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Starwirtschaftsanwalt Urs Blank, fünfundvierzig, Fachmann für Fusionsverhandlungen, hat seine Gefühle im Griff. Doch dann gerät sein Leben aus den Fugen. Ein Trip mit halluzinogenen Pilzen führt zu einer gefährlichen Persönlichkeitsveränderung, aus der ihn niemand zurückzuholen vermag. Blank flieht in den Wald. Bis er endlich begreift: Es gibt nur einen Weg, um sich aus diesem Alptraum zu befreien.

Produktbeschreibung
Starwirtschaftsanwalt Urs Blank, fünfundvierzig, Fachmann für Fusionsverhandlungen, hat seine Gefühle im Griff. Doch dann gerät sein Leben aus den Fugen. Ein Trip mit halluzinogenen Pilzen führt zu einer gefährlichen Persönlichkeitsveränderung, aus der ihn niemand zurückzuholen vermag. Blank flieht in den Wald. Bis er endlich begreift: Es gibt nur einen Weg, um sich aus diesem Alptraum zu befreien.
Autorenporträt
Martin Suter, geboren 1948 in Zürich, lebt mit seiner Frau in Spanien und Guatemala. Er war Werbetexter und erfolgreicher Werber, ein Beruf, den er immer wieder durch andere Schreibtätigkeiten ergänzt oder unterbrochen hat. Unter anderem "GEO"-Reportagen, zahlreiche Drehbücher für Film und Fernsehen. Seit 1991 lebt er als freier Autor, seit 1992 schreibt er die wöchentliche Kolumne "Business Class" in der "Weltwoche".

Martin Suter ist am 29. März 2004 in Zürich mit der Goldenen Diogenes Eule ausgezeichnet worden.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.09.2006

Band 36
Ein Schlafwandler im Mörderwald
Martin Suters „Die dunkle Seite des Mondes”
In vielen Kriminalromanen resultiert die schöne Erleichterung, die den Leser am Ende erfasst, aus der Lust an der exakten Arbeit der Aufklärungsmaschinerie, die das Raffinement des Täters im Moment seiner Überführung entscheidend überbietet und das getarnte Geflecht seiner Motive unwiderleglich enttarnt. Man träumt eher gut, wenn man ein solches Buch aus der Hand gelegt hat und die Nachttischlampe löscht. Denn nichts liegt dem Ineinandergreifen der Rädchen von raffinierter Tat und subtiler Aufklärung ferner als die grobe, elementare Logik des Albtraums.
Der Schweizer Schriftsteller Martin Suter, 1948 in Zürich geboren, hat in seinem zweiten Roman „Die dunkle Seite des Mondes”, der zuerst im Jahre 2000 erschienen ist, einen Mörder erfunden, dem das Töten leicht von der Hand geht und dem die Opfer kaum Widerstand entgegensetzen. Er ist, man muss das so deutlich sagen, ein Serienkiller, aber er folgt keinem Plan. Er begeht seine Untaten wie ein Schlafwandler, der manchmal hochschreckt, weil ihn ein ungutes Gefühl jäh durchzuckt, aber nie die Grenze zum Erwachen durchstößt. Er ahnt, dass es irgendein Gesetz gibt, dem die Serie seiner Taten folgt, ja, er will dieses Gesetz herausfinden, aber statt sich selbst auf die Spur zu kommen, kommt er sich selbst abhanden.
Dabei ist Urs Blank eigentlich ein hellwacher Typ: brillanter Wirtschaftsanwalt im Finanzzentrum der Schweiz, gerade 45 geworden, durch seine amerikanische Zulassung prädestiniert für die Abwicklung großflächiger, internationaler Fusionen und Firmenübernahmen. Eben gerade hat er konspirativen Übernahmeverhandlungen den entscheidenden Kick durch eine raffinierte Klausel gegeben, die ihren Unterzeichner mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit ruinieren wird. Kühl liegt sein mondänes Leben vor ihm wie die Terrasse eines Bungalows, in dem David Hockney-Bilder an der Wand hängen. Eigentlich könnte er sich mit seiner eleganten Freundin, die ein Antiquitätengeschäft auf der Höhe der Zeit führt – sie verkauft das Design der klassischen Moderne –, entspannt zurücklehnen. Aber er ist nicht entspannt.
Woher diese Spannung im Leben des Urs Blank? Souverän verzichtet Martin Suter auf eine klare Antwort. Stattdessen macht er etwas Überraschendes: Er erzählt zwar den Wirtschaftskrimi mit seinen Tricks und getürkten Bilanzen, den der Leser erwartet. Aber die Kanzleiwelt ist nur der Luftballon, an dem sich Urs Blank festhält, während er aus seinem Leben stürzt. Der Sog, der ihn hinabzieht, kommt nicht aus der juristisch-ökonomischem Intrige, sondern – aus dem Wald. Ihn betritt Urs Blank zu Beginn noch in eleganten Schuhen. Dann aber lernt er eine nach Sandelholz-Räucherstäbchen duftende Flohmarktschönheit und durch sie die Pilze des Waldes kennen. Dazu läuft die Titelmelodie des Romans, dessen Held er ist: „The Dark Side of the Moon” von Pink Floyd. Irgendeine Faser der halluzinogenen Pilze verbündet sich mit irgendeiner innersten Lebensfaser des Urs Blank. Und zugleich erwacht in einem seiner Geschäftspartner der Jagdinstinkt. Gewiss, am Ende bleibt auch hier die Zivilisation siegreich. Aber nicht daraus resultiert in diesem albtraumhaften Roman die Spannung. Sondern aus der luziden Konsequenz, mit der er das Personal eines Gesellschaftskrimis den Gesetzen des Naturzustands aussetzt.
LOTHAR MÜLLER
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.04.2000

