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Platz 1 der Sachbuch-Bestenliste von Die Zeit, Deutschlandfunk und ZDF: "Jens Bisky stellt die Frage nach Handlungsoptionen auf dem Weg in den Faschismus. Ein Panorama deutscher Schicksalsjahre, mit erschreckenden Parallelen zur Gegenwart."
Als im Oktober 1929 Gustav Stresemann, der erfolgreiche Außenminister, starb, fragten sich die Zeitgenossen, wie es nun mit der Republik weitergehen könne. Gerade formierte sich eine faschistische Koalition, die 1933 an die Macht kam; Bauern warfen Bomben, die öffentlichen Haushalte litten unter wachsenden Defiziten, bald schien das parlamentarische…mehr

Produktbeschreibung
Platz 1 der Sachbuch-Bestenliste von Die Zeit, Deutschlandfunk und ZDF: "Jens Bisky stellt die Frage nach Handlungsoptionen auf dem Weg in den Faschismus. Ein Panorama deutscher Schicksalsjahre, mit erschreckenden Parallelen zur Gegenwart."

Als im Oktober 1929 Gustav Stresemann, der erfolgreiche Außenminister, starb, fragten sich die Zeitgenossen, wie es nun mit der Republik weitergehen könne. Gerade formierte sich eine faschistische Koalition, die 1933 an die Macht kam; Bauern warfen Bomben, die öffentlichen Haushalte litten unter wachsenden Defiziten, bald schien das parlamentarische System gelähmt. Demokratische Republik oder faschistischer Staat - so lautete ab dem Sommer 1930 die Alternative.
Was folgte - der Aufstieg radikaler Kräfte, die Pulverisierung der bürgerlichen Milieus, der Aufruhr der Mittelschichten, die Selbstüberschätzung der Konservativen und Nationalisten, die sich einbildeten, Hitler zähmen zu können, Verelendung und Bürgerkriegsfurcht -, mündete in die verbrecherischste Diktatur des 20. Jahrhunderts. Jens Bisky erzählt, wie die Weimarer Republik in einem Wirbel aus Not und Erbitterung zerstört wurde. Es kommen Politiker und Journalisten der Zeit zu Wort, erschöpfte Sozialdemokraten, ratlose Liberale, nationalistische Desperados, Literaten, Juristen, Offiziere. Wie nahmen sie die Situation wahr? Welche Möglichkeiten hatten sie? - Das große Panorama einer extremen Zeit, die noch immer ihre Schatten auf die Gegenwart wirft.
Autorenporträt
Jens Bisky, geboren 1966 in Leipzig, studierte Kulturwissenschaften und Germanistik in Berlin. Er war lange Jahre Feuilletonredakteur der 'Süddeutschen Zeitung' und arbeitet seit 2021 am Hamburger Institut für Sozialforschung. Er ist Autor viel beachteter Bücher, darunter 'Geboren am 13. August' (2004), 'Unser König. Friedrich der Große und seine Zeit' (2011) und 'Berlin. Biographie einer großen Stadt' (2019). 2017 verlieh ihm die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung den Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Patrick Bahners scheint erfrischend und dabei sinnvoll zu finden, wie Jens Bisky sich in seinem Buch dem Untergang der Weimarer Republik nähert. Es geht dabei viel um die nachträglich als fatal eingeordnete Entscheidung des Rücktritts des sozialdemokratischen Kanzlers Hermann Müller am 27. März 1930, nachdem in der Regierung Uneinigkeit über eine Haushaltsfrage herrschte. Dem Kritiker gefällt, wie Bisky sich entgegen der andernorts dominanten harten Verurteilung der SPD positioniert, die die Entscheidung des Rücktritts als im Grunde unverhältnismäßig abgetan habe, und wie er sich stattdessen sehr um eine faire Detailbetrachtung von Hermann Müller und seines Arbeitsministers Rudolf Wissell bemühe, ohne dabei verklärend zu werden. Auch für den ebenfalls scharf kritisierten "sturen Gewerkschaftsdoktrinarismus" von Otto Braun habe es laut Bisky gute Gründe gegeben, wie Bahners wiedergibt. Dieses "Bemühen um Fairness" durch eine genaue Betrachtung der jeweiligen Entscheidungshintergründe und eine "realistische" Einschätzung der Sachlage halte den Autor aber nicht davon ab, kritisch danach zu fragen, wie vorbereitet die SPD bei aller Nachvollziehbarkeit auf die Folgen ihrer Entscheidungen war - für den Kritiker scheint diese Balance den großen Wert von Biskys Betrachtung auszumachen.

