Sie nennen es Essen ...
Aluminiumhaltige Schokolinsen, Plastikhormone in Babynahrung, gefährliche Zitronensäure in Gummibärchen: Was steckt eigentlich im Essen drin, das wir Tag für Tag bedenkenlos zu uns nehmen? Der Nahrungskritiker und Bestsellerautor Hans-Ulrich Grimm geht den kleinen und großen Lügen der Lebensmittelindustrie radikal und schonungslos auf den Grund.
Wussten Sie, dass Erdbeeraroma aus Sägespänen gewonnen wird? Dass der Lack der leckeren Schokolinsen, die Kinder so gerne essen, aluminiumhaltig ist? Und dass Zitronensäure im Brot den Zahnschmelz auflösen kann? Zum ersten Mal gibt es jetzt alle Wahrheiten über die Bestandteile unseres täglichen Essens auf einen Blick: Von A wie Aromastoffe über B wie Bernsteinsäure, von K wie Kartoffelchips bis hin zu Z wie Zusatzstoffe öffnet Hans-Ulrich Grimm uns in über 300 Stichworten die Augen darüber, wie die Lebensmittelindustrie unsere Nahrung manipuliert. Ein Nachschlagewerk, das seinesgleichen sucht, und ein Muss für jeden Haushalt: umfassend, fesselnd, informativ.
Aluminiumhaltige Schokolinsen, Plastikhormone in Babynahrung, gefährliche Zitronensäure in Gummibärchen: Was steckt eigentlich im Essen drin, das wir Tag für Tag bedenkenlos zu uns nehmen? Der Nahrungskritiker und Bestsellerautor Hans-Ulrich Grimm geht den kleinen und großen Lügen der Lebensmittelindustrie radikal und schonungslos auf den Grund.
Wussten Sie, dass Erdbeeraroma aus Sägespänen gewonnen wird? Dass der Lack der leckeren Schokolinsen, die Kinder so gerne essen, aluminiumhaltig ist? Und dass Zitronensäure im Brot den Zahnschmelz auflösen kann? Zum ersten Mal gibt es jetzt alle Wahrheiten über die Bestandteile unseres täglichen Essens auf einen Blick: Von A wie Aromastoffe über B wie Bernsteinsäure, von K wie Kartoffelchips bis hin zu Z wie Zusatzstoffe öffnet Hans-Ulrich Grimm uns in über 300 Stichworten die Augen darüber, wie die Lebensmittelindustrie unsere Nahrung manipuliert. Ein Nachschlagewerk, das seinesgleichen sucht, und ein Muss für jeden Haushalt: umfassend, fesselnd, informativ.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.10.2010Sägespäne gelten als natürliches Aroma
Hans-Ulrich Grimm und Thilo Bode klären den Verbraucher über die Täuschungen der Lebensmittelindustrie auf.
Von Manuela Lenzen
Müllrecycling ist im Prinzip eine gute Sache. Wenn es allerdings um "Abfallfreie Lebensmittelwirtschaft" geht, mit der Hans-Ulrich Grimms Ernährungs-Lexikon beginnt, dreht sich dem Leser doch eher der Magen um. Aus Schlachtabfällen, Blut, Federn und Schweinehäuten basteln Enzyme wie Protamex oder Transglutaminase Schinken oder "zusammengesetzte Steaks". Verkaufen ist schließlich allemal besser als Entsorgungsgebühren bezahlen. Grimm, der mit anderen den Ernährungsinformationsdienst "Dr. Watson - Der Food-Detektiv" betreibt, hat aus seinen früheren Publikationen und neuen Erkenntnissen ein informatives und aufrüttelndes Lexikon über das Essen beziehungsweise das, was wir dafür halten, zusammengetragen. Abkürzungen und Institutionen, Lobbyisten und Genfood-Kritiker, Großunternehmen und Zusatzstoffe: Der Leser, der den Verweisen durch die Artikel folgt, stößt auf immer neue Absurditäten: Massentierhaltung mit Bio-Siegel, Schnitzel aus Erdgas, Eiweiß aus Hühnermist, Flüssigrauch, simulierte Früchte, Hühnerdiesel. In der Parallelwelt der Supermärkte und Tütensuppe hilft Geld, die natürliche Ekelschwelle zu überwinden, so Grimm.
Der Autor zeigt, wie die als "Western Diet" bezeichnete Mischung aus Fertiggerichten, Haltbargemachtem, Vitaminangereichertem, Entfettetem und Überzuckertem hergestellt, vertrieben, beworben und auf nationaler, europäischer und weltweiter Ebene durchgesetzt wird. Coca-Kolonisierung nennt sich der Export der "Western Diet" in alle Welt, der dazu führt, dass die Südseeinsel Nauru, wo Diabetes bis 1954 nahezu unbekannt war, heute die mit 41 Prozent höchste Erkrankungsrate weltweit aufweist.
