An einem Dezemberabend des Jahres 1802 hält ein bis dahin völlig unbekannter Mann in einem dunklen Londoner Laboratorium einen Vortrag über das Wetter und die Wolken - nicht ahnend, daß er damit zu einer europäischen Berühmtheit werden und eine wissenschaftliche Disziplin begründen sollte. Der junge Mann hieß Luke Howard (1772-1864).
Daß seine Vorlesung gut besucht war, ist kaum verwunderlich. Öffentliche Vorträge dieser Art waren keine Seltenheit am Ende der Aufklärung; sogenannte "Theater des Wissens" wurden zu festen Institutionen, von Intellektuellen, Künstlern und vom einfachen Publikum gleichermaßen besucht. Und das Wetter war ein Thema, über das jeder gern mitreden wollte.
Bereits früh hatte sich Howard mit meteorologischen Fragen befaßt, beeindruckt - wie viele seiner Zeitgenossen - durch das sogenannte Vulkanjahr 1783, mit seinem plötzlichen Klimawechsel, mit Hurricans und Erdbeben, mit Ereignissen, die halb Europa in Panik versetzten - und die auch ein Defizit der Wettervorh ersage offenbarten, dem man mit Messungen und mit Ballonflügen zu begegnen versuchte.
Richard Hamblyn erzählt die Biographie jenes Mannes, der - erstaunlich genug - aus den kleinen Verhältnissen einer Londoner Quäkerfamilie in die höchsten Ränge der Wissenschaft seiner Zeit aufstieg, und dies mit der Beobachtung von Wolkenformationen. Anschaulich schildert Hamblyn auch die gesellschaftlichen Verhältnisse und die wissenschaftlichen Entdeckungen des frühen 19. Jahrhunderts sowie die Geschichte und die Kulturgeschichte der Meteorologie von ihren Anfängen bis in die Gegenwart.
Wettervorhersagen sind keine Erfindung der Neuzeit; schon im Alten Testament und in der griechischen Mythologie spielen Wolken eine wesentliche Rolle; und auch die Philosophen, von den Vorsokratikern bis Descartes, sahen zu ihnen auf. Aber erst im 18. Jahrhundert wurde das Wetter Gegenstand wissenschaftlicher Erforschung. Und erst Howard gelang in seiner Studie 'On the modifications of clouds' die Benennung der dr ei grundlegenden Wolkentypen Cirrus, Cumulus und Stratus sowie ihrer Mischformen.
Mit dieser - noch immer gültigen - Klassifikation wurde Howard rasch international bekannt. Auch Goethe wurde auf ihn aufmerksam, 1820 schrieb er sogar einen eigenen Hymnus auf den englischen Forscher. Die Wandelbarkeit der Wolken war ihm ein besonders anschauliches Beispiel für seine Theorie der Metamorphose und Steigerung; noch 1830 läßt er Faust durch die Regionen von Stratus, Cumulus und Cirrus zum Himmel aufsteigen.
Howards Wolkensystem ist noch immer, nach 200 Jahren, ein wesentlicher Bestandteil der modernen Meteorologie, der Wetterkunde, deren Bedeutung gerade in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen hat: insbesondere in der Beobachtung und Bewältigung der bedrängenden Umweltprobleme.
Daß seine Vorlesung gut besucht war, ist kaum verwunderlich. Öffentliche Vorträge dieser Art waren keine Seltenheit am Ende der Aufklärung; sogenannte "Theater des Wissens" wurden zu festen Institutionen, von Intellektuellen, Künstlern und vom einfachen Publikum gleichermaßen besucht. Und das Wetter war ein Thema, über das jeder gern mitreden wollte.
Bereits früh hatte sich Howard mit meteorologischen Fragen befaßt, beeindruckt - wie viele seiner Zeitgenossen - durch das sogenannte Vulkanjahr 1783, mit seinem plötzlichen Klimawechsel, mit Hurricans und Erdbeben, mit Ereignissen, die halb Europa in Panik versetzten - und die auch ein Defizit der Wettervorh ersage offenbarten, dem man mit Messungen und mit Ballonflügen zu begegnen versuchte.
Richard Hamblyn erzählt die Biographie jenes Mannes, der - erstaunlich genug - aus den kleinen Verhältnissen einer Londoner Quäkerfamilie in die höchsten Ränge der Wissenschaft seiner Zeit aufstieg, und dies mit der Beobachtung von Wolkenformationen. Anschaulich schildert Hamblyn auch die gesellschaftlichen Verhältnisse und die wissenschaftlichen Entdeckungen des frühen 19. Jahrhunderts sowie die Geschichte und die Kulturgeschichte der Meteorologie von ihren Anfängen bis in die Gegenwart.
Wettervorhersagen sind keine Erfindung der Neuzeit; schon im Alten Testament und in der griechischen Mythologie spielen Wolken eine wesentliche Rolle; und auch die Philosophen, von den Vorsokratikern bis Descartes, sahen zu ihnen auf. Aber erst im 18. Jahrhundert wurde das Wetter Gegenstand wissenschaftlicher Erforschung. Und erst Howard gelang in seiner Studie 'On the modifications of clouds' die Benennung der dr ei grundlegenden Wolkentypen Cirrus, Cumulus und Stratus sowie ihrer Mischformen.
