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Crispin Salvador ist tot. Das Manuskript des großen Enthüllungsromans, in dem er die historischen Verbrechen der herrschenden philippinischen Familien schildern wollte, ist verschwunden. Miguel, Salvadors strebsamer Schüler und der einzig verbliebene Freund, macht sich daran, das Leben seines Mentors aus dessen Romanen, Interviews und Artikeln zu rekonstruieren. Fragmente werden zu Mustern und Geschichten, das Ganze wächst sich zu einem wahren Epos aus. Als Miguel zu Recherchezwecken in sein Heimatland zurückkehrt, wird ihm deutlich, dass er auch auf den Spuren seiner eigenen Geschichte…mehr

Produktbeschreibung
Crispin Salvador ist tot. Das Manuskript des großen Enthüllungsromans, in dem er die historischen Verbrechen der herrschenden philippinischen Familien schildern wollte, ist verschwunden.
Miguel, Salvadors strebsamer Schüler und der einzig verbliebene Freund, macht sich daran, das Leben seines Mentors aus dessen Romanen, Interviews und Artikeln zu rekonstruieren. Fragmente werden zu Mustern und Geschichten, das Ganze wächst sich zu einem wahren Epos aus. Als Miguel zu Recherchezwecken in sein Heimatland zurückkehrt, wird ihm deutlich, dass er auch auf den Spuren seiner eigenen Geschichte wandelt.
"Die Erleuchteten" erzählt fantasievoll und mit literarischem Witz von einer aus den Fugen geratenen postkolonialen Welt.
Autorenporträt
Miguel Syjuco wurde 1976 in Manila geboren und studierte unter anderem in Columbia und Adelaide. Neben journalistischen Tätigkeiten für Zeitungen wie den 'New Yorker' oder 'Esquire' schrieb er Gedichte und Kurzgeschichten. Miguel Syjuco lebt in Montreal.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2011

Aus Zitronen macht man Limonade

Loopings sind wieder salonfähig: In dem erstaunlichen Debüt des philippinischen Autors Miguel Syjuco sucht der Held nach Antworten auf alle Fragen.

Von Astrid Kaminski

Wie von den Strängen einer Doppelhelix, dieser in der menschlichen DNA verbauten Endlosstrickleiter, wird der Leser des Romans "Die Erleuchteten" umschlungen. Bis kurz vor Schluss herrscht der Eindruck vor, man folge einem Erzähler namens Miguel Syjuco bei der spannenden Spurensicherung einer im Entstehen begriffenen Biographie über seinen Mentor. Aber am Ende sind Subjekt und Objekt austauschbar, ist das Buch noch einmal von vorne, aus komplett gegensätzlicher Perspektive zu lesen. Was auf einer komplizierten Konstruktion fußt, liest sich erstaunlich leicht. Es ist ein großer Wurf des mit 34 Jahren noch jungen philippinischen Debütanten Miguel Syjuco.

Er hat mit dem Erzähler seines Buchs nicht nur den Namen gemein: Beide wuchsen zur gleichen Zeit auf dem pazifischen Archipel auf, beide stammen aus privilegierten Politikerfamilien, haben gleichnamige Geschwister, führen ein illustres Leben, brachen aber mit der Familientradition, studierten an der New Yorker Columbia University und im australischen Adelaide, experimentierten mit Drogen, sind blitzgescheite Schriftsteller. Im Zusammenhang mit seiner ersten deutschen Lesung auf dem Internationalen Literaturfestival in Berlin schilderte Syjuco, welche literarische Konsequenz er daraus gezogen hat: "Da die Erfahrungswelten von Romanheld und Autor deckungsgleich sind, tragen sie auch den gleichen Namen."

Trotzdem ist die Handlung, bei aller Begegnungsfläche mit der faktischen Wirklichkeit, fiktiv. Im Mittelpunkt steht Crispin Salvador, ein 2002 im New Yorker Exil tot aus dem Hudson River geborgener philippinischer Schriftsteller. Wie Syjuco selbst stammt er aus der Schicht der philippinischen Intelligenzija, der "Ilustrado" - so die eitle Selbstbezeichnung der Elite, die dem Roman in der Originalfassung den Titel lieferte.

Salvador ist die Projektion unterschiedlichster Lebensentwürfe: Gleichermaßen Lebemann wie Partisan, bekam er seine Éducation sentimentale in Europa und seinen Ritterschlag im philippinischen Widerstand. Er mordete gegen das Marcos-Regime, war Reporter und Korruptionsbekämpfer, auf Frauenjagd mit dem Playboy Porfirio Rubirosa, lebte in Paris und Madrid und beschrieb seine Erfahrungen in einem Interview für die Paris Review mit den Worten: "Wenn das Leben Dir immer nur Zitronen vorsetzt, dann sag dem Dienstmädchen, es soll Limonade daraus machen." Wie Syjuco distanziert er sich von der dreisten Elite seines Landes und bleibt doch deren Kind. Der junge und der alte Schriftsteller begegneten sich an der Columbia University, wo Salvador bis kurz vor seinem plötzlichen Tod Professor war.

