität kündigen sie vom Fremdsein, Zugastsein, von Vergeblichem, von Liebe, Verzweiflung und Schutz.
Einzigartig sind die Verse Doris Runges, die mit wenigen Worten, genauestens gesetzt, ganze Welten öffnen und von Erfahrungen berichten, die gemacht zu haben, wir nicht wussten. Lebensgesättigt, zutiefst subjektiv, ohne jede Sentimentalität kündigen sie vom Fremdsein, Zugastsein, von Vergeblichem, von Liebe, Verzweiflung und Schutz.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.12.2007An der Wortstange
Äußerst sparsam: Doris Runges Gedichtband „die dreizehnte”
Doris Runges Gedichte gleichen vertikalen Stillleben: Nur wenige Wörter finden sich auf jeder Seite. In der Waagerechten sind es selten mehr als eines oder zwei, die beieinanderstehen, sodass man von Versen kaum sprechen mag. Ein paarmal finden sich in „die dreizehnte” vier, und ein einziges Mal fünf Wörter in einer Zeile. Sonst aber pflegt die Autorin ihr Material schlank entlang der Bindung zu gruppieren, immer schön untereinander. Rhythmus kommt dabei kaum auf, eher eine gewisse Atemlosigkeit. So wie die Gedichte als magere vertikale Wortstangen auf dem Blatt stehen, wirken sie auch nach der Lektüre ziemlich dünn. Manchmal zwar blitzt ein guter Einfall auf: „der letzte gast/ nagt sich/ durchs laminat”. Ein solcher Einfall wird dann aber gleich durch einen ihm beigestellten schwächeren nivelliert: „das notlicht brennt/ ganz ohne not”.
Ja, die Tendenz zum Kalauer ist deutlich spürbar, auch wenn Doris Runge sicher nicht auf lautes Lachen ihrer Leser abzielt. Ein Schmunzeln dürfte ihrer Intention eher entsprechen. Doch der Schmunzler ist ein biederer Zeitgenosse. Wenn da etwa jemand säuft, „als wär er/ ein faß/ ohne boden” oder das lyrische Ich nach dem Kauf eines Navigationsgeräts erstmals weiß, „wo es langgeht”, dann mag sich dieses Spiel mit Redensarten im gemütlich-geselligen Zwiegespräch vielleicht gut machen, im Gedicht aber wirkt es doch recht fade. Auch die grammatikalisch problematischen „mantelmöwen/ mit hochgeschlagenem/ kragen” wirken im Gedicht bloß beschaulich.
Überdies sind Doris Runges Gedichte von einem Bescheidenheitsgestus durchzogen, der häufig etwas Betuliches an sich hat: „das bündel seele/ zuviel gepäck”. Zwar wollen Gedichtchen nicht mehr scheinen, als sie sind – meist sind sie nur leider auch nicht viel. Vielleicht soll dem Leser nicht zu viel zugemutet werden. Nicht selten wird er mit einem Rätsel in Gedichtform konfrontiert, wobei das Gedicht nach wenigen Wörtern aber auch schon die Auflösung präsentiert. So verrät der Titel „bernsteinkette”, worum es sich bei dem „würgeengel” handelt, der daran erinnert, „wie jung/ wie vergänglich/ ich bin.” Natürlich sollen Gedichte nicht verschlüsselt sein, sie sollen aber doch vom Geheimnis der Welt handeln. Auflösen und erklären. Das tun andere Texte, das Gedicht hingegen umreißt die blinden Flecken unseres Daseins.
