Produktdetails
  • Verlag: List
  • Seitenzahl: 269
  • Abmessung: 24mm x 128mm x 211mm
  • Gewicht: 407g
  • ISBN-13: 9783471794036
  • ISBN-10: 3471794034
  • Artikelnr.: 24749639
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.02.2000

Ein Löffelchen Heine
Peter Stephan Jungk erzählt die Geschichte einer Erbschaft

Die Story ist spannend, aber an den Haaren herbeigezogen. Vorher weiß man nicht, warum man sie lesen soll, und nachher nicht, warum man sie gelesen hat. Das Buch gehört zur Familie derer, von denen Lichtenberg bemerkte, dass sie recht nett seien, aber auch sonst wenig zu tun hätten. Daniel Löw, ein Lyriker, wird von der Hoffnung auf eine vermeintliche Millionenerbschaft aus der Bahn geworfen, in einem korrupten Venezuela, wo nur siegt, wer schmiert. Nun hat unser Dichter aber kein Verhältnis zum Geld - worauf er auch noch stolz ist. Ein trotziger Träumer, stellt er sich so ungeschickt wie nur möglich an. Blauäugig und vertrauensselig liefert er sich immer neuen und stets beutelschneiderischen Agenten und Anwälten aus. Die Erbschaft wird zur Obsession, er verliert seine Frau darüber, hört zu dichten auf und wird schließlich sogar kriminell. Am Schluss wird uns mitgeteilt, als wären wir im Kino des Bildungsromans, der Weltentrückte wolle fortan nur noch auf sich selber hören. "Als würde ein Blinder sehend, ein Tauber hörend, ein Stummer sprechfähig, so erfrischend ist die Erkenntnis, die seinen Körper durchpulst." Aber sie bleibt ohne Folgen. Noch im letzten Satz des Buches will er weiter um sein Erbe kämpfen.

Dass jemand durch eine Obsession aus der Bahn geworfen wird, ist an sich kein schlechter Stoff. Nur muss der Jemand unser Interesse haben. Auch dieser Hans Guckindieluft, der nichts kann, auch als Dichter nicht, ist eine so gleichgültige Natur, dass auch sein Scheitern gleichgültig ist. Am Schluss ist er pleite - na und? Fast dreihundert Seiten lang lässt der Autor die Frage: Kriegt Daniel seine Million oder nicht? als Wurst vor dem Leser baumeln und beantwortet sie schließlich mit: Wahrscheinlich nicht. Das ist alles. Er hätte auch mit "Vielleicht doch" enden können oder mit "Ganz bestimmt" oder "Ganz egal" oder "Fortsetzung folgt". Es wäre allemal trivial. Der Dichter und das Geld: Das hätte ein Thema sein können. Aber dafür hätte man ein wenig mehr an Ideen, Gedanken und Motiven aufbieten müssen, als der inzwischen bald fünfzigjährige Autor zahlreicher Romane und einer Franz-Werfel-Biografie in dieses offenbar schnell geschriebene Produkt zu investieren bereit war.

Wörter wie "Kaddisch", "Schabbat" und "Bar-Mitzwah" sind als Puderzucker über den Text gestreut und machen sich wichtig. Die Geschichte spielt unter Juden. Ob auch Juden ein Recht auf schlechte Menschen haben, ist eine der Fragen, die vorbeischweben, ohne sich niederzulassen. Eine Prise Holocaust dient als Bittermandelessenz. Ein Löffelchen Heine ist eingequirlt, um Opposition zu mimen. Genippt wird auch sonst noch an mancher Tasse, aber ernsthaft zu trinken gibt es nichts. Mottos von Handke und Heine preisen die Störrischen und Unvernünftigen. Die Koketterie mit der Unangepasstheit ist heute das Credo der Mittelmäßigen. Wer nichts vom Dichter hat als die Unvernunft, der verdient kein Mitleid. Wer nichts hat als die Schwärmerei für Unvernunft, der ist nicht einmal ein Dichter.

HERMANN KURZKE

Peter Stephan Jungk: "Die Erbschaft". Roman. Paul List Verlag, München 1999. 272 S., geb., 34,- DM.

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