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Schon als Kind hatte Anouk es spannend gefunden, sich zu verkleiden, anzumalen, möglichst perfekt in andere Identitäten zu schlüpfen, hatte einmal darauf bestanden, zu einem Faschingsfest ihrer Volksschule, als Käfer verkleidet, neben ihrem zunehmend genervten Vater auf allen Vieren zu kriechen, weshalb sie dort erst ankamen, als die Wahl des besten Kostüms bereits vorbei war. So holte auch über mehr als zwei Jahre hinweg Leon Wille seine Tochter jeden Tag als jemanden anderen von der Schule ab, und stets waren es völlig fremde kleine Mädchen: Einmal beherrschte sie lediglich eine nur ihr…mehr

Produktbeschreibung
Schon als Kind hatte Anouk es spannend gefunden, sich zu verkleiden, anzumalen, möglichst perfekt in andere Identitäten zu schlüpfen, hatte einmal darauf bestanden, zu einem Faschingsfest ihrer Volksschule, als Käfer verkleidet, neben ihrem zunehmend genervten Vater auf allen Vieren zu kriechen, weshalb sie dort erst ankamen, als die Wahl des besten Kostüms bereits vorbei war.
So holte auch über mehr als zwei Jahre hinweg Leon Wille seine Tochter jeden Tag als jemanden anderen von der Schule ab, und stets waren es völlig fremde kleine Mädchen: Einmal beherrschte sie lediglich eine nur ihr bekannte Sprache, zog die dann auch bis zum Abend durch. Ein anderes Mal musste sie nach einem vorgeblich schweren Autounfall nach Hause getragen werden - sie sei, mit Onkel Rami am Steuer, mit einem Ringelspiel kollidiert, erzählte sie. Ein weiteres Mal erschien sie im Schultor mit einem Betonbrocken im Arm von einer Baustelle neben der Schule. Sie sei ein in Anouks menschlich aussehende Hülle verzauberter Gasballon, erzählte sie, würde ohne den Brocken sofort aufsteigen, und Leon Wille würde sie nie wiedersehen. Die daran schuldtragende böse Fee habe sich als Anouks Klassenlehrerin verkleidet.
Als Wille daraufhin meinte, dann warte er eben auf seine richtige Tochter, erzählte ihm der verwunschene Gasballon, Anouk sei von der bösen Fee ebenfalls verzaubert worden: in eine Straßenbahn, und die sei hinter ihnen eben abgefahren.
So ging das ununterbrochen. Wille trug es mit genervter Fassung. Nur Onkel Rami gefiel es, meinte nur lakonisch, der Apfel fiele bekanntlich nicht weit vom Pferd. Aber er musste ja auch nicht jeden Tag von früh bis spät mitspielen, um nicht zu riskieren, dass sich Anouk zum Beispiel stundenlang in ihrem Zimmer einsperrte, um ihre Mitbewohner zum Kooperieren zu zwingen, oder für Minuten die Luft anhielt, bis sie blau im Gesicht anlief, oder auch so lange am Glastisch vor dem Sofa einen perfekten Kopfstand machte, bis Wille Anouks Verrücktheiten wieder mitspielte, weil er nicht wusste, wie lange die Platte das aushielte.
Autorenporträt
Wolfgang Katzer Seit über vierzig Jahren schreibender Entertainer, Jazzpianist und Musikkomiker (1976-2011 Muckenstruntz & Bamschabl), hat drei erwachsene Kinder, ist in zweiter Ehe verheiratet und lebt in Wien. In seinem multimedialen Bühnenprogramm "Katzers Literatur-Crossover" erzählt Katzer von seinen Romanen, zusammen mit Musik, Videoclips und Filmzuspielungen. Siehe dazu: www.wolfgangkatzer.at