Insofern ist Runges Gedichten durchaus etwas Handfestes eigen. Man weiß, woran man ist: Hier schaut ein Ich auf die Welt und macht sich so seine Gedanken. Doch ob es um den Tod oder um die Faszination Fuß, um die Seele oder die Vorzüge schwedischen Sesseldesigns geht, alles wird ins selbe vertikale, die Dinge ein wenig, aber nicht zu viel verrückende System gebracht. Das wirkt mitunter kraftlos, manchmal gar läppisch: „der sommer geht/ und schon vergeben/ und ausgegeben/ wie wechselgeld”. Als wären Wörter kleine Kupfermünzen, spielt die Autorin mit ihnen eine Weile, um sie dann klimpernd aufs Papier zu werfen. Wie Wechselgeld hat man diese kleinen Gebilde dann auch bald vergessen. TOBIAS LEHMKUHL
DORIS RUNGE: die dreizehnte. DVA, Stuttgart 2007. 92 Seiten, 14,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Äußerst sparsam: Doris Runges Gedichtband „die dreizehnte”
Doris Runges Gedichte gleichen vertikalen Stillleben: Nur wenige Wörter finden sich auf jeder Seite. In der Waagerechten sind es selten mehr als eines oder zwei, die beieinanderstehen, sodass man von Versen kaum sprechen mag. Ein paarmal finden sich in „die dreizehnte” vier, und ein einziges Mal fünf Wörter in einer Zeile. Sonst aber pflegt die Autorin ihr Material schlank entlang der Bindung zu gruppieren, immer schön untereinander. Rhythmus kommt dabei kaum auf, eher eine gewisse Atemlosigkeit. So wie die Gedichte als magere vertikale Wortstangen auf dem Blatt stehen, wirken sie auch nach der Lektüre ziemlich dünn. Manchmal zwar blitzt ein guter Einfall auf: „der letzte gast/ nagt sich/ durchs laminat”. Ein solcher Einfall wird dann aber gleich durch einen ihm beigestellten schwächeren nivelliert: „das notlicht brennt/ ganz ohne not”.
Ja, die Tendenz zum Kalauer ist deutlich spürbar, auch wenn Doris Runge sicher nicht auf lautes Lachen ihrer Leser abzielt. Ein Schmunzeln dürfte ihrer Intention eher entsprechen. Doch der Schmunzler ist ein biederer Zeitgenosse. Wenn da etwa jemand säuft, „als wär er/ ein faß/ ohne boden” oder das lyrische Ich nach dem Kauf eines Navigationsgeräts erstmals weiß, „wo es langgeht”, dann mag sich dieses Spiel mit Redensarten im gemütlich-geselligen Zwiegespräch vielleicht gut machen, im Gedicht aber wirkt es doch recht fade. Auch die grammatikalisch problematischen „mantelmöwen/ mit hochgeschlagenem/ kragen” wirken im Gedicht bloß beschaulich.
Überdies sind Doris Runges Gedichte von einem Bescheidenheitsgestus durchzogen, der häufig etwas Betuliches an sich hat: „das bündel seele/ zuviel gepäck”. Zwar wollen Gedichtchen nicht mehr scheinen, als sie sind – meist sind sie nur leider auch nicht viel. Vielleicht soll dem Leser nicht zu viel zugemutet werden. Nicht selten wird er mit einem Rätsel in Gedichtform konfrontiert, wobei das Gedicht nach wenigen Wörtern aber auch schon die Auflösung präsentiert. So verrät der Titel „bernsteinkette”, worum es sich bei dem „würgeengel” handelt, der daran erinnert, „wie jung/ wie vergänglich/ ich bin.” Natürlich sollen Gedichte nicht verschlüsselt sein, sie sollen aber doch vom Geheimnis der Welt handeln. Auflösen und erklären. Das tun andere Texte, das Gedicht hingegen umreißt die blinden Flecken unseres Daseins.
Insofern ist Runges Gedichten durchaus etwas Handfestes eigen. Man weiß, woran man ist: Hier schaut ein Ich auf die Welt und macht sich so seine Gedanken. Doch ob es um den Tod oder um die Faszination Fuß, um die Seele oder die Vorzüge schwedischen Sesseldesigns geht, alles wird ins selbe vertikale, die Dinge ein wenig, aber nicht zu viel verrückende System gebracht. Das wirkt mitunter kraftlos, manchmal gar läppisch: „der sommer geht/ und schon vergeben/ und ausgegeben/ wie wechselgeld”. Als wären Wörter kleine Kupfermünzen, spielt die Autorin mit ihnen eine Weile, um sie dann klimpernd aufs Papier zu werfen. Wie Wechselgeld hat man diese kleinen Gebilde dann auch bald vergessen. TOBIAS LEHMKUHL
DORIS RUNGE: die dreizehnte. DVA, Stuttgart 2007. 92 Seiten, 14,95 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.04.2007Wohngemeinschaft mit unerlösten Seelen
Totentanzstunde: In den neuen Gedichten von Doris Runge ist die Neigung zum lyrischen Spiel zurückgegangen, dafür finden sich mehr unerbittliche und schwarzgallige Töne.