Auf der Suche nach der Ursache für den Tod des Mentors vermutet der Erzähler den Schlüssel in dem gerüchteumwobenen nachgelassenen Werk "The Bridges Ablaze". Mord oder Selbstmord? "Salvador war weder mutig noch feige genug, um seinem Leben selbst ein Ende zu setzen", überlegt Syjuco; die Zeitungen halten dagegen, "Salvador sei zu mittelmäßig gewesen, um einen Mord wert zu sein". Für die Rekonstruktion des biographischen Umfeldes zitiert Syjuco aus allerlei Werken Salvadors. Dazu zählen unterschiedliche Genres: Krimis, Romane, Kurzgeschichten, Essays und die Autobiographie "Autoplagiarist".

Nur wenige Werke Salvadors erscheinen im Roman mit deutschem Titel, darunter der Essay "Es ist schwer, eine Feministin zu lieben". In dieser Beziehung erlaubt sich der Übersetzer Hannes Riffel einen kongenialen Streich. In den fußnotengesäumten Prolog des Romans reiht er sich mit der Anmerkung ein, er gebrauche, da die meisten der Werke noch nicht deutschsprachig erschienen seien, für die Übersetzung des Romans deren im Englischen eingeführte Originaltitel. Leider gleicht er diesen herausragenden Einfall mit dem Fauxpas aus, "What's yours is yours, theirs is theirs" mit "Jedem das Seine" zu übersetzen.

Auch Syjucos Sprache schlingert gelegentlich in seinem formal so grandiosen Romankonstrukt. Generell ist die Wucht der Ideen größer als die sprachliche Intensität. Zuweilen gerät der Erzählton zwischen weltmännischem Understatement und ironischer Großspurigkeit, zwischen moralischem Anspruch und popkulturell geschulter Schlagfertigkeit, zwischen E-Mails und Witzen, Bezügen von Dante und Borges zu Cervantes und Pynchon, etwas aus den Fugen. Aber auch wenn seine Getriebenheit den Autor manchmal die Kurve nur knapp kriegen lässt, bleibt es unanstrengend, ihm zu folgen. Die Gefahr ist bekannt: "Wir müssen so lebendig sein, dass wir etwas in uns abtöten."

En passant fächern sich im Laufe von "Die Erleuchteten" hundertfünfzig Jahre philippinischer Geschichte vor dem Leser auf, von der spanischen Kolonialzeit über die japanische Besatzung bis hin zu terroristischen Separationsbestrebungen. Dabei ist Manila das Herz des Romans, "eine Stadt, die sich in gute Absichten und den tyrannischen Willen zu überleben verheddert". Hier treffen sich Egoisten und Verarmte, Terroristen und Potentaten, es wird getrunken, gefeiert, gekokst, gevögelt und gefeilscht oder aber die Premiere des Septetts von Vinteuil gefeiert - ein Musikstück, das wahrscheinlich seit der Uraufführung in Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" nicht mehr gespielt wurde.

Es ist erstaunlich, wie Syjuco es schafft, bei so viel Erzählsträngen und Schauplätzen den Spannungsbogen nicht zu verlieren. Und auch, wie es ihm gelingt, im Geist der amerikanischen Postmoderne zu kombinieren, ohne epigonenhaft zu wirken. Am Ende wetteifern gar zwei fiktive Autoren um die Geschichte, und die Frage nach dem Tod Salvadors wird gleichsam zu einer formalen: Ist diese Metafiktion ein Roman über das Schreiben eines Romans oder ein Roman über das Schreiben über das Schreiben eines Romans? Wie der einzige Ausweg aus der Komplexität der globalen Zusammenhänge das Abtauchen in den Alltag ist, findet sich der einzige Ruhepunkt innerhalb der formalen Loops beim Tieftauchen in die Lektüre.

Miguel Syjuco: "Die Erleuchteten". Roman.

Aus dem Englischen von Hannes Riffel. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2011. 446 S., geb., 22,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das Romandebüt es 34-jährigen Philippinen Miguel Syjucos liegt hier vor, informiert Rezensentin Astrid Kaminski, und es ist ihrer Ansicht nach "ein großer Wurf". Es beginnt mit dem rätselhaften Tod eines philippinischen Schriftstellers in New York, berichtet Kaminski. Später aber bilde das farbenprächtige und facettenreiche Manila das Zentrum des Romans, und nebenbei erhalte der Leser noch einen Crashkurs in südostasiatischer Geschichte. Besonders hervorhebenswert findet die Rezensentin die hochkomplexe Struktur des Buches, die mit diversen Erzählsträngen, zahlreichen Schauplätzen, Metafiktionen und am Ende gar rivalisierenden Erzählern jongliere. Derlei "formale Loops" - hierzu zählt Kaminski wohl auch die namentliche und auch weitgehend biografische Identität von Hauptfigur und Autor - verlangten nach einer "tieftauchenden" beziehungsweise einer umgehenden Relektüre. Abstriche macht die Rezensentin bei der Sprache Syjucos: Sie "schlingert gelegentlich" und bleibe im Allgemeinen hinter der "Wucht der Ideen" zurück.

© Perlentaucher Medien GmbH