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Dieser ambitionierte Essay versteht sich als ein Beitrag zur Anthropologie des Wissens. Darin vollzieht Paul Jorion eine Verschiebung unserer Denkgewohnheiten, indem er aufzeigt, wie die längst nicht selbstverständlichen Begriffe »Wahrheit« und »Wirklichkeit« zu ganz bestimmten Zeitpunkten in der Geschichte westlicher Kultur aufgetaucht sind. Unter Berufung auf eine Mannigfaltigkeit der Denkformen werden abendländische Philosophie und Mathematik einer anthropologisch orientierten Kritik unterzogen.Die »Wahrheit« erblickt im 4. Jahrhundert v.Chr. in Griechenland das Licht der Welt, die…mehr

Produktbeschreibung
Dieser ambitionierte Essay versteht sich als ein Beitrag zur Anthropologie des Wissens. Darin vollzieht Paul Jorion eine Verschiebung unserer Denkgewohnheiten, indem er aufzeigt, wie die längst nicht selbstverständlichen Begriffe »Wahrheit« und »Wirklichkeit« zu ganz bestimmten Zeitpunkten in der Geschichte westlicher Kultur aufgetaucht sind. Unter Berufung auf eine Mannigfaltigkeit der Denkformen werden abendländische Philosophie und Mathematik einer anthropologisch orientierten Kritik unterzogen.Die »Wahrheit« erblickt im 4. Jahrhundert v.Chr. in Griechenland das Licht der Welt, die (objektive) »Wirklichkeit« im 16. Jahrhundert in Europa. Die eine entspringt der anderen, und zwar in dem Moment, als sich unter dem Einfluss Platons und Aristoteles' die Vorstellung einer Wahrheit durchsetzte, bei der »die Wahrheit zu sagen« gleichbedeutend ist mit »die Wirklichkeit zu beschreiben«. Diese Vorstellung ist ein Gewaltstreich von »jungen Wilden«, die in der Renaissance vor allem die neue Astronomie für sich entdeckten. Diesem Coup lag die Gleichsetzung zweier Universen zugrunde: der Welt, so wie sie an sich ist, mit jener der mathematischen Objekte. Folge war eine Verwechslung der beiden, deren Erbin die zeitgenössische Wissenschaft ist.Nach Jorion befinden wir uns nun aber in einer Zeit, in der die einst fruchtbaren »Erfindungen« immer weniger Ertrag abwerfen. Heute besteht die Notwendigkeit, die Wissenskonstruktion vom mathematischen Mystizismus zu befreien und dem Denken seine eigentliche Macht zurückzugeben. Dies macht es heute erforderlich, insbesondere dem mathematischen Modell seinen ursprünglichen Status zuzuweisen: als Darstellung, die dem menschlichen Geist entspringt. Jorion spricht sich insofern für eine »Rückkehr zu Aristoteles« aus, womit er sich in illustre philosophische Gesellschaft begibt, in der wir neben Hegel und Kojève auch Wittgenstein antreffen.
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Autorenporträt
Paul Jorion, _1946 in Brüssel-Ixelles, ist Anthropologe, Psychoanalytiker und Wirtschaftsexperte. Er hat sich vor allem als scharfsinniger Kritiker des entfesselten Kapitalismus einen Namen gemacht. Zudem hat er jahrelang zu Themen der Künstlichen Intelligenz geforscht. Diese thematische Vielfalt, gepaart mit seinen weitreichenden Kenntnissen der Geschichte von Philosophie und Mathematik, kommt in all seinen Veröffentlichungen auf unnachahmliche Weise zum Tragen.Christian Driesen, _1977, ist Philosoph und Übersetzer. 2016 erschien seine »Theorie der Kritzelei«. Er überträgt vor allem Theorie und Philosophie, bisweilen Literatur und Dramatik aus dem Französischen. Zuletzt erschien von ihm bei Turia + Kant die Übersetzung von Jacob Rogozinskis »Das Leben heilen. Die Passion Antonin Artauds«.