Von Wulf Segebrecht
Eine Peinlichkeit, ja ein "fatales Memento mori" wäre entstanden, schreibt Goethe in "Dichtung und Wahrheit", wenn es bei einer Geselligkeit, zu der er in Straßburg eingeladen war, bei Tisch zu einer dreizehnten Person gekommen wäre. Um seinem Gastgeber aus dieser Verlegenheit zu helfen, in die er durch einen unvermutet hinzugekommenen Verwandten geraten war, habe er sich stillschweigend davongemacht, schreibt Goethe, und der Gesellschaft auf diese Weise die abergläubisch gefürchtete, unheilvolle Situation erspart, die im Dornröschen-Märchen bekanntlich zur Androhung der dreizehnten, nicht zu Tisch geladenen "weisen Frau" geführt hat, wonach das schöne Dornröschen durch einen Unfall zu Tode kommen werde.
Diese Dreizehnte mit ihrem Memento mori ist in Doris Runges neuem Gedichtband immer zugegen; im Titelgedicht selbstverständlich, wo sie als Blutsaugerin begegnet, und im Gedicht "dreizehn", das einen ganzen Katalog von (nicht nur unseligen) Dreizehn-Konstellationen aufreiht, aber auch dort, wo man sie zunächst gar nicht erwartet. Sie hat gewissermaßen das erste und das letzte Wort; denn schon das Eingangsgedicht des sorgfältig komponierten Bandes setzt einen "schluß punkt", und am Ende steht der "einzug" in das "neue haus", das so eng und so sargklein ist, dass es sogar "zwei koffer tand / und auch den / kleidersack" nicht mehr aufnehmen kann, "nur noch / das nachtgewand / und abendrot / und brot / und salz".
Selbst der da nächtlich "fensternd" wie zu einem Schäferstündchen ("tête à tête") bei seiner Freundin einsteigt, entpuppt sich als der Tod. Das erwartete Liebesgeflüster wird zum Streitgespräch: "verschwinde / verschon mich", fordert die Geliebte; "alles / meine liebe / alles / nur das nicht", antwortet der Besucher kühl. Natürlich verbirgt er sich auch hinter dem "tänzer", der seine Partnerin im Dreivierteltakt "packt / und walzt und / dreht und wirbelt", so dass sie am Ende gespenstersehend, atemlos und verwirrt "an seinem hals" hängt "mit diesen high heels / statt der angepassten / ortophädischen" Schuhe, die kein Druckfehler sind, sondern Ausdruck ihrer Irritation und falschen Ausrüstung für den Weg, der ihr bevorsteht.
Spielformen solcher Art verwendet Doris Runge im Vergleich zu den Texten ihrer bisherigen sechs Gedichtbände, die sie seit 1985 vorgelegt hat, seltener und diskreter. Kein Wunder: Wo das Spiel der Kunst zum Endspiel wird, da wird es wirklich ernst. Die an Runges Versen oft gerühmte kunstvolle Technik des Apokoinus (also jener grammatischen Konstruktion, bei der sich ein Wort zugleich auf den vorhergehenden wie auf den folgenden Satzteil bezieht) wird deutlich sparsamer eingesetzt. Ihre Gedichte sind dadurch - wenn das Wort angesichts so lakonischer Texte überhaupt am Platz ist - ein wenig redseliger geworden; jedenfalls sind sie nicht mehr so stark kondensiert oder destilliert wie bisher; sie vermeiden die Gefahr, zur bloßen Manier zu werden, sie enthalten etwas mehr Luft, überschreiten gelegentlich das Format einer Buchseite und nehmen hin und wieder sogar erzählerische oder dialogische Elemente bei sich auf.
