1872 als sächsische Regionalbank gegründet, stieg die Dresdner Bank bald zur zweitgrößten deutschen Bank auf. Die Rolle, die das Unternehmen im Dritten Reich spielte, ist charakteristisch für die enge Verflechtung von nationalsozialistischer Herrschaft und der Geschäftspolitik des großen Geldes. Als Vertrauensbank der SS und in ihren engen Beziehungen zum wirtschaftlichen Machtblock Hermann Görings nimmt die Dresdner Bank gleichwohl eine Sonderstellung ein. Das unter der Herausgeberschaft von Klaus-Dietmar Henke entstandene Werk entfaltet die ganze Bandbreite von Druck, Anpassung, Nutznießertum und bereitwilliger Mittäterschaft und legt das für die Dresdner Bank charakteristische Spannungsverhältnis von ökonomischer Rationalität und besonderer Regimenähe offen. Die changierende Symbiose von Nationalsozialismus und Kapitalismus tritt so zutage. In vier Bänden liegt hier eine der umfassendsten unternehmensgeschichtlichen Untersuchungen überhaupt vor.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.02.2006Williger Partner im NS-Regime
Die Dresdner Bank arbeitet endlich ihre Vergangenheit auf
Mit diesem Monumentalwerk stellt sich die Dresdner Bank den bitteren und bedrückenden Wahrheiten ihres Verhaltens in der Zeit des Nationalsozialismus. Es ist die wohl umfassendste unternehmenshistorische Untersuchung dieser Art, an der zehn Historiker unter Leitung von Klaus-Dietmar Henke, dem Ordinarius für Zeitgeschichte an der TU Dresden und früheren Leiter des Hannah-Arendt-Instituts, sowie ein hochkarätiger internationaler Fachbeirat beteiligt waren. 1,6 Millionen Euro hat sich die Bank das Vorhaben kosten lassen und damit, wie Henke richtig schreibt, in respektabler Weise den Weg auf die Höhe der in Deutschland mittlerweile erreichten Erinnerungskultur gefunden.
Die Bank hatte sich lange und hartnäckig der Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte verweigert, obwohl sie die umfassendsten Aktenbestände der Großbanken besitzt. So wurde noch 1992 im Jubiläumsband zum 120jährigen Bestehen das Verhalten der Bank in der Nazizeit beschönigend und geschichtsklitternd gewertet. Erst als in den neunziger Jahren in den Vereinigten Staaten Ermittlungen gegen Schweizer und deutsche Banken wegen ihrer Zusammenarbeit mit dem NS-Regime einsetzten, denen dann Sammelklagen von Holocaust-Opfern folgten, gab die Bank 1997 die vorliegende Untersuchung in Auftrag. Sie gründete auch eine historische Kommission und richtete ein historisches Archiv ein. Die politisch sensiblere Deutsche Bank hatte bereits 1989 renommierte Historiker mit Untersuchungen beauftragt. Die Zurückhaltung der Dresdner Bank mag an der allgemein verbreiteten Einstellung gelegen haben, die Vergangenheit endlich ruhenzulassen. Wahrscheinlicher ist, daß man im Drang der Geschäfte die gesellschaftspolitische Brisanz der Holocaust-Debatte nicht erkannte.
Dabei war in Grundzügen schon seit Kriegsende bekannt, daß die Dresdner Bank von den Großbanken die größte Nähe zum NS-Regime besaß und sich bei den Arisierungen, bei der Ausplünderung der Juden und bei der Expansion in die von Hitler eroberten Gebiete in Europa am aggressivsten verhalten hatte. Sie war der bedeutendste Geldgeber der SS und ihrer Wirtschaftsbetriebe gewesen. Ihr damaliges Vorstandsmitglied Karl Rasche, SS-Ehrenoffizier im Rang eines Obersturmbannführers, wurde als einziger Banker 1946 vom Nürnberger Militärgericht zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Die Untersuchung zeigt diese dunkle Seite der Bank noch einmal in allen Einzelheiten. Besonders eindrucksvoll ist die Herausarbeitung der Motive der Akteure und ihrer Entscheidungsspielräume. Für die Forschung interessant ist das Kapitel über die Nazifizierung der Angestellten und die damit verbundenen inneren Auseinandersetzungen. Für Historiker ist das Werk eine Fundgrube; breitere Leserkreise wird es wegen seines Umfangs leider wohl kaum erreichen.