© Perlentaucher Medien GmbH
Zum regelrechten «Triple-Wumms» wird dieses Panorama, weil Bisky ein großartiger Erzähler ist, der sich souverän auf dem aktuellen Stand der Forschung bewegt und einen immensen Schatz erhellender und verstörender Quellen erhoben hat. So anschaulich ... Süddeutsche Zeitung

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.10.2024

Geschichtspanorama mit Wumms
Waren das Ende der Weimarer Republik und Hitlers Machtergreifung wirklich unvermeidbar? Jens Biskys fulminant erzähltes Buch „Die Entscheidung“. Von Ute Daniel
Wer in größeren Städten lebte und Geld für Unterhaltung übrighatte, konnte im 19. Jahrhundert ein sogenanntes Panorama besuchen (und kann das mancherorts noch heute). Dort führte ein Tunnel in die Mitte des Rundbaus auf die Besucherplattform. Von ihr aus hatte man, wenn man sich um sich selbst drehte, einen 360-Grad-Rundblick auf ein monumentales umlaufendes Gemälde. Das Gefühl, mittenmang im Schlachtengetümmel bei Waterloo 1815 oder bei der Kreuzigung Christi anwesend zu sein, wurde verstärkt, indem die Bildgrenzen unsichtbar gemacht wurden: Der untere Bildrand wurde durch faux terrain, Steine oder andere Gegenstände, verdeckt. Der obere Bildrand verschwand ebenso wie die Oberlichter, durch die Tageslicht einfiel, hinter dem über die Plattform gespannten Schirmdach. Gelingen konnte das im 19. Jahrhundert – also ohne die heutigen, ganz anders funktionierenden Visualisierungstechniken – nur, wenn die Bildgrenzen und mit ihnen die Tatsache des Gemacht-Seins zum Verschwinden gebracht wurden.
Der panoramatische Blick findet sich auch in literarischen Darstellungsformen. Tolstois „Krieg und Frieden“ oder Alfred Döblins „Alexanderplatz“ sind paradigmatische Beispiele in der Literatur. Auch Geschichtserzählungen nutzen immer wieder die narrativen Möglichkeiten, um den panoramatischen Blick – etwa auf Jahre mit Wendecharakter – zu erzeugen. Jens Biskys gerade erschienenes Buch „Die Entscheidung. Deutschland 1929 bis 1934“ lässt sich hier einreihen. Und das mit einem großen Wumms. Das Thema sind die letzten Jahre der Weimarer Republik und die Frage, warum sie die letzten waren und Hitler es war, der sie beendete.