Streng, und karg waren Doris Runges Gedichte schon immer; wortarm, aber bedeutungsreich, ironisch mitunter und gelegentlich verspielt. Das alles ist so geblieben. Der vielgeliebte Runge-Sound ist nach wie vor wahrnehmbar, vor allem in den ebenso entzückenden wie entsetzenden Liebesgedichten. Zusätzlich aber hat sich nun Schwarzgalligkeit und Unerbittlichkeit in ihren Versen eingenistet, die dabei konkret und kompromisslos geworden sind. Noch deutlicher als bisher tritt die schleswig-holsteinische Landschaft hervor mit dem Meer, dem Deich, dem Horizont und dem Himmel, mit Gespensterschiffen, Elementargeistern, aber auch mit der Geschichte, mit Märchen, Glauben und Aberglauben und nicht zuletzt mit der Atmosphäre eines aufgelassenen Klosters.
Dort, "im dänischen amtsschreiberhaus", wo "die verblichenen / buchhalter / mit ärmelschonern / meine geschichte / verwischen / penetrant und penibel / alles vermischen", ist Doris Runge heimisch geworden; dort, neben dem Kloster Cismar, lebt sie in Wohngemeinschaft ("wg" heißt das entsprechende Gedicht) mit dem Staub der Geschichte, den längst verstorbenen Schreibern und den unerlösten Seelen der einstigen Bewohner: "nacht für nacht / legt mir eine unerlöste seele / ihr gebrochenes herz / ans herz als wärs / mein eigenes".
- Doris Runge: "Die Dreizehnte". Gedichte. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007. 92 S., geb., 14,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Totentanzstunde: In den neuen Gedichten von Doris Runge ist die Neigung zum lyrischen Spiel zurückgegangen, dafür finden sich mehr unerbittliche und schwarzgallige Töne.
Von Wulf Segebrecht
Eine Peinlichkeit, ja ein "fatales Memento mori" wäre entstanden, schreibt Goethe in "Dichtung und Wahrheit", wenn es bei einer Geselligkeit, zu der er in Straßburg eingeladen war, bei Tisch zu einer dreizehnten Person gekommen wäre. Um seinem Gastgeber aus dieser Verlegenheit zu helfen, in die er durch einen unvermutet hinzugekommenen Verwandten geraten war, habe er sich stillschweigend davongemacht, schreibt Goethe, und der Gesellschaft auf diese Weise die abergläubisch gefürchtete, unheilvolle Situation erspart, die im Dornröschen-Märchen bekanntlich zur Androhung der dreizehnten, nicht zu Tisch geladenen "weisen Frau" geführt hat, wonach das schöne Dornröschen durch einen Unfall zu Tode kommen werde.
Diese Dreizehnte mit ihrem Memento mori ist in Doris Runges neuem Gedichtband immer zugegen; im Titelgedicht selbstverständlich, wo sie als Blutsaugerin begegnet, und im Gedicht "dreizehn", das einen ganzen Katalog von (nicht nur unseligen) Dreizehn-Konstellationen aufreiht, aber auch dort, wo man sie zunächst gar nicht erwartet. Sie hat gewissermaßen das erste und das letzte Wort; denn schon das Eingangsgedicht des sorgfältig komponierten Bandes setzt einen "schluß punkt", und am Ende steht der "einzug" in das "neue haus", das so eng und so sargklein ist, dass es sogar "zwei koffer tand / und auch den / kleidersack" nicht mehr aufnehmen kann, "nur noch / das nachtgewand / und abendrot / und brot / und salz".