Der erschreckendste Befund ist, daß die Ursache für die Zusammenarbeit mit dem Regime nicht allein die frühe Besetzung einiger Vorstandsposten durch Nationalsozialisten war, sondern mehr noch die vom ganzen Vorstand und vom Aufsichtsrat zu verantwortende Geschäftspolitik. Der Historiker Johannes Bähr schreibt: "Die Dresdner Bank hätte in den meisten Fällen anders handeln können, aber dazu war sie aus geschäftlichem Kalkül nicht bereit . . . So hat sie sich aufgrund eigener unternehmerischer Entscheidungen an Arisierungsgeschäften bereichert und an der wirtschaftlichen Ausplünderung eroberter Nachbarländer beteiligt . . . Moralische Skrupel lagen dem Vorstand gänzlich fern, und zwar unabhängig von der Gruppierung, der die Bankiers in der Geschäftsleitung angehörten . . . Das Unternehmen als Ganzes verfolgte seine geschäftliche Logik mit einem hohen Maß an moralischer Indifferenz."
Dieses Verdikt trifft auch den legendären Carl Goetz, der von 1957 bis l965 noch einmal Aufsichtsratsvorsitzender der Bank war. Er war kein Nationalsozialist, wollte die unternehmerische Autonomie der Bank wahren und wurde 1944 wegen seiner Kontakte zum Widerstand sogar vorübergehend inhaftiert. Doch er hat als Vorstandsvorsitzender von 1933 bis 1942 und danach als Aufsichtsratsvorsitzender alle Geschäfte mit dem Regime mitgetragen. Dazu gehörten natürlich auch die Geschäfte der beiden "SS-Bankiers", des radikalen Nationalsozialisten Emil Meyer, der 1945 Selbstmord beging, und des in Nürnberg verurteilten "Karriere-Nazis" Karl Rasche. Dazu gehörten nicht zuletzt Geschäfte mit SS-Häftlingsunternehmen und mit Baufirmen wie Huta, die in Auschwitz bauten. Schon bald nach der planmäßigen Ermordung der Juden 1942 habe man in der Bank gewußt, und zwar bis hin zu Kreditsachbearbeitern, daß man Geschäfte mit Massenmördern machte, schreibt Bähr.
Bedrückend ist, daß sich diese Entwicklung in einer Bank vollzog, die ausgeprägt jüdische Wurzeln hat. Ihre Gründung 1872 geht auf die Finanzdynastie Kaskel zurück, die als die sächsischen Rothschilds galten. Auch Eugen Gutmann, der führende Kopf der Bank bis 1920, war Jude. In der Bankenkrise von 1931 wurde die Bank als Sanierungsfall vom Reich übernommen. Das ermöglichte dem Staat 1935, politisch opportune Vorstände wie Meyer und Rasche zu installieren. Es war der Beginn des moralischen Niedergangs.
JÜRGEN JESKE.
Klaus-Dietmar Henke (Herausgeber): Die Dresdner Bank im Dritten Reich. R. Oldenbourg Verlag, München 2006, vier Bände, 2376 Seiten, 79,80 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Dresdner Bank arbeitet endlich ihre Vergangenheit auf
Mit diesem Monumentalwerk stellt sich die Dresdner Bank den bitteren und bedrückenden Wahrheiten ihres Verhaltens in der Zeit des Nationalsozialismus. Es ist die wohl umfassendste unternehmenshistorische Untersuchung dieser Art, an der zehn Historiker unter Leitung von Klaus-Dietmar Henke, dem Ordinarius für Zeitgeschichte an der TU Dresden und früheren Leiter des Hannah-Arendt-Instituts, sowie ein hochkarätiger internationaler Fachbeirat beteiligt waren. 1,6 Millionen Euro hat sich die Bank das Vorhaben kosten lassen und damit, wie Henke richtig schreibt, in respektabler Weise den Weg auf die Höhe der in Deutschland mittlerweile erreichten Erinnerungskultur gefunden.
Die Bank hatte sich lange und hartnäckig der Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte verweigert, obwohl sie die umfassendsten Aktenbestände der Großbanken besitzt. So wurde noch 1992 im Jubiläumsband zum 120jährigen Bestehen das Verhalten der Bank in der Nazizeit beschönigend und geschichtsklitternd gewertet. Erst als in den neunziger Jahren in den Vereinigten Staaten Ermittlungen gegen Schweizer und deutsche Banken wegen ihrer Zusammenarbeit mit dem NS-Regime einsetzten, denen dann Sammelklagen von Holocaust-Opfern folgten, gab die Bank 1997 die vorliegende Untersuchung in Auftrag. Sie gründete auch eine historische Kommission und richtete ein historisches Archiv ein. Die politisch sensiblere Deutsche Bank hatte bereits 1989 renommierte Historiker mit Untersuchungen beauftragt. Die Zurückhaltung der Dresdner Bank mag an der allgemein verbreiteten Einstellung gelegen haben, die Vergangenheit endlich ruhenzulassen. Wahrscheinlicher ist, daß man im Drang der Geschäfte die gesellschaftspolitische Brisanz der Holocaust-Debatte nicht erkannte.
