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Anläßlich der 60. Wiederkehr des Attentats auf Hitler erscheinen erstmals - nach kompetenter Einführung in historische Zeitumstände und den Attentäterkreis - Interviews mit und Porträts von Enkeln der vielfach vom "Volksgerichtshof" hingerichteten Widerständler. Einordnung und Rezeption des Widerstands nach 1945 im geteilten Deutschland sind ebenso aufschlußreich wie die Sozialisierungs- und Anpassungsprozesse der Kinder und Enkel in der Adenauer- bzw. Ulbricht-Zeit. Viele der Enkel arbeiten heute in journalistischen und medizinischen Berufen oder sind in der Rechtspraxis tätig. Das Bedürfnis,…mehr

Produktbeschreibung
Anläßlich der 60. Wiederkehr des Attentats auf Hitler erscheinen erstmals - nach kompetenter Einführung in historische Zeitumstände und den Attentäterkreis - Interviews mit und Porträts von Enkeln der vielfach vom "Volksgerichtshof" hingerichteten Widerständler. Einordnung und Rezeption des Widerstands nach 1945 im geteilten Deutschland sind ebenso aufschlußreich wie die Sozialisierungs- und Anpassungsprozesse der Kinder und Enkel in der Adenauer- bzw. Ulbricht-Zeit. Viele der Enkel arbeiten heute in journalistischen und medizinischen Berufen oder sind in der Rechtspraxis tätig. Das Bedürfnis, sich zu engagieren und an gesellschaftlichen Prozessen teilzunehmen bzw. sie zu beeinflussen, scheint bei den Erben ausgeprägt. Wir lernen Dorothee Röhrig-Dohnanyi (Redakteurin bei Marie-Claire), Andreas Scheffler (Chefredakteur beim Stern), Jens Jessen (Feuilleton-Chef bei Die Zeit) und weitere Persönlichkeiten kennen. Viele der hier zu Wort Kommenden öffnen sich zum ersten Mal einem größeren Publikum. Das ist ein Verdienst der Autorin, die selbst der Enkelgeneration angehört und mit den Sensibilitäten umzugehen weiß, die der historische Befund verlangt.
Das Buch wird bei Erscheinen ausführlich von einer vierteiligen Serie im Spiegel begleitet.
Autorenporträt
Felicitas von Aretin, geboren 1962, Studium der Geschichte, des öffentlichen Rechts und der Kunstgeschichte in Frankfurt a.M., Heidelberg und München. Promotion. Journalistische Tätigkeit beim Tagesspiegel und Die Welt, seit 1997 Leiterin der Pressestelle der Freien Universität Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.07.2005

Hin und her gerissen
Gespräche mit vierzig Enkeln deutscher Hitler-Gegner

Felicitas von Aretin: Die Enkel des 20. Juli 1944. Verlag Faber & Faber, Leipzig 2004. 349 Seiten, 24,- [Euro].

Felicitas von Aretin, Enkelin des Widerstandskämpfers Henning von Tresckow, hat eine beeindruckende Arbeit vorgelegt, die den Umgang mit dem Widerstand vom 20. Juli 1944 durch die Kinder und Enkel analysiert. Zu Beginn beschreibt die Verfasserin die ungeheuren Auswirkungen des Attentats und des Krieges auf die Familie ihrer Mutter: "Mein Großvater schützte einen Tag nach dem Scheitern des Attentats, am 21. Juli 1944, einen Partisanenkampf vor und tötete sich mit einer Granate. Sein Sohn Mark fiel während eines Himmelfahrtskommandos. Der Bruder meines Großvaters schnitt sich nach dem Scheitern des Putsches die Pulsadern auf. Der Schwager und seine Tochter vergifteten sich im April 1945. Seine Schwester wurde von den Russen vergewaltigt, die sie anschließend erschlugen . . . Die Frau meines Großonkels und den jüngsten Sohn Rüdiger erschossen betrunkene sowjetische Soldaten. Wenige Minuten später ging der Besitz meines Urgroßvaters Hermann von Tresckow in Flammen auf. Die Geschichte mehrerer Generationen war ausgelöscht."

Erstaunlicherweise gibt es noch keine Arbeit über die "Kindergeneration" des 20. Juli. Das Buch fußt auf den Gesprächen mit mehr als vierzig Enkeln der Männer und Frauen, die dem deutschen Widerstand zuzurechnen sind. Die ausführlichen - im Atmosphärischen bisweilen vom Thema etwas abschweifenden - Gespräche mit den Enkeln der Widerstandskämpfer und Regimegegner Walter Cramer, Hermann Maaß, Ulrich von Hassell, Eugen Bolz, Julius Leber, Jens Peter Jessen, Karl Ernst Rahtgens, Fritz Lindemann, Hermann Pünder und Cäsar von Hofacker bieten ein facettenreiches und kaum verallgemeinerungsfähiges Bild der Beschäftigung mit dem schwierigen Widerstandserbe.