Pilze für den Wirtschaftsanwalt
Martin Suter erkundet die dunkle Seite des Mondes

Die Cambridger Elektronikingenieure Pink Floyd versuchten in dem bombastischen Konzeptalbum "Dark Side of the Moon" (1973) die musikalische Zusammenführung der reduplizierten Stimmen der Natur und des Kosmos mit den Klängen und Klagen des technischen Zeitalters. In der perfekten Kontrolle der technischen Mittel wurde ein merkwürdiges Liebäugeln mit einem archaischen Anderen als Wahnsinn ins Werk gesetzt. So heißt es in dem Stück "Brain Damage": "Und wenn dein Kopf vor dunklen Ahnungen explodiert, dann treffen wir uns auf der dunklen Seite des Mondes." Im Internet kursiert der Titel des Albums als Chiffre mehr oder weniger düsterer Theorien der "Synchronizität", nach denen alles mit allem zusammenhängt. Die Musik aber erfreut sich weltweiter Beliebtheit als Stimulans beim Konsum bewusstseinserweiternder Drogen.

In Martin Suters Roman spielt die Platte formal wie inhaltlich eine Schlüsselrolle. Der Zürcher Wirtschaftsanwalt Dr. Urs Blank ist Spezialist für Megafusionen und hat bisher mit Pink Floyd und Drogen nichts zu tun gehabt. Seine dunklen Seiten bestehen in einer schwarzen Limousine der Marke Jaguar und Maßanzügen aus der Savile Row. Er erfreut sich bester geistiger Gesundheit und zur Bewusstseinserweiterung reicht ihm ein alter Bordeaux. Er hat sich jederzeit unter Kontrolle und weiß mit den Widersprüchen der modernen Welt umzugehen. Eine erste Ehe und Midlifecrisis hat er "mit Anstand" hinter sich gebracht, nun ist mit Evelyne Vogt, der Besitzerin eines Design-Geschäfts, ein schönes, komfortables Leben arrangiert, in dem nichts zu fehlen scheint. Jedoch, so meint jedenfalls Evelynes Beraterin, die Gesellschaftsdame Ruth Zopp: "Bedeutende Männer haben mehr als eine Midlifecrisis."

Der Auslöser einer seltsamen Veränderung des Mannes ist aber nicht wie üblich das Erscheinen einer Frau, sondern ein lang entbehrter Waldspaziergang, auf dem sich die ersten dunklen Ahnungen einstellen. Derart an das vergessene Natürliche erinnert, öffnen sich dem vollendet zivilisierten Menschen die Sinne für andere, für archaische Erfahrungen. In einer an Proust gemahnenden Episode fördert der Geruch von Räucherkerzen mit Sandelholz-Aroma diffuse Erinnerungen zutage und öffnet ihm die Augen für die die Schönheit der Verkäuferin dieser Waren, des Hippie-Mädchens Lucille Roth. Mehrfach vitalisiert, wird Blank nun von Abenteuerlust ergriffen, die sich aber zunächst lediglich zwischen "Flohmarktstand und multinationalen Konzernen" erproben will.