Dabei war in Grundzügen schon seit Kriegsende bekannt, daß die Dresdner Bank von den Großbanken die größte Nähe zum NS-Regime besaß und sich bei den Arisierungen, bei der Ausplünderung der Juden und bei der Expansion in die von Hitler eroberten Gebiete in Europa am aggressivsten verhalten hatte. Sie war der bedeutendste Geldgeber der SS und ihrer Wirtschaftsbetriebe gewesen. Ihr damaliges Vorstandsmitglied Karl Rasche, SS-Ehrenoffizier im Rang eines Obersturmbannführers, wurde als einziger Banker 1946 vom Nürnberger Militärgericht zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Die Untersuchung zeigt diese dunkle Seite der Bank noch einmal in allen Einzelheiten. Besonders eindrucksvoll ist die Herausarbeitung der Motive der Akteure und ihrer Entscheidungsspielräume. Für die Forschung interessant ist das Kapitel über die Nazifizierung der Angestellten und die damit verbundenen inneren Auseinandersetzungen. Für Historiker ist das Werk eine Fundgrube; breitere Leserkreise wird es wegen seines Umfangs leider wohl kaum erreichen.
Der erschreckendste Befund ist, daß die Ursache für die Zusammenarbeit mit dem Regime nicht allein die frühe Besetzung einiger Vorstandsposten durch Nationalsozialisten war, sondern mehr noch die vom ganzen Vorstand und vom Aufsichtsrat zu verantwortende Geschäftspolitik. Der Historiker Johannes Bähr schreibt: "Die Dresdner Bank hätte in den meisten Fällen anders handeln können, aber dazu war sie aus geschäftlichem Kalkül nicht bereit . . . So hat sie sich aufgrund eigener unternehmerischer Entscheidungen an Arisierungsgeschäften bereichert und an der wirtschaftlichen Ausplünderung eroberter Nachbarländer beteiligt . . . Moralische Skrupel lagen dem Vorstand gänzlich fern, und zwar unabhängig von der Gruppierung, der die Bankiers in der Geschäftsleitung angehörten . . . Das Unternehmen als Ganzes verfolgte seine geschäftliche Logik mit einem hohen Maß an moralischer Indifferenz."
Dieses Verdikt trifft auch den legendären Carl Goetz, der von 1957 bis l965 noch einmal Aufsichtsratsvorsitzender der Bank war. Er war kein Nationalsozialist, wollte die unternehmerische Autonomie der Bank wahren und wurde 1944 wegen seiner Kontakte zum Widerstand sogar vorübergehend inhaftiert. Doch er hat als Vorstandsvorsitzender von 1933 bis 1942 und danach als Aufsichtsratsvorsitzender alle Geschäfte mit dem Regime mitgetragen. Dazu gehörten natürlich auch die Geschäfte der beiden "SS-Bankiers", des radikalen Nationalsozialisten Emil Meyer, der 1945 Selbstmord beging, und des in Nürnberg verurteilten "Karriere-Nazis" Karl Rasche. Dazu gehörten nicht zuletzt Geschäfte mit SS-Häftlingsunternehmen und mit Baufirmen wie Huta, die in Auschwitz bauten. Schon bald nach der planmäßigen Ermordung der Juden 1942 habe man in der Bank gewußt, und zwar bis hin zu Kreditsachbearbeitern, daß man Geschäfte mit Massenmördern machte, schreibt Bähr.
Bedrückend ist, daß sich diese Entwicklung in einer Bank vollzog, die ausgeprägt jüdische Wurzeln hat. Ihre Gründung 1872 geht auf die Finanzdynastie Kaskel zurück, die als die sächsischen Rothschilds galten. Auch Eugen Gutmann, der führende Kopf der Bank bis 1920, war Jude. In der Bankenkrise von 1931 wurde die Bank als Sanierungsfall vom Reich übernommen. Das ermöglichte dem Staat 1935, politisch opportune Vorstände wie Meyer und Rasche zu installieren. Es war der Beginn des moralischen Niedergangs.
JÜRGEN JESKE.
Klaus-Dietmar Henke (Herausgeber): Die Dresdner Bank im Dritten Reich. R. Oldenbourg Verlag, München 2006, vier Bände, 2376 Seiten, 79,80 Euro.
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