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Ein Wichtigtuer bezahlt seine dummen Sprüche über einen Bankräuber mit einer Kugel im Kopf. Ein Mann verliebt sich mit überraschenden Folgen in die Freundin seines besten Freundes. Unsentimental, doch mitfühlend erzählt Wolff seine Geschichten von Menschen im Alltag und in Grenzsituationen.

Produktbeschreibung
Ein Wichtigtuer bezahlt seine dummen Sprüche über einen Bankräuber mit einer Kugel im Kopf. Ein Mann verliebt sich mit überraschenden Folgen in die Freundin seines besten Freundes. Unsentimental, doch mitfühlend erzählt Wolff seine Geschichten von Menschen im Alltag und in Grenzsituationen.
Autorenporträt
Tobias Wolff, geboren 1945 in Alabama, wuchs im Nordwesten der USA auf und studierte in New York und Stanford. Er wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem P.E.N./Faulkner Award und im Jahr 2014 mit dem Stone Award for Lifetime Literary Achievement. Er lebt in Palo Alto, Kalifornien und lehrt an der Stanford University.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.09.1998

Leben wird durch Tod erst schön
Leiden als Stilübung: Die Kurzgeschichten von Tobias Wolff

Wer schon immer einmal wissen wollte, was einem Literaturkritiker alles durch den Kopf geht, erhält bei Tobias Wolff die definitive Antwort: "Die Kugel zerschmetterte Anders den Schädel, pflügte sich durch sein Gehirn und trat hinter seinem rechten Ohr wieder aus. Sie verteilte Knochensplitter in der Großhirnrinde, im Balken, in den Basalganglien und im Thalamus." Doch das ist noch nicht das Ende, denn "seit ihrem Eintreten in den Schädel galt auch für die Kugel Hirnzeit", und so kann sich der Literaturpapst, der es sich als zufälliger Zeuge eines Banküberfalls nicht verkneifen konnte, noch die Kommandos der Gangster einer Stilkritik zu unterziehen, "seelenruhig" einer letzten Kindheitserinnerung widmen. Sie faßt das Wesen seines Daseins zusammen: Bereits als junger Spund auf dem Baseballfeld war Anders fasziniert von den Grammatikschnitzern seiner Mitspieler. Der amerikanische Schriftsteller Tobias Wolff (Jahrgang 1945) zählt spätestens seit den autobiographischen Romanen "Das Blaue vom Himmel" und "In der Armee des Pharaos", seinen Vietnam-Erinnerungen, zu den wichtigsten Erzählern seiner Generation. Doch Wolff ist auch ein medaillenverdächtiger Mann für die Kurzstrecke, dessen oft denkbar unspektakuläre Geschichten in beiläufigen Nebensätzen existentielle Dramen beinhalten können. Noch aus dem trübsten Alltagsschlamm wäscht Wolff funkelnde Nuggets der Erkenntnis heraus.

Seine vermeintlich schnoddrig-unbehandelte Sprache ist dabei äußerst kunstvoll kalkuliert und beeindruckt durch die Beherrschung unterschiedlichster Tonfälle. Wolff fällt es buchstäblich kinderleicht, sich in die nichtsahnend-allwissende Perspektive von pubertierenden Jugendlichen oder frühreifen Mädchen hineinzuversetzen. Seine Jugendgeschichten sind oft rückblickend erzählt und nehmen spätere Katastrophen im verkleinernden Spiegel unverbindlichen Spiels vorweg. In "Flieger" beobachtet der Erzähler das schon von vornherein verkorkste Leben seines Freundes, von dem er sich schmerzhaft lösen muß, um nicht in den Bannkreis des Versagens hineingezogen zu werden: "In diesem Scheitern zeigte sich eine Welt, deren Existenz ich erst ahnte, eine Welt, in der keine Wunden heilten und in der sich nichts zum Guten wendete." Es ist nicht der einzige Verrat in diesem Buch, der nur für den Verräter selbst zu erkennen ist.

Die meisten seiner - durchweg in personaler Erzählweise vorgestellten - erwachsenen Helden sind Männer um die Dreißig, zur Selbständigkeit gezwungen, dabei unfähig, Verantwortung zu übernehmen. Es sind Soldaten, die in der Armee einen willkommenen Familienersatz finden, dessen Mißlichkeiten immer noch erträglicher sind als die Zumutungen des komplizierten Lebens "da draußen". Oder hoffnungslose Romantiker, die in ihrem Innern eine Welt finden, aber nicht mehr aus ihrer Haut können - wie der unverdrossen wider den modernen Imperialismus predigende Privatschullehrer Wiley, der bei einer Sauftour völlig außer Kontrolle gerät und rettungslos einer Kneipenbekanntschaft verfällt. Er ist sich trotz aller Lebensunfähigkeit seiner Verführungskünste völlig sicher, denn er "wußte, daß sein Vorrat an Worten unerschöpflich war".

Derart unverbesserlicher Glaube an die Macht von Sprache und Vorstellung prägt - ähnlich wie bei Richard Ford - viele der Lebensopfer Wolffs, die dennoch im Gegensatz zu Fords egozentrischen Schönrednern meist eher bemitleidenswert sind. Ein typischer Wolff-Charakter ist der verkrachte Lokaljournalist in "Sterbliche", der gefeuert wird, weil er einen Nachruf auf einen höchst lebendigen Finanzbeamten verfaßte. Beim aus Trost spendierten Essen kommt er dem Alten auf die Schliche: Er meldete selbst den eigenen Tod, um die Bedeutung seines Durchschnittslebens endlich gewürdigt zu sehen.

Viele Geschichten nehmen überraschende Wendungen, der Schein eindeutiger Schuld trügt nicht selten, und hinter einer Oberfläche aus Zynismus und Misogynie verbirgt sich zumeist rettungslose Vereinzelung: "Selbst gemeinsam waren die Leute so einsam wie Kühe auf der Weide, die alle in verschiedene Richtungen starren." RICHARD KÄMMERLINGS

Tobias Wolff: "Die entscheidende Nacht". Erzählungen. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Ulrich Blumenbach und Frank Heibert. Rogner & Bernhard, Hamburg 1998. 240 Seiten, geb., 20,- DM.

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