Daniel Wisser erzählt zweiundzwanzig lakonische Geschichten über das ganz alltägliche Fiasko von Liebe und Sexualität: Sie handeln vom Reiz des Imaginierten, desaströsen Wochenenden und dem Drama der Dating-Portale, von Fetischisten und Neurotikern, von der Liebe der Hundertjährigen, der Scham der Pubertät und verpassten Augenblicken. Sie erzählen vom Anfang der Liebe und von ihrem Ende - und dass manchmal nicht mehr bleibt als ein toter Hund in einer Louis-Vuitton-Tasche. Sie zeigen ihre Figuren beim immer wieder scheiternden Versuch, nicht zu scheitern, gönnen ihnen keine Erlösung und sind gerade deshalb von großer Menschlichkeit.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Daniel Wisser hat einen Erzählungsband geschrieben, der sich 22 Frauenleben widmet. Zu repetitiv - findet die Rezensentin Anna-Louisa Schönfeld. Die Unvorhersehbarkeit der verrückten Geschichten findet sie zwar lobenswert, doch den immer wieder auftretenden Ähnlichkeiten zwischen den Erzählungen kann sie nur bedingt etwas abgewinnen. Sie empfiehlt, jede der 22 Geschichten für sich zu lesen - dann lassen sich insbesondere die Erlebnisse der Protagonistinnen Silvia und Aviva besser genießen, meint Schönfeld.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.09.2022Zu absurd, um wahr zu sein?
Sie trinkt Prosecco, er lässt die Türen auf: Daniel Wisser erzählt in 22 kurzen Episoden von Frauenschicksalen
Daniel Wisser beleuchtet in seinem Erzählband "Die erfundene Frau" schlaglichtartig 22 unterschiedliche Frauenleben. Dabei dreht sich alles um die alltäglichen Herausforderungen der Liebe, die zuweilen schwierigen Auseinandersetzungen mit sich selbst und vor allem: um kuriose Beziehungen.
Eine Frau, die ihrem Mann fälschlicherweise eine Affäre vorwirft, und dieser Mann, der keinen anderen Ausweg mehr sieht, als sich eine Geliebte auszudenken, um den grotesken Wahnvorstellung seiner Frau recht zu geben - darum geht es in der Geschichte namens "Silvia". Den Gesamttitel des Buchs darf man hier also wörtlich verstehen. Die Erzählung gipfelt im Absurden, als sich die reale Ilona in einem Brief an die ausgedachte Silvia wendet und sie bittet, ihr dabei zu helfen, wieder frischen Wind in die Ehe zu bringen: "Mein Mann leugnet alles. Neuerdings behauptet er, Sie nur erfunden zu haben. Das ist sehr demütigend für mich. Bitte helfen Sie mir!" Ist die Geschichte zu verrückt, um wahr zu sein?
Diese Frage stellt man sich auch in "Aviva", einer Erzählung um eine Frau namens Inga. Die hat neben einem Alkoholproblem auch Schwierigkeiten damit, sich dem Chaos in der Wohnung zu stellen und Struktur in ihr Leben zu bringen. Und auch das mit dem Kinderkriegen hat trotz Hormonpräparaten nicht so richtig funktioniert. Dann trifft Inga auf ihre neue Nachbarin Aviva, die sie zu Beginn sehr seltsam und später überaus anziehend findet. So kommt es, dass sich beide eines Abends besser kennenlernen. Inga, die in ihrer Sehnsucht nach Nähe die Komplimente Avivas falsch zu deuten scheint, startet einen Annäherungsversuch, der von der Nachbarin nicht erwidert wird. Nach tränenreichem Abgang meint Inga, das dunkle Geheimnis Avivas enttarnt zu haben: Sie habe mit ihrem eigenen Sohn einen weiteren gezeugt und den ersten nach der Zeugung umgebracht! Hat sich das so abgespielt? Oder ist es die Frucht einer Menge Wodka und der vorherigen Zurückweisung Avivas? Die Beantwortung dieser Frage überlässt Wisser dem Leser.
