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Grenzen sind dazu da, daß man sie überschreitet. In diesem Sinne denkt John D. Barrow in seinem Buch über die Grenzen der Wissenschaft nach - mit den Methoden moderner Wissenschaft, und zeigt wie die Entdeckung des Unmöglichen die Irrtümer der Wissenschaft begrenzt.

Produktbeschreibung
Grenzen sind dazu da, daß man sie überschreitet. In diesem Sinne denkt John D. Barrow in seinem Buch über die Grenzen der Wissenschaft nach - mit den Methoden moderner Wissenschaft, und zeigt wie die Entdeckung des Unmöglichen die Irrtümer der Wissenschaft begrenzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.11.1999

Wunder gibt es immer wieder
Ohne das Nichtwissen wäre das Wissen nicht: John D. Barrow probiert die Unmöglichkeiten durch

Zu den weit verbreiteten Formen modernen Aberglaubens gehört die Auffassung, dass nichts unmöglich sei. Tatsächlich haben uns die Naturwissenschaftler in den letzten Jahrzehnten vorgeführt, dass bis dato als unmöglich geltende Dinge ohne weiteres möglich sind. Paradoxerweise ist Naturwissenschaft jedoch nur möglich, weil bestimmte Dinge unmöglich sind.

John D. Barrow sieht die wissenschaftliche Forschung wie den Sinn des Menschen für Kunst als ein Nebenprodukt einer Reihe von Eigenschaften, die sich evolutionär durchgesetzt haben, weil sie für das Überleben in einer weit entfernten Vergangenheit besser geeignet waren. Über den Sinn für Ästhetik hat er in seinem Buch "Der kosmische Schnitt" geschrieben (F.A.Z. vom 26. März 1998), jetzt widmet er sich den Naturwissenschaften. Dabei kehrt er hervor, dass das Universum klarer durch die Dinge beschrieben wird, die unmöglich sind, als durch das, was möglich ist.

Der Glaube an Unmöglichkeiten erfordert die Befreiung vom Glauben an die eigene Allmacht. Der Einfluss von Religionen auf die Einstellung zum Unmöglichen wird sehr unterschiedlich bewertet. Einerseits scheint der Monotheismus, der einen allmächtigen, in das Weltgeschehen eingreifenden Gott propagiert, den Glauben an das Unmögliche zu untergraben, andererseits kann gerade der Monotheismus die Idee allgemein gültiger Naturgesetze begünstigen.

Heute finden wir das Unmögliche in den Werken zahlreicher Künstler, von denen Barrow René Magritte und Maurits Escher hervorhebt, ebenso wie in den beiden großen physikalischen Theorien unseres Jahrhunderts. Die Quantentheorie behauptet die Unmöglichkeit, Ort und Geschwindigkeit eines Teilchens gleichzeitig mit beliebiger Genauigkeit messen zu können, die Relativitätstheorie baut auf der Unmöglichkeit, Informationen schneller als das Licht zu übertragen, auf.

Ganz allgemein können wir nur über den Teil des Universums Informationen erlangen, der innerhalb des von der Lichtgeschwindigkeit festgelegten Horizonts liegt. Wir können nicht feststellen, ob es endlich oder unendlich ist. Vermutlich befinden wir uns in einer expandierenden Blase eines komplexen Universums und können nicht in Erfahrung bringen, was sich jenseits des Horizonts unserer Blase abspielt. Wir werden nie erfahren, ob es andere Blasen wie die unsrige gibt, selbst der Anfang des für uns sichtbaren Teils des Kosmos bleibt uns verborgen.

Die Grenzen der wissenschaftlichen Erkenntnis scheinen, wie Barrow ausführt, durch zwei soziologische Phänomene gesteckt. Zum einen lassen sich neu formulierte Ideen immer schwieriger überprüfen, wie man am Beispiel der Teilchenphysik sieht, die immer größere und teurere Experimente zur Bestätigung ihrer Theorien benötigt und somit an eine finanzielle Obergrenze stößt. Zum anderen beschert uns der wissenschaftliche Fortschritt soviel Komfort, dass wir durch das Wirtschaftswunder dick und fett geworden sind und völlig verweichlicht, weshalb die Motivation zur Innovation nachlässt.

Naturgesetze sind einfach und zahlenmäßig gering, ihre Folgeerscheinungen hingegen sind vielfältig und kompliziert. So hoffen die Physiker eine "Theorie für Alles" zu finden, die alle Vorgänge in der Natur auf eine relativ einfache Formel zurückführen könnte, doch würden die komplexen Folgeerscheinungen der Naturgesetze dadurch nicht weniger kompliziert, die Wettervorhersage bliebe nach wie vor schwierig. Die Weltformel wäre also noch längst nicht das Ende der Wissenschaft.

