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Die 'Dresdner Kunstausübung' beschreibt die Mühen der Orientierung zwischen Ostvergangenheit und Westgegenwart, zwischen 'Ostbarbar' und 'Stoßstangentier'. Allen Bedrohungen und Verlustmeldungen wollen diese Gedichte widerstehen: Durch das Beschreiben und Beobachten des Vorhandenen.

Produktbeschreibung
Die 'Dresdner Kunstausübung' beschreibt die Mühen der Orientierung zwischen Ostvergangenheit und Westgegenwart, zwischen 'Ostbarbar' und 'Stoßstangentier'. Allen Bedrohungen und Verlustmeldungen wollen diese Gedichte widerstehen: Durch das Beschreiben und Beobachten des Vorhandenen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.01.1997

Das sauerländische Exil
Ganz bei sich: Thomas Rosenlöcher bleibt in Kleinzschachwitz

Kleinzschachwitz - aber wo liegt es? Ohne Kleinzschachwitz ist Thomas Rosenlöcher (Jahrgang 1947) undenkbar. Es ist sein Dublin. Es hat ihn und er hat es berühmt gemacht: "Ich lag im Garten von Kleinzschachwitz" - so hieß sein erster Gedichtband (1982), der mit seinen phantasiereichen, selbstironischen, widerständigen und naiven Versen Leser in Ost und West entzückte. Kleinzschachwitz war ihm der begrenzte Ausgangspunkt einer unbegrenzten poetischen Welterfahrung. Von dort aus machte sich Rosenlöcher nach dem Wende-Ende der DDR zu seiner Fußreise in den Harz auf, deren Protokoll ("Die verkauften Pflastersteine", 1990) zu den schönsten, witzigsten und melancholischsten poetischen Zeugnissen der Wendezeit gehört.

Seither ist er, wie man den neuen Gedichten entnehmen kann, ein wenig herumgekommen. Auf der Frankfurter Buchmesse hat er zwar geschlafen, aber doch gerade noch mitgekriegt, wie zwei Großkritiker eine belletristische Neuerscheinung duchkauten: "Ratzbatz, sagte der eine. Ritschratsch der andre." In Dijon hat er einen Kaffee getrunken. In Amsterdam hat er sich die Huren, in Brüssel die Gemälde Breughels und am Mittelmeer die "nackten Beinlein und Brüstlein" der Badenden angeschaut. Aber selbst dort sah für ihn "der Baum, kaum fuhrn wir hupend vor, wie jeder andre aus" - kein Wunder also, daß ihm Alt-Heidelberg und ganz Bayern grad zwei Zeilen wert sind und daß er sich im Sauerland gar "im Exil" wähnt. Fragt man den reisenden Lyriker aber (wer sonst als er sollte das wissen?), wo denn die deutsche Seele zu finden sei, dann antwortet er unbeirrt: "Am ehesten in Kleinzschachwitz. / Am ehesten in mir."

So kommt er, immer wieder, zu sich selbst zurück. Seine Gedichte sind Selbstvergewisserungen, eingepackt in Geschichten, genauer: in Geschichtchen. Denn die Verkleinerung der großen Geschichte in scheinbar kleine Befindlichkeitserzählungen ist sein Metier. Wo immer Diminutiva begegnen (die Kirchlein, die Hödlein, die Giftwägelchen), da wird es ihm ganz ernst, da geht es, auf sächsische, auf Dresdener, auf Kleinzschachwitzer Art ums Ganze. Da erzählt er von der sexneugierigen Kindheit, von der Flaschenpost, die elbabwärts nach Hamburg trudelt, von den Gold-, Alkohol- und Bananenträumen der Wendezeit, von den eintreffenden Bodenspekulanten und nicht zuletzt von der unveränderten Fortsetzung der althergebrachten "Dresdner Kunstausübung" (einem Konzert im Freien), die ihn selbst altern läßt und schließlich zum Verschwinden bringt: Ein Fremder, unkenntlich unter seinesgleichen - das ist sein Heimatgefühl. WULF SEGEBRECHT

Thomas Rosenlöcher: "Die Dresdner Kunstausübung". Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1996. 96 S., geb., 30,- DM.

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