Das ist, was die deutsche Geschichte betrifft, die Mutter aller Fragen. Und was ebenfalls wummst, ist Biskys panoramatische Darstellung dieser Jahre durch „Schlüsselmomente“, die „die Handelnden mit ihren Illusionen, ihrer Ratlosigkeit, ihrer Verzweiflung wie ihrem Aufbruchspathos“ (22) vergegenwärtigen sollen. Zum regelrechten „Triple-Wumms“ wird dieses Panorama, weil Bisky ein großartiger Erzähler ist, der sich weitgehend souverän auf dem aktuellen Stand der Forschung bewegt und einen immensen Schatz aussagekräftiger, erhellender und verstörender Quellen erhoben hat. So anschaulich und unterhaltsam im Rundblick präsentiert, wird das Gruseln über den Untergang von Weimar wieder möglich. Wie beim Untergang der Titanic ist es ein Gruseln, das daraus entsteht, dass all dies nicht hätte sein müssen. Auf Letzteres verweist Bisky immer wieder. Aber wie stellt er es dar? Im „Prolog“ wird mit dem Tod Gustav Stresemanns 1929 das Einstiegsdatum der Erzählung gesetzt. Nicht weil dieser Politiker, der Deutschland aus dem teils auferlegten, teils selbstgewählten außenpolitischen Pariatum befreite, den Gang der Geschichte hätte ändern können. Hier und an vielen anderen Stellen des Buchs verweigert sich der Autor der leidigen Angewohnheit, einzelnen Ereignissen oder Personen singuläre Kausalwirkung zuzuschreiben.
Stresemanns Tod, so Bisky, sei eines der 1929 kulminierenden Probleme, die jedes für sich überwindbar gewesen wären, durch ihr Zusammentreffen aber den Eindruck erweckten, so könne es nicht weitergehen. Deswegen beginne 1929, als die New Yorker Börse zusammenkrachte, in Norddeutschland die Bauern revoltierten und der Reichshaushalt in Schieflage geriet, die „Agonie der Republik“. Dass verschiedene Dinge gleichzeitig oder zeitnah geschehen, sich verstärken (oder konterkarieren), und sich dadurch das vollzieht, was man rückblickend Geschichte nennt, klingt trivial, ist es aber ganz und gar nicht. Und der panoramatische Blick ist bestens geeignet, dieses Neben-, Mit- und Gegeneinander zu erfassen.
Von den folgenden insgesamt 21 Kapiteln zu „Schlüsselmomenten“ der Jahre 1929 bis 1934 gelten in chronologischer Reihenfolge siebzehn der Weimarer Republik und vier den ersten Jahren des Dritten Reichs bis zum sogenannten Röhm-Putsch Ende Juni, Anfang Juli 1934. Die (nicht explizite) These, die wohl titelgebend war, lautet: „Zum Dritten Reich führten viele kleine und große Entscheidungen – und nicht zuletzt die zeittypische Erwartung, die eine, alles umwälzende Entscheidung stünde unmittelbar bevor.“ Diese Vorgabe ist unanfechtbar.
Weniger gilt das für ihre verengte Formulierung eine Seite davor: „Dem 30. Januar 1933 gingen viele kleine und größere Siege der NSDAP voraus, an Universitäten, in Vereinen, Kommunen, auf der Straße und in den Zeitungen.“ So klingt es eher nach einem Zirkelschluss, was die Darstellungsweise betrifft. Und tatsächlich sieht man dann in den auf Weimar bezogenen Kapiteln überwiegend solche Akteure am Werk, die etwas Anderes wollten als das, was der Fall war.
Das erzeugt letztlich genau den Eindruck von Zwangsläufigkeit, den der Autor eigentlich gar nicht erzeugen will. Womöglich ist es die Spezifik des panoramatischen Blicks, die ihm hier ein Bein stellt. Deswegen wurde sie hier, nicht im Buch, einleitend als Analogie aufgerufen. Soll die Gegenwärtigkeitsillusion gelingen, braucht das klassische Panorama faux terrain und Sichtblende. Die Geschichtsdarstellung wiederum braucht eine Auswahl. Das Ganze ist nun einmal nicht darstellbar.
Nicht-panoramatische Darstellungen pflegen deswegen durch Thesen oder Argumente zu begründen, warum sie bestimmte Aspekte zeigen und andere nicht. Bisky, der „die Handelnden mit ihren Illusionen, ihrer Ratlosigkeit, ihrer Verzweiflung wie ihrem Aufbruchspathos“ vergegenwärtigen will, begründet seine Auswahl damit, dass er die Vorgeschichte der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler zeigen will. Das erlaubt ihm, seine Schlüsselmomente ausschließlich aus denjenigen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Segmenten zu beziehen, die der Vorgabe folgen, die Vorgeschichte für Hitlers Machtantritt zu illustrieren. So ergibt sich eine sehr wirksame Gegenwärtigkeitsillusion.