Selbst der da nächtlich "fensternd" wie zu einem Schäferstündchen ("tête à tête") bei seiner Freundin einsteigt, entpuppt sich als der Tod. Das erwartete Liebesgeflüster wird zum Streitgespräch: "verschwinde / verschon mich", fordert die Geliebte; "alles / meine liebe / alles / nur das nicht", antwortet der Besucher kühl. Natürlich verbirgt er sich auch hinter dem "tänzer", der seine Partnerin im Dreivierteltakt "packt / und walzt und / dreht und wirbelt", so dass sie am Ende gespenstersehend, atemlos und verwirrt "an seinem hals" hängt "mit diesen high heels / statt der angepassten / ortophädischen" Schuhe, die kein Druckfehler sind, sondern Ausdruck ihrer Irritation und falschen Ausrüstung für den Weg, der ihr bevorsteht.
Spielformen solcher Art verwendet Doris Runge im Vergleich zu den Texten ihrer bisherigen sechs Gedichtbände, die sie seit 1985 vorgelegt hat, seltener und diskreter. Kein Wunder: Wo das Spiel der Kunst zum Endspiel wird, da wird es wirklich ernst. Die an Runges Versen oft gerühmte kunstvolle Technik des Apokoinus (also jener grammatischen Konstruktion, bei der sich ein Wort zugleich auf den vorhergehenden wie auf den folgenden Satzteil bezieht) wird deutlich sparsamer eingesetzt. Ihre Gedichte sind dadurch - wenn das Wort angesichts so lakonischer Texte überhaupt am Platz ist - ein wenig redseliger geworden; jedenfalls sind sie nicht mehr so stark kondensiert oder destilliert wie bisher; sie vermeiden die Gefahr, zur bloßen Manier zu werden, sie enthalten etwas mehr Luft, überschreiten gelegentlich das Format einer Buchseite und nehmen hin und wieder sogar erzählerische oder dialogische Elemente bei sich auf.
Streng, und karg waren Doris Runges Gedichte schon immer; wortarm, aber bedeutungsreich, ironisch mitunter und gelegentlich verspielt. Das alles ist so geblieben. Der vielgeliebte Runge-Sound ist nach wie vor wahrnehmbar, vor allem in den ebenso entzückenden wie entsetzenden Liebesgedichten. Zusätzlich aber hat sich nun Schwarzgalligkeit und Unerbittlichkeit in ihren Versen eingenistet, die dabei konkret und kompromisslos geworden sind. Noch deutlicher als bisher tritt die schleswig-holsteinische Landschaft hervor mit dem Meer, dem Deich, dem Horizont und dem Himmel, mit Gespensterschiffen, Elementargeistern, aber auch mit der Geschichte, mit Märchen, Glauben und Aberglauben und nicht zuletzt mit der Atmosphäre eines aufgelassenen Klosters.
Dort, "im dänischen amtsschreiberhaus", wo "die verblichenen / buchhalter / mit ärmelschonern / meine geschichte / verwischen / penetrant und penibel / alles vermischen", ist Doris Runge heimisch geworden; dort, neben dem Kloster Cismar, lebt sie in Wohngemeinschaft ("wg" heißt das entsprechende Gedicht) mit dem Staub der Geschichte, den längst verstorbenen Schreibern und den unerlösten Seelen der einstigen Bewohner: "nacht für nacht / legt mir eine unerlöste seele / ihr gebrochenes herz / ans herz als wärs / mein eigenes".
- Doris Runge: "Die Dreizehnte". Gedichte. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007. 92 S., geb., 14,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Allgegenwärtig ist die "dreizehn" in diesem neuen Gedichtband von Doris Runge. Und allgegenwärtig ist mit der "dreizehn" auch der Tod, so der Rezensent Wulf Segebrecht, der die genaue Komposition des gesamten Bandes lobt. Stilistisch habe sich die Autorin im Vergleich mit ihren zuvor erschienenen Gedichten einerseits verändert; an die Stelle grammatischer Kondensationen tritt größere Freiheit, auch in der Verwendung "erzählerischer oder dialogischer Elemente". Andererseits aber ist der "vielgeliebte Runge-Sound" keineswegs verschwunden, nur eine Spur ernster komme alles daher. Segebrecht macht aber ganz den Eindruck, als hielte er das für eine begrüßenswerte Entwicklung.
© Perlentaucher Medien GmbH
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