Der Liberalismus identifiziert Interessen als determinierende Faktoren für jegliches Verhalten von Individuen oder Gruppen. Für die Richtungsbestimmung der Außenpolitik eines Staates sind demzufolge die Interessen von denjenigen Akteuren entscheidend, welche mittels finanzieller oder struktureller Überlegenheit oder aufgrund anderer Vorteile ihr Nutzen maximierendes Interesse gegenüber anderen im Gesellschaftssystem existierenden Positionen durchsetzen können. Vorliegende Arbeit verfolgt die These, dass sich der liberale Ansatz am besten dazu eignet, um die Gestaltung der US-amerikanischen Außenpolitik im Allgemeinen, und im Speziellen die Weigerung des amtierenden Präsidenten George W. Bush, das Zusatzprotokoll von Kyoto mit dem Ziel der Verringerung der globalen THG-Emissionen zur Ratifizierung im Senat vorzulegen, zu erklären. Im Unterschied zu Theorien, in welchen allgemeine gesellschaftliche Wertvorstellungen und Normen im Mittelpunkt stehen, berücksichtigt der Liberalismus die Gegebenheit, dass nur die strukturell mächtigsten organisierten Interessensgruppen ihre Vorstellungen in der Gestaltung der Umweltaußenpolitik durchzusetzen vermögen, wohingegen andere, weniger stark organisierte Gruppen keinen nachhaltigen Einfluss ausüben können. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt daher auf der Bestimmung der relevanten Akteure und ihrer grundsätzlichen Positionen. Zur Untermauerung der Anwendbarkeit der liberalen Theorie und zum generellen Verständnis des Zustandekommens der US-amerikanischen Umweltaußenpolitik werden die verschiedenen Maßnahmen des Kyoto-Protokolls erläutert, ebenso wie die Haltung der USA zu den jeweils daraus resultierenden nationalen Auflagen, welche auf der Basis der Klimarahmenkonvention von Rio de Janeiro zur Eindämmung der weltweiten Emissionen von CO2 und anderer THG entwickelt wurden. Anhand einer interpretierenden Auswertung von Stellungnahmen der in die Klimaschutzverhandlungen involvierten Akteure, ihrer vorrangigen Ziele sowie ihrem jeweiligen Gewicht in den Verhandlungen zur Erarbeitung von nationalen und internationalen Klimaschutzmaßnahmen, werden primäre Grundinteressen erörtert sowie die Art und Weise, mittels derer die jeweiligen Interessensgruppen ihren umweltpolitischen Standpunkt zu verbreiten und in Verhandlungen einzubringen suchen. In einer abschließenden Zeitreihenanalyse von Debatten und Kontroversen zwischen den beiden Häusern des Kongresses und der Regierung werden die konkreten Positionen der einzelnen Gruppen und Akteure während der Verhandlungen zur Ausgestaltung des Klimaschutzprotokolls von Kyoto, ihre Vorgehensweise und Motivation für das Verfolgen einer bestimmten Strategie sowie Veränderungen ihrer jeweiligen Position erörtert. Die Analyse kongress- und regierungsinterner Diskussionen verdeutlicht, dass die Haltung der Vereinigten Staaten zum Kyoto-Protokoll maßgeblich von den Interessen organisierter Lobbys, insbesondere aus dem Bereich der Wirtschaft, bestimmt wird. Aufgrund ihrer Größe und Position im System der NGOs nehmen diese eine Vorrangstellung in der Gestaltung der US-amerikanischen Umweltaußenpolitk ein und konnten auf diese Weise die Ablehnung George W. Bushs bewirken, dem Senat das Protokoll zur Ratifizierung zu unterbreiten, da ihr Einflussgewicht jenes der größtenteils gemeinnützigen Umwelt-NGOs in den Verhandlungen zum nationalen und internationalen Klimaschutz um ein Vielfaches übersteigt. Die Bestimmung organisierter Wirtschaftsinteressen als entscheidende Faktoren in der Gestaltung der US-Umweltaußenpolitik ermöglicht es, abschließend Prognosen hinsichtlich des zukünftigen Verhaltens der USA in den internationalen Klimaschutzverhandlungen sowohl unter einem republikanischen als auch unter einem demokratischen Präsidenten zu erstellen, da der Präsident ungeachtet seiner Parteizugehörigkeit dem Einfluss dieser industriellen Lobbys ausgesetzt ist.
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