Mit dieser - noch immer gültigen - Klassifikation wurde Howard rasch international bekannt. Auch Goethe wurde auf ihn aufmerksam, 1820 schrieb er sogar einen eigenen Hymnus auf den englischen Forscher. Die Wandelbarkeit der Wolken war ihm ein besonders anschauliches Beispiel für seine Theorie der Metamorphose und Steigerung; noch 1830 läßt er Faust durch die Regionen von Stratus, Cumulus und Cirrus zum Himmel aufsteigen.
Howards Wolkensystem ist noch immer, nach 200 Jahren, ein wesentlicher Bestandteil der modernen Meteorologie, der Wetterkunde, deren Bedeutung gerade in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen hat: insbesondere in der Beobachtung und Bewältigung der bedrängenden Umweltprobleme.
Mit Namen zähmt man jeden Dampf: Luke Howards große Entdeckung / Von Gregory Benford
Viele Menschen haben sich schon einmal ausgemalt, eine große Entdeckung zu machen, obwohl sie nur Amateure sind. Genau das geschah 1802 dem scheuen Quäker Luke Howard. Er veränderte unsere Vorstellung von Dingen, die wir jeden Tag sehen, bis dahin aber nicht verstanden: Wolken. Diese Aufgabe war jahrtausendelang unerledigt geblieben. Die Meteorologie, schreibt Richard Hamblyn, der in "Die Erfindung der Wolken" ein kunstvolles Bild der Gesellschaft und der Wissenschaft des neunzehnten Jahrhunderts zeichnet, ist "keine exakte Wissenschaft. Sie sucht vielmehr nach einer ordnenden Sprache für Ereignisse, die von einer Fülle schwer durchschaubarer und erklärbarer Gesetzmäßigkeiten bestimmt werden, dazu von stochastischen und chaotischen Prozessen in der Atmosphäre."
Howard erkannte als erster, daß die Sprache Definitionen verlangt, die so präzise sein müssen, wie die Welt es eben zuläßt, und er bemerkte, daß noch niemand die Wolken klassifiziert hatte. Im Rückblick erscheint das erstaunlich für eine Zeit, die geradezu besessen war von Listen, Klassen, Taxonomien, Gattungen und Arten. Die ausgedehnten Ordnungssysteme der Botanik und Geologie führten später zu Theorien, die vieles erklärten, aber am Anfang standen Listen. Und ebenso mußte es in der Meteorologie sein. Schon Thales von Milet hatte behauptet, Wasser sei das Grundelement der Welt, und er glaubte, die Luft bestehe vollständig aus Wasser. Er und Howard hatten jedoch recht mit der Annahme, wonach das Wasser die Dynamik der Wolken beherrscht. Das lag keineswegs auf der Hand. Obwohl das Wasser durchaus den Schlüssel zum Problem der Wolken bildete, hielt man lange an einer "Blasentheorie" der Wolkenbildung fest, nach der das Wasser in Form einer Blase um einen Kern aus verdünnter Luft kondensierte, die ihm den nötigen Auftrieb verlieh; die Wärme von unten spielte keine Rolle.
Ein nervöser Howard präsentierte 1802 seinen Essay einem zahlenden Publikum in Gestalt eines öffentlichen Vortrags. Für die erstmalige Vorstellung einer großen neuen Idee erschiene uns solch ein Vorgehen heute sonderbar. Howard war vollkommen unbekannt, er war Mitglied eines Vereins von Freunden der Wissenschaft, den wir heute wohl als Fanclub bezeichnen würden. Doch mit einem einzigen Vortrag vor einem gewöhnlichen und keineswegs akademischen Publikum gelang es ihm, bekannt zu werden und sich Respekt zu verschaffen.
London war damals das Zentrum der wissenschaftlichen Welt, sowohl im experimentellen Bereich als auch hinsichtlich der "Freude am Spekulieren" - einem Spaß, den unsere steife Wissenschaft heute sehr viel weniger schätzt als damals. Howard gab sein Debüt auf der Bühne der Wissenschaften in einer Kultur, die wissenschaftlichen Fortschritt nicht nur guthieß, sondern auch als aufregend empfand. Da es sich dabei zunächst und in erster Linie um Show handelte, illustrierte Howard seine Ideen mit eigenhändigen Skizzen und Aquarellen. Durch eine Einteilung in sieben Gruppen reinigte er die Luft vom Geheimnis. Mit seinen dem Lateinischen entnommenen Bezeichnungen Cirrus (Faser, Haar), Stratus (Schicht) und Cumulus (Haufen) vermittelte er auf anschauliche Weise das Wesen seiner Einteilung. Die restlichen vier Gruppen berücksichtigten Modifikationen oder Aggregatbildungen und brachten damit eine Wahrheit zum Ausdruck, die jedermann kennt, aber nicht weiter beachtet: "Wolken sind ständig dabei, sich zusammenzuschließen, ineinander überzugehen und sich aufzulösen, aber immer in erkennbaren Entwicklungsstadien. Die Regenwolke Nimbus zum Beispiel (lateinisch Wolke) war Howard zufolge eine regenbringende Kombination von allen drei Typen." Dank eines von Laien verwendbaren Beobachtungsschemas kamen rasch umfangreiche Daten zusammen. Zahllose Amateure drängten sich darum, Howards Schema anzuwenden und ihre Beobachtungen in Tageszeitungen und Zeitschriften mitzuteilen.
