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Diese rechtsökonomische Analyse befasst sich mit der Entwicklung des Zisterzienserordens im Hochmittelalter vor dem Hintergrund ihrer Ordensregeln. Die Zisterzienser versuchen, den Benediktinerorden zu reformieren. Sie wollen ein asketisches Leben führen und sich insbesondere von ihrer Hände Arbeit ernähren. Sie weigern sich, Pfründe, Fronarbeit und Abgaben wie z. B. den sogenannten Kirchenzehnt in Anspruch zu nehmen. Um ihre Klöster halten und entwickeln zu können, müssen sie Überschüsse erwirtschaften und vermarkten. Es gelingt ihnen, ihre landwirtschaftliche Produktion effizient zu…mehr

Produktbeschreibung
Diese rechtsökonomische Analyse befasst sich mit der Entwicklung des Zisterzienserordens im Hochmittelalter vor dem Hintergrund ihrer Ordensregeln. Die Zisterzienser versuchen, den Benediktinerorden zu reformieren. Sie wollen ein asketisches Leben führen und sich insbesondere von ihrer Hände Arbeit ernähren. Sie weigern sich, Pfründe, Fronarbeit und Abgaben wie z. B. den sogenannten Kirchenzehnt in Anspruch zu nehmen. Um ihre Klöster halten und entwickeln zu können, müssen sie Überschüsse erwirtschaften und vermarkten. Es gelingt ihnen, ihre landwirtschaftliche Produktion effizient zu organisieren und immer größere Überschüsse zu erzielen. Um sie zu vermarkten, entwickeln sie ihre eigenen Stadthöfe - klostereigene Handelsstationen - und bauen erfolgreich ihre eigenen Absatzwege in die Städte auf. Ihnen kommen sowohl Befreiungen von Zöllen und Abgaben zugute als auch Wettbewerbsvorteile, die aus der vertikalen Integration von Produktion und Absatz resultieren. Hinzu kommt die Reputation des Ordens, die ihnen die Verkaufsgeschäfte erleichtert. Die Zisterzienser verhalten sich ökonomisch expansiv. Die Ordensregeln enthalten Anreize für ein derartiges, expansives Verhalten. Die Vorschrift, wonach sie sich von ihrer Hände Arbeit ernähren sollen, verändert sich zu einer Effizienznorm, die in Konflikt mit der Vorschrift gerät, arm und asketisch zu leben. Hierunter leidet die Glaubwürdigkeit des Ordens: Die Zisterzienser werden als geldgierig kritisiert. Der Aufstieg der Zisterzienser im Hochmittelalter zeigt, dass neue ethische und moralische Grundsätze - die Eigenarbeit - eine bedeutende Rolle bei der Durchsetzung neuer ökonomischer Prinzipien spielen können.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.04.2006

Der Konzern der weißen Mönche

Die Zisterzienser haben Arbeit und Tagesrhythmus straff organisiert: Sie sind die Vorboten des Kapitalismus

VON GERALD BRAUNBERGER

Ein Mönch, der sich zu einem Leben in Armut und Bescheidenheit verpflichtet hat, sollte besser nicht nach Reichtum streben. Ansonsten droht ihm die Strafe des Herrn. So bemerkte der Zisterziensermönch Caesarius von Heisterbach zum Tod von Ordensbrüdern, die unter die Räuber gefallen waren, mitleidslos: "Recht ist ihnen geschehen. Sie sind habgierig, sie sind Kaufleute. Gott kann ihre Habsucht nicht dulden."

Wenig Erfreuliches weiß auch der Historiker Georges Duby über die Zisterzienser zu berichten: "Geldmittel waren in solchem Überfluß vorhanden, daß die Zisterziensermönche schließlich das Mißtrauen der Weltlichen auf sich zogen. Diese bekamen die Mönche nämlich nur dann zu Gesicht, wenn sie aus ihrer Einsamkeit herauskamen, um Böden zu kaufen, die sie selbst schon lange begehrten, oder um Geldgespräche auf den Märkten zu führen."

Die Metamorphose eines ursprünglich im Geiste des einfachen, abgeschiedenen Lebens gegründeten Ordens in ein kraftstrotzendes mönchisches Wirtschaftsimperium, das jedoch in sich den Keim seines eigenen Untergangs trug, ist Thema eines schmalen, aber spannenden Bands, den der Kasseler Rechtsprofessor Bernhard Nagel vorgelegt hat.

Als sich die Zisterzienser im frühen 12. Jahrhundert als eine Abspaltung des Benediktinerordens etablierten, suchten sie Distanz von den Verlockungen des weltlichen, nach Geld und Genüssen strebenden Lebens. Mit ihrer eigenen Hände Arbeit wollten sie ihr Dasein in strenger Zucht und Ordnung fern der Städte verbringen.

Eine Zisterzienserabtei barg drei Arten von Bewohnern: die von Gebet und Chordienst stark in Anspruch genommenen, genügsam lebenden Mönche, die den Mönchen gleichgestellten Laienbrüder, die mehr Zeit für Arbeiten auf den Feldern und Gärten besaßen, sowie Lohnarbeiter, die am spirituellen Leben kaum teilnahmen.