Das hat allerdings auch einen Preis: Der Bildrand und damit das Gemacht-Sein der Erzählung gerät etwas aus dem Blick. Die fesselnde Gesamtwirkung lässt alles, was Bisky erzählt, auf den 30. Januar 1933 zukreiseln. Als Erklärungsangebot gelesen, liefe das auf die von Bisky erkennbar nicht beabsichtigte Erklärung Hitlers durch Hitler hinaus. Was aber, wenn Hitler nur so etwas Nettoresultat der vielen getroffenen oder unterlassenen Entscheidungen war, aber nur in wenigen Fällen ihr Ziel? Oder wenn womöglich die Zäsur von 1929/30 entscheidend war, also die Abkoppelung der Exekutive von Parlament und Parteien? Sie war das Werk der Militärführung und des Reichspräsidenten Hindenburg, der Industrie und Großagrarier sowie der meisten Parteien jenseits der SPD. Von jetzt an waren Kanzler und Kabinette von Hindenburg so abhängig, wie sie es zuvor vom Parlament und den Parteien gewesen waren. Ab jetzt konnte eine Handvoll Akteure um Hindenburg bei der Bemannung des deutschen Staatsruders völlig ungebremst überraschende Schwenks vollführen. Hitler war nur der Letzte auf der shortlist.
Wenn es also nicht zwangsläufig auf Hitler hinauslief – was heute wohl der Minimalkonsens der Weimarforschung ist –, dann hätte Bisky seine wiederholten Hinweise darauf, dass nichts zwangsläufig gewesen sei, ganz unnötigerweise desavouiert: indem er die spannenden, bunten, facetten- und menschenreichen Wimmelbilder darauf reduziert, Vorgeschichte des 30. Januar 1933 zu sein, obwohl sie auch hätten illustrieren können, dass sie Vorgeschichten von allem Möglichen waren, unter anderem auch des 30. Januar 1933.
Glücklicherweise erzeugt das Casting von so vielen völlig unterschiedlichen Akteuren für das Bisky’sche Panorama aber auch eine eigene Dynamik. Sie erlaubt es der Betrachterin, in den vielen Wimmelbildern einen anderen roten Faden zu erkennen als den, dass Hitler herauskommt. Nämlich die immense Menge und Vielfalt von Menschen, die etwas Anderes wollten. Achtet man beim 360-Grad-Schwenk auf dieses Getümmel unterschiedlichster Persönlichkeiten, Parteien und Institutionen mit unterschiedlichsten Illusionen, Sehnsüchten und Interessen, dann braucht man keinen Zirkelschluss, um das Ende von Weimar zu erklären. Mit dieser Perspektive sieht man, was der britische Historiker Ian Kershaw vor mehr als 30 Jahren in Worte fasste – ohne es so famos vergegenwärtigen zu können wie Bisky: dass es nicht die Nationalsozialisten waren, die die Weimarer Republik zerstörten; sondern dass sie es waren, die von der Zerstörung der Republik profitierten.
Ute Daniel, geboren 1953 in Freiburg, war bis zu ihrer Emeritierung Professorin für Neuere Geschichte an der TU Braunschweig. Zuletzt erschien „Postheroische Demokratiegeschichte“ von ihr.
Es waren nicht die
Nationalsozialisten,
die Weimar zerstörten
Straßenschlacht zwischen Kommunisten und Mitgliedern der SA im Jahr 1932.

Foto: Scherl / Süddeutsche Zeitung Photo
Jens Bisky: Die Entscheidung – Deutschland 1929 bis 1934. Rowohlt Verlag, Hamburg 2024.
640 Seiten, 34 Euro.
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