Die Gasdynamik feierte damals ihre ersten Erfolge. Der Grundgedanke, wonach Temperatur, Druck und Feuchtigkeitsgehalt der Luft das Verhalten des Wasserdampfs bestimmt, setzte sich schon bald weithin durch. Je wärmer die Luft ist, desto mehr Wasser kann sie tragen. Aufsteigende Luft kühlt sich ab und dehnt sich aus (was seinerseits eine Abkühlung bewirkt); fällt die Temperatur unter den Taupunkt, vermag die Luft den Wasserdampf nicht mehr zu halten, und der Dampf kondensiert zu Tröpfchen. Zur Unterstützung dieses Vorgangs bedarf es kleinster Verunreinigungen. Salz aus dem Meer, Blütenstaub, Rauchpartikel, Staubteilchen und selbst die gasförmigen Ausdünstungen der Pflanzen - all das kann zur Bildung einer Wolke beitragen. Steigt eine Wolke hoch genug, zerfällt sie in gefrorene Tröpfchen: Hagel und Schnee. Eiskristalle erhalten eine positive Ladung, wenn sie im oberen Bereich wasserreicher Wolken Elektronen verlieren. Im unteren Bereich häufen sich die Elektronen, und es entsteht eine elektrische Spannung zwischen Basis und Spitze einer Wolkenformation. Der Blitz korrigiert dieses Ungleichgewicht auf spektakuläre Weise.
Die wissenschaftliche Meteorologie kondensierte um die "Verunreinigung" Luke Howard - einen Amateur, der den Gegenstand dieser Wissenschaft definierte und damit dessen systematische Erforschung erst ermöglichte. Auch heute werden Wolken weltweit erforscht, vor allem seit wir wissen, daß sie den wichtigsten Regulator des Wärmehaushalts unseres Planeten darstellen. Sie reflektieren das einfallende Sonnenlicht und fangen die Infrarotstrahlung ein: der Treibhauseffekt. Ich denke, dank dieser Fähigkeiten werden Wolken sehr wichtig für unser Schicksal werden, gleichsam zu Hütern der Erde. Wir können heute selbst Wolken machen. Schon in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts stellte man fest, daß es nicht einfach ist, zuverlässig Regen zu machen; aber Regen brauchen wir nicht annähernd so dringend wie das Reflexionsvermögen der Wolken, das sich sehr viel einfacher erhöhen läßt, indem man zur rechten Zeit und in der richtigen Höhe zusätzliche Verunreinigungen in die Luft einbringt. Über tropischen Meeren reflektieren Wolken mehr Licht als in höheren Breiten, ohne dabei die Landwirtschaft oder unsere Freizeitvergnügungen zu beeinträchtigen. Wenn wir diese Möglichkeit nutzen, um den erhöhten Ausstoß von Kohlendioxid und anderen Gasen zu kompensieren, haben wir damit eine billige Alternative zu teuren (und gesellschaftlich nur schwer durchzusetzenden) Maßnahmen zur Verringerung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe.
Wolken sind also immer noch wichtig, auch wenn sie dank Howards Einteilung ihr Geheimnis in weiten Teilen eingebüßt haben. Howard selbst war ein bescheidener Mensch, "ein selbständiger Kleinunternehmer mit einer ungewöhnlichen Leidenschaft für Wolken, dessen einzige Qualifikation sein Schullatein" und die Mitgliedschaft in einem wissenschaftlichen Fanclub waren. Dennoch hatte seine Einteilung großen Einfluß auf Wissenschaft, Kultur und Kunst. Goethe und Constable bewunderten diesen Amateur. Howard schrieb: "Der Ozean von Luft, in dem wir leben und uns bewegen, mit seinen Kontinenten und Inseln aus Wolken, kann für den denkenden Geist nie Objekt empfindungsloser Beobachtung sein." Er vermochte es, die Wolken der Erkenntnis zugänglich zu machen, ohne ihnen die Schönheit zu rauben. Und bis zum Ende seines langen Lebens blieb er ein Amateur, der seinem Gegenstand in Liebe und Bewunderung zugetan war.
Aus dem Amerikanischen von Michael Bischoff.
Richard Hamblyn: "Die Erfindung der Wolken". Wie ein englischer Apotheker die moderne Wettervorhersage begründete. Aus dem Englischen von Ilse Strasmann. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2001. 306 S., Abb., geb., 38,- DM.
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