Die alles entscheidenden Gremien, so erfährt der Leser, tagen hinter verschlossenen Türen: Vom international verbindlichen Codex Alimentarius hat kein Verbraucher je gehört. Dabei ist es die "informelle Weltregierung in Sachen Lebensmittel": Kein Land, das am Welthandel teilnimmt, kann sich seinen Empfehlungen verschließen. Die Nahrungsmittelindustrie gibt in diesem Gremium den Ton an, Verbrauchervertreter kommen nur am Rande vor: Sie stellen drei von 262 Delegierten. Die Schweizer etwa rücken mit fünf Konzernvertretern und zwei Regierungsmitgliedern an. Dass die Empfehlungen stets neutral und wohl begründet sich, versteht sich da von selbst. So darf Erdbeeraroma aus Sägespänen ebenso wie Geflügelaroma aus Fischresten als "natürliches Aroma" bezeichnet werden: Sind Sägespäne und Fischreste etwa nicht natürlich?
Dass es auf nationaler Ebene nicht besser zugeht, kann man in dem nicht minder entlarvenden Buch von Thilo Bode, dem Gründer der Verbraucherorganisation "Foodwatch", nachlesen. Die Lebensmittelbuchkommission, die die "Verkehrsbezeichnungen" von Lebensmitten bestimmt, wird vom Verbraucherschutzministerium einberufen, tagt aber ohne Öffentlichkeit, die Teilnehmer sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, die Protokolle werden unter Verschluss gehalten. Beschlossen wird dort etwa, dass zusammengeklebte Fleischteile "Schinken" heißen dürfen, Schinkenbrote keinen Schinken enthalten und Brote nicht gebacken sein müssen.
Die Gewinnmargen bei Lebensmitteln sinken. Mit Kartoffeln und Haferflocken ist längst kein Vermögen mehr zu machen. Also müssen neue Produkte her und der Verbraucher überzeugt werden, sie zu kaufen. Den Anspruch, gesunde Lebensmittel zu produzieren, hat die Industrie schon lange aufgegeben, meint Bode, Täuschung und Irreführung gehören zum Handwerk. Studien kommen erstaunlicherweise zumeist zum vom Auftraggeber erwünschten Ergebnis, Mietmäuler mit Professorentitel verteidigen ganz nach Bedarf den Nutzen von Glutamat, Vitaminpillen oder Zucker.
Die reichlich verwendeten Zusatzstoffe haben dazu geführt, dass die gesunde menschliche Darmflora heute auf die Rote Liste der gefährdeten Arten gehört. Es wird höchste Zeit, Forscher in die entlegenen Regionen der Welt zu schicken, um festzustellen, wie sie denn einmal ausgesehen hat, bevor die probiotischen Joghurts auch dort ankommen.
Der Konzern Nestlé hat es selbst herausgefunden: 63 Prozent der Menschen macht das Einkaufen von Lebensmitteln keine Freude, und zwar wegen des Widerspruchs zwischen ihren Wünschen und der Einkaufswirklichkeit. Ein guter Grund, die Einkaufswirklichkeit zu verändern, meint Bode. Doch der Kunde hat kaum eine Möglichkeit, die Manipulationen und Wortspielchen der Konzerne zu durchschauen, fügt der Autor hinzu. Die Deklarationen sind oft völlig kryptisch, Glutamat etwa kann sich hinter der nichtssagenden Angabe "Würze" verstecken. Auch bei Bio-Produkten ist der Kunde nicht auf der sicheren und schon gar nicht auf der zuckerfreien Seite.
Besonders übel nehmen beide Autoren die Strategie der Lebensmittelkonzerne, den Kunden die Schuld für die Auswirkungen ihrer Produkte in die Schuhe zu schieben. Es stimmt einfach nicht, dass Kinder sich heute weniger bewegen als früher, so Bode, Erwachsene bewegen sich im Durchschnitt sogar mehr. Dass sie trotzdem immer dicker werden und Diabetes inzwischen zu den großen Seuchen der Menschheit zählt, geht einzig und allein auf die gestiegene Kalorienzufuhr zurück. Die Lebensmittelkonzerne sollten sich schämen, meint Bode. Statt sich scheinheilig für die Sportförderung oder die Rettung des Regenwaldes zu engagieren, sollten sie gesunde Produkte herstellen. Sie präsentieren sich als Teil der Lösung, dabei sind sie das Problem. Sie machen Zucker zu einem Grundnahrungsmittel und zielen dabei rücksichtslos vor allem auf Kinder. Die mögen natürlich Süßes, lieben die bunten Verpackungen, wollen haben, was die anderen auch haben, und müssen möglichst früh auf den genormten Industriegeschmack gebracht werden. Leider besteht eine Milchschnitte aus dreißig Prozent Zucker und siebenundzwanzig Prozent Fett. Die Folgekosten ernährungsbedingter Krankheiten von siebzig Milliarden Euro pro Jahr trägt natürlich der Verbraucher.
Nun gehört zu einem Betrug auch immer einer, der sich mehr oder weniger leicht betrügen lässt. Die Konzerne setzen auf die Naivität der Kunden, betont Bode, doch das Bestreben der Verbraucher, für Lebensmittel möglichst wenig zu bezahlen, spielt in keinem der Bücher eine Rolle. Dabei hat der Vertreter eines Konzerns, den Bode zitiert, so unrecht nicht, wenn er feststellt, dass er statt der "dreisten Mogelpackung", die der Kunde zurzeit in einem Fertig-Pesto finde, natürlich ein richtig