Diese Arbeitsteilung erwies sich im Verein mit dem streng geregelten Leben aus wirtschaftlicher Sicht als sehr effizient. Mehrere Autoren haben Parallelen zwischen dem Leben in einer Zisterzienserabtei und der Arbeit in einer modernen Industriefabrik gezogen. So schrieb der Historiker Jean Gimpel: "Die Regel des Ordens verlangte eine strenge Disziplin, der Tagesablauf war genau vorgeschrieben, und ein Abweichen von der Regel wurde bestraft. All dies erinnert in einem gewissen Sinne an die Arbeitsvorschriften, die Henry Ford für seine Fließbandarbeiter erließ."

Doch das Ideal eines weltabgewandten Lebens war nicht realistisch. Die Zisterzienser mußten benötigte Güter, die sie nicht selbst herstellten, kaufen oder tauschen. Im Gegenzug brauchten sie Abnehmer für ihre Überschußgüter. Insgesamt wiesen die Zisterzienserkloster in ihren Glanzzeiten gegenüber der Außenwelt wohl einen, modern ausgedrückt, Handelsbilanzüberschuß aus. Sie selbst lebten lange Zeit genügsam, wußten aber ihre Produktion zu steigern.

Die Zisterzienser legten Kräuter-, Gemüse- und Obstgärten an, bauten Getreide an und mahlten es, sie forsteten verödetes Ackerland auf, hegten den Wald, züchteten Pferde, Rinder, Schweine und Schafe und nutzten das Wasser für Fischteiche. "Sie wurden auch zu Pionieren des Bergbaus und der Verhüttung", schreibt Nagel. "Die Zisterzienser waren führend bei der Gewinnung und beim Sud von Salz." Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Orden erlangten sie durch ihre methodische Organisation des Klosterlebens und die Verwendung fortschrittlicher Technologien. Außerdem funktionierte damals, was neudeutsch Corporate Governance heißt: Die Tätigkeit eines Klosters unterlag der Aufsicht durch übergeordnete Klöster.

Die sich entfaltende wirtschaftliche Dynamik beförderte jedoch eine allmähliche Abkehr von den Prinzipien der Zisterzienser. So kauften und verpachteten sie Land, sie verliehen Geld und verwahrten Güter und Geld für Dritte.

Dennoch wehrten sich die Mönche dagegen, als Kaufleute angesehen zu werden, die in einem schlechten Ruf standen. Die Zisterzienser sollten nicht an den offiziellen Märkten teilnehmen, und wenn sich das nicht verhindern ließe, so doch wenigstens ein tugendhaftes Verhalten an den Tag legen. In Statuten aus dem Jahre 1134 heißt es: "Es gehört sich nämlich nicht, daß er für sich Fische kauft und nach Leckerbissen trachtet, aber auch nicht, daß er Wein trinkt, außer gut mit Wasser vermischt, und mit zwei Gängen sei er zufrieden."

Da die Mönche den offiziellen Messen distanziert gegenüberstanden, gründeten sie Höfe in den Städten, in denen sie ihre Waren anboten. Diese Stadthöfe wurden zu Zentren des Handels und banden die Zisterzeinser weitaus stärker in die mittelalterliche Wirtschaft ein, als von diesen vorhergesehen.

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung begann der Abstieg. Die Zisterzienser waren lange als Geschäftspartner geschätzt, weil sie als seriös, erdverbunden und bescheiden galten. Ökonomische Prosperität verbindet sich jedoch schlecht mit einer strengen, asketischen und weltabgewandten Lebensweise. "Die Geschichte der Zisterzienser ist in weiten Teilen die Geschichte eines Normkonflikts", schreibt Nagel.

Der wirtschaftliche Erfolg ging mit einer Lockerung der Ordensdisziplin einher, die asketischen Grundsätze galten bald nicht mehr viel. Die Mönche gerieten in den Ruf der Habgier. Eine schwere Wirtschaftskrise im späten Mittelalter sowie mangelnde Erfolge in der Bekämpfung der Ketzer trugen zum Niedergang des Ordens bei.

Waren die Zisterzienser Vorboten des Kapitalismus? Die Antwort lautet ja, aber mit Einschränkung. In ihrer straffen Arbeitsorganisation, ihrem Effizienzdenken und in den Anfängen einer Kapitalbildung lassen sich Parallelen zwischen den "asketischen Virtuosen" (Max Weber) und einem kapitalistischen Unternehmen erkennen. Andererseits verstanden sich die meist einsam lebenden "weißen Mönche" primär als Kämpfer zur Verwirklichung ihrer Glaubensgrundsätze, ihre wirtschaftliche Tätigkeit war nur Teil dieses Kampfes. Nagel nennt die Zisterzienser "kasernierte Vorboten" des Kapitalismus in der Anstalt eines Klosters, und das ist ein ebenso schönes wie zutreffendes Bild.

Bernhard Nagel: Die Eigenarbeit der Zisterzienser. Von der religiösen Askese zur wirtschaftlichen Effizienz. Marburg 2006 (Metropolis). 14,80 Euro

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