Der Liebelei mit dem einfach denkenden und wahrhaftigen Hippie-Mädchen wird die Auseinandersetzung mit seinen beiden Gegenspielern kontrastiert, dem undurchschaubaren Jäger, Eigenbrötler und internationalen Spekulanten Pius Ott, der in Blank einen Gleichgesinnten vermutet, und dem autokratischen Wirtschaftsmagnaten Anton Huwyler, der den größten Versicherungskonzern der Welt plant. Bald jedoch bemerken Blanks Geschäftspartner und Freunde an ihm sonderbare Veränderungen. Der umgängliche Mensch wird plötzlich grob und scheint jeder Laune nachzugeben. Trotz zunehmender Einsicht in deren Korruptheit hat er nicht vor, seine Welt des Geldes und des schönen Lebens zu verlassen. Lucille jedoch nötigt ihm Gleichberechtigung ab und entführt ihn in die Sphäre zivilisationskritischer Drogenrituale. Zu Pink Floyds Musik kommt er in den Genuss seltener halluzinogener Pilze, was nun eine so stringent erzählte wie inhaltlich vertrackte Entwicklung auslöst, die Suter mit filmischer Technik virtuos in Szene setzt. Von nun an wird Blank zielstrebig und doch mit Spannung erzeugenden Umwegen seiner Bestimmung zugeführt: dem Wald als Gegenwelt.

In mannigfaltigen Anknüpfungen an das Pink-Floyd-Werk entfaltet Suter die Geschichte im Wechsel zwischen Innen- und Außensicht als Exempel einer Dialektik der Aufklärung. Zwischen der Welt des technischen Fortschritts, der Naturbeherrschung und des Geldes, der Sphäre des menschenfernen Waldes und des archaischen Kampfs ums Dasein und dem Reich der Träume und Wahnvorstellungen stellen sich so Korrespondenzen her. Im Mittelpunkt von Suters subtilem Verweisungsspiel befindet sich ein Jagdmesser mit der Aufschrift "Never hesitate", das Pius Ott Urs Blank schenkt, wie überhaupt die Requisiten mit Symbolik geladen werden. "Alles hängt irgendwie zusammen", sagt Lucille, und so wächst sich die Geschichte zentriert von der Bildlichkeit des Kampfes um einen Wald von Symbolen aus, je mehr Blank sich in die Geheimnisse der Natur und seines Bewusstseins vertieft. Wie seit Tieck oder E.T.A. Hoffmann erscheint dabei der Wald als Projektionsraum des von Aufklärung Verdrängten, in dem sich alles spiegelt, was der Wirklichkeit der Geldwirtschaft als Antrieb unbewusst geworden ist.

Die Geschichte erreicht ihre dramatische Phase, wenn dem Helden im Rausch das Erlebnis eines reinen Idealismus widerfährt: "Alles, was er bisher getan, gedacht, gelernt und gefühlt hatte, beruhte auf einem einzigen, gewaltigen Irrtum. Gut, bös, falsch, richtig, schön, hässlich, ich, du, mein, dein: alles Werte einer Skala, die die große, letzte Wahrheit außer acht ließ: Es gibt keine Vergleichsgrößen. Weil es nichts gibt. Es existiert nur eine einzige Wirklichkeit: Urs Blank." Aus der Perspektive der Menschenwelt, in den Augen seines Freundes, des Psychotherapeuten Alfred Wenger, aber erscheint diese Bewusstseinsverfassung als Schrecken erregende und zugleich lächerliche Geistesverwirrung, als vollendete Inhumanität, die der Heilung bedarf. Die Anstrengung einer höchst ambivalenten Rettung des Allgemeinmenschlichen bewegt fortan die dramaturgisch meisterhaft gestaltete Handlung, deren Fort- und Ausgang nicht verraten werden darf. Nur so viel, dass sie sich zum Kriminalfall entwickelt, der Aufklärung im doppelten Sinne erfordert. Diese ist einer Figur von Dürrenmatt'scher Bonhomie aufgegeben, dem Landpolizisten Rolf Blaser.

Suters Roman ist ein philosophisch gegründetes Gedankenspiel um die Wirklichkeit des Unwirklichen und die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen und auch darüber, wie wenig es bedarf, um die menschlichen Konstruktionen und Vereinbarungen zusammenbrechen zu lassen. Vor allem aber ist er eine gründlich recherchierte, präzise, elegant und humorvoll geschriebene Geschichte, realistisch und phantastisch zugleich. Der Leser, der sich einmal auf "Die dunkle Seite des Mondes" hat ziehen lassen, wird das Buch bis zum ebenso überraschenden wie stimmigen Finale nicht mehr aus der Hand legen wollen. Die geistige Gesundheit ist dabei nicht gefährdet. Vielmehr bietet Martin Suter mit raffiniert adaptierten klassischen Mitteln ein Optimum an Belehrung, Spannung und Vergnügen.

FRIEDMAR APEL

Martin Suter: "Die dunkle Seite des Mondes". Roman. Diogenes Verlag, Zürich 2000. 315 S., geb., 39,90 DM.

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»Martin Suter gilt als Meister einer eleganten Feder, die so fein geschliffen ist, dass man die Stiche oft erst hinterher spürt.« Monika Willer / Westfalenpost Westfalenpost