Der 1971 geborene österreichische Schriftsteller bildet in den nach einzelnen Protagonistinnen benannten Episoden undramatisch und schmucklos Leben von Frauen ab, wie sie wirklich sind oder sein könnten. Mal auf mehr, mal auf weniger Seiten, gelingt es ihm, unvorhersehbare und abwechslungsreiche Alltagstragiken abzubilden. Auch wenn die Frauen- und Männerbilder einander zuweilen sehr ähneln. Und so kommt es, dass einem die Prosecco trinkende Frau und der Türen auflassende Mann immer wieder begegnen. Was als repetitives Stilelement verstanden werden kann und die einzelnen Geschichten miteinander verbindet, wirkt beim Hintereinanderwegschmökern schnell monoton. Es empfiehlt sich also, jede von Wissers Geschichte für sich zu lesen. ANNE-LOUISA SCHÖNFELD
Daniel Wisser: "Die erfundene Frau". Erzählungen.
Luchterhand Literaturverlag, München 2022. 240 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sie trinkt Prosecco, er lässt die Türen auf: Daniel Wisser erzählt in 22 kurzen Episoden von Frauenschicksalen
Daniel Wisser beleuchtet in seinem Erzählband "Die erfundene Frau" schlaglichtartig 22 unterschiedliche Frauenleben. Dabei dreht sich alles um die alltäglichen Herausforderungen der Liebe, die zuweilen schwierigen Auseinandersetzungen mit sich selbst und vor allem: um kuriose Beziehungen.
Eine Frau, die ihrem Mann fälschlicherweise eine Affäre vorwirft, und dieser Mann, der keinen anderen Ausweg mehr sieht, als sich eine Geliebte auszudenken, um den grotesken Wahnvorstellung seiner Frau recht zu geben - darum geht es in der Geschichte namens "Silvia". Den Gesamttitel des Buchs darf man hier also wörtlich verstehen. Die Erzählung gipfelt im Absurden, als sich die reale Ilona in einem Brief an die ausgedachte Silvia wendet und sie bittet, ihr dabei zu helfen, wieder frischen Wind in die Ehe zu bringen: "Mein Mann leugnet alles. Neuerdings behauptet er, Sie nur erfunden zu haben. Das ist sehr demütigend für mich. Bitte helfen Sie mir!" Ist die Geschichte zu verrückt, um wahr zu sein?
Diese Frage stellt man sich auch in "Aviva", einer Erzählung um eine Frau namens Inga. Die hat neben einem Alkoholproblem auch Schwierigkeiten damit, sich dem Chaos in der Wohnung zu stellen und Struktur in ihr Leben zu bringen. Und auch das mit dem Kinderkriegen hat trotz Hormonpräparaten nicht so richtig funktioniert. Dann trifft Inga auf ihre neue Nachbarin Aviva, die sie zu Beginn sehr seltsam und später überaus anziehend findet. So kommt es, dass sich beide eines Abends besser kennenlernen. Inga, die in ihrer Sehnsucht nach Nähe die Komplimente Avivas falsch zu deuten scheint, startet einen Annäherungsversuch, der von der Nachbarin nicht erwidert wird. Nach tränenreichem Abgang meint Inga, das dunkle Geheimnis Avivas enttarnt zu haben: Sie habe mit ihrem eigenen Sohn einen weiteren gezeugt und den ersten nach der Zeugung umgebracht! Hat sich das so abgespielt? Oder ist es die Frucht einer Menge Wodka und der vorherigen Zurückweisung Avivas? Die Beantwortung dieser Frage überlässt Wisser dem Leser.
Der 1971 geborene österreichische Schriftsteller bildet in den nach einzelnen Protagonistinnen benannten Episoden undramatisch und schmucklos Leben von Frauen ab, wie sie wirklich sind oder sein könnten. Mal auf mehr, mal auf weniger Seiten, gelingt es ihm, unvorhersehbare und abwechslungsreiche Alltagstragiken abzubilden. Auch wenn die Frauen- und Männerbilder einander zuweilen sehr ähneln. Und so kommt es, dass einem die Prosecco trinkende Frau und der Türen auflassende Mann immer wieder begegnen. Was als repetitives Stilelement verstanden werden kann und die einzelnen Geschichten miteinander verbindet, wirkt beim Hintereinanderwegschmökern schnell monoton. Es empfiehlt sich also, jede von Wissers Geschichte für sich zu lesen. ANNE-LOUISA SCHÖNFELD
Daniel Wisser: "Die erfundene Frau". Erzählungen.
Luchterhand Literaturverlag, München 2022. 240 S., geb., 22,- Euro.
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»'Die erfundene Frau' von Daniel Wisser ist in ihrer ganzen Spießigkeit schräg, verrückt und wahrhaftig. Geradezu herzenswarm beschreibt Daniel Wisser seine Paare in kurzen Sätzen. Man vergisst sie nicht, manchmal liegen sie bei mir im Bett.« Monika Helfer