Verdienstvoll ist, daß diesen Porträts vier wichtige sachliche Kapitel vorangestellt sind. Zunächst werden die Rezeptionsgeschichte und die sich in der Bundesrepublik verändernde Wahrnehmung des Widerstands gegen Hitler behandelt, dessen Protagonisten im Laufe der Jahre von "Landesverrätern" zu "unbequemen Helden" wurden. Ein wichtiger Abschnitt beschreibt anschließend die Genese der Selbsthilfeorganisation der Überlebenden des 20. Juli. Das unmittelbar nach Kriegsende als Selbsthilfeverein gegründete "Hilfswerk" setzte sich zunächst in Wiedergutmachungs- und Rentenfragen für die Rechte der Witwen und Waisen der ermordeten Regimegegner ein. In den sechziger Jahren, nachdem die finanziellen und karitativen Aufgaben weitgehend gelöst waren, kam es auch im "Hilfswerk" zu einem Generationswechsel. 1969 schieden mit Fabian von Schlabrendorff und Eugen Gerstenmaier zwei Widerstandskämpfer aus der aktiven Arbeit aus. Der Wachablösung korrespondierte ein Generationskonflikt, der mit dem Wertewandel und der Aufbruchstimmung von 1968 zusammenhing. "Einer Gruppe von Söhnen und Töchtern der zweiten Generation ging die Demokratisierung . . . nicht weit genug. Als Erben ihrer Väter sahen sie sich verpflichtet, für eine bessere Gesellschaft zu kämpfen, statt - wie es oft in ihren Familien passierte - ihre Väter zu idealisieren und zu heroisieren."

Die aus dieser Einstellung resultierenden endlosen Grundsatzdebatten und nächtelangen Gespräche der Kinder und Enkel boten ein recht genaues Abbild jener Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs. Nachdem sich die weitgehend ergebnislosen Diskussionen über die zukünftige "politische" Rolle des "Hilfswerks" erschöpft hatten und manche ideologische Sackgasse wieder verlassen worden war, erfolgte 1973 mit der Gründung der "Forschungsgemeinschaft 20. Juli" eine Rückbesinnung auf praktische Anforderungen. Die Kinder- und zunehmend auch die heranwachsende Enkelgeneration bemühten sich von nun an erfolgreich darum, der lange Zeit vernachlässigten Widerstandsproblematik in Lehrplänen und Schulbüchern einen angemessenen Platz zu verschaffen. Zugleich wurde die "Forschungsgemeinschaft" Diskussionsforum zwischen den Angehörigen und der wissenschaftlichen Forschung. Ein wichtiges Kapitel beschreibt die teilweise heftigen Auseinandersetzungen um die inhaltliche Gestaltung der Gedenkfeiern zum 20. Juli. Die Enkel der Widerstandskämpfer haben inzwischen eine gewisse Distanz zu den Feierlichkeiten. Sie fürchten eine politische Instrumentalisierung und sind hin und her gerissen zwischen dem Stolz, einer "Widerstandsfamilie" anzugehören, einerseits und einem diffusen Unbehagen am Gedenkzeremoniell andererseits. Letztlich wird immer wieder deutlich, wie schwer es auch noch der Enkelgeneration fällt, sich mit dem Widerstand ihrer Großväter und Großmütter auseinanderzusetzen.

JOACHIM SCHOLTYSECK

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Reichlich Lob für ihre vielschichtige Beschäftigung mit dem 20. Juli 1944 erntet Felicitas von Aretin, Enkelin des am Attentat auf Hitler maßgeblich beteiligten Generalmajors Henning von Tresckow, von Seiten der Rezensentin Agnes Steinbauer. Besonders gefallen hat ihr, dass die Autorin zwar mit einer "sehr persönlichen Einführung" beginne, dann aber den Blickwinkel erweitere um einen historischen und "gut lesbaren" Einblick in die "Geschichte der Widerstandskämpfer und ihrer Familien" und "das Schwiegen über den Widerstand und seine Protagonisten" im Nachkriegsdeutschland zu liefern, um zuletzt zu einer Art Porträtgalerie überzugehen. Dazu, erklärt die Rezensentin, hat die Autorin andere "Enkel des 20. Juli" gesucht, und diese um einen Beitrag zu ihren "Heldengroßvätern" gebeten. Zwar findet die Rezensentin nicht alle Porträts "gelungen" (zumal wenn sich der Enkel zu sehr in den Vordergrund rückt), aber einige, darunter das Porträt des Volkswirts Jens Peter Jessen aus der Feder von Enkel und ZEIT-Feuilletonchef Jens Jessen, haben es der Rezensentin angetan. "Als Ganzes", so Steinbauer lobendes Fazit, bleibt von Aretins Buch auf jeden Fall "empfehlenswert", weil sie es versteht, aus "in mühevoller Kleinarbeit" zusammengetragener Historie "spannenden Lesestoff" zu machen, und weil sie die "umstrittene Nachkriegsdebatte über die 'Verräter' oder 'Helden' des 20. Juli" neu aufrollt.

© Perlentaucher Medien GmbH
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