Der wissenschaftliche Fortschritt scheint einer Baustelle vergleichbar, auf der man mit unvollständigen Plänen begonnen hat. Während des Bauens tauchen immer weitere, neue, verbesserte Baupläne auf, weshalb manchmal bereits fertig gestellte Gebäudeteile wieder abgerissen und neu aufgebaut werden müssen. Trotz dieser chaotischen Zustände macht die entstehende Konstruktion einen tragfähigen Eindruck. Wir wissen allerdings weder, ob der Vorrat an zu entdeckenden fundamentalen Informationen über die Natur begrenzt oder unbegrenzt ist, noch wissen wir, ob die Fähigkeit des Menschen, Wissen anzuhäufen begrenzt ist oder nicht.

Das menschliche Gehirn ist das komplizierteste Ding, das uns bisher im Universum begegnet ist. Seine Intelligenz wurde nicht im Hinblick auf wissenschaftliche Betätigung konzipiert, vielmehr ist es das Produkt einer Anpassung an eine frühere Umwelt. Es stellt ein Bündel von Veranlagungen zur sozialen Interaktion bereit, die uns in die Lage versetzen, für sichere Unterkunft zu sorgen, Nahrung zu finden, uns vor Hitze und Kälte zu schützen, Geschlechtspartner zu finden, Gefahren und Feinden aus dem Weg zu gehen und so viele Nachkommen zu zeugen wie möglich. Das bedingt nicht notwendig die Fähigkeit zum Verständnis des Kosmos. Es besteht auch kein Grund zu der Annahme, dass das Universum auf die Erkenntnisfähigkeit des Menschen zugeschnitten sei. Möglicherweise lassen sich die zum Verständnis des Universums nötigen subtilen Konzepte Stück für Stück aus so einfachen, uns vertrauten Ideen wie Zählen, Ursache - Wirkung, Entweder - Oder aufbauen. Diese einfachen Operationen können wir inzwischen in großer Zahl und mit hoher Geschwindigkeit von Computern durchführen lassen, doch sind viele Probleme so komplex, dass ihre Bearbeitung - selbst durch modernste Computer - mit so ungeheurem Zeitaufwand verbunden wäre, dass sie praktisch unlösbar sind.

Manche mathematischen Probleme sind sogar grundsätzlich nicht lösbar, andere können grundsätzlich nicht von Rechenmaschinen gelöst werden. Gödels Theorem besagt, dass die Konsistenz und Vollständigkeit der Arithmetik nicht mit den Mitteln der Arithmetik bewiesen werden kann. Es gibt also stets arithmetische Aussagen, deren Wahrheit oder Falschheit sich nicht mit Hilfe der Axiome und Rechenregeln der Arithmetik beweisen lässt. Weil also die Mathematik unbeweisbare Aussagen macht, kann die Physik, die auf Mathematik basiert, nicht alle Wahrheiten entdecken. Turing zeigte zudem, dass die von ihm erdachten Rechenmaschinen nur einen Teil der Gesamtmenge entscheidbarer Wahrheiten generieren können.

Der Mensch hingegen, der riesige Mengen von mathematischen Operationen nicht dermaßen fehlerfrei wie eine Maschine ausführen kann, hat diese seine Fehlbarkeit durch Intuition, Vermutung, Induktion und andere Möglichkeiten nicht-deduktiven Denkens zu kompensieren gelernt. Mit diesen Fähigkeiten ist der Mensch heutigen Hochleistungsrechnern weit überlegen. So ist er in der Lage, über sich und sein Denken und Handeln selbst zu reflektieren, was die Maschinen bisher noch nicht können.

Barrow geht das Thema des Unmöglichen von sehr vielen Standpunkten aus an, von denen jeder einzelne, wie philosophische Betrachtung, Kosmologie, Chaostheorie und Komplexität, Psychologie, künstliche Intelligenz oder Gödels Theorem, ein ganzes Buch füllen könnte. Daher bleibt Barrow bei vielen Themen oberflächlich und kann nicht in allen Fällen ein tieferes Verständnis vermitteln. Auf jeden Fall weckt er aber das Interesse, sich eingehender mit dem Unmöglichen zu beschäftigen, denn vielleicht offenbart uns das, was wir nicht wissen können, mehr als das, was wir wissen.

HARTMUT HÄNSEL

John D. Barrow: "Die Entdeckung des Unmöglichen". Forschung an den Grenzen des Wissens. Aus dem Englischen von Heiner Must. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1999. 411 S., 56 Abb., geb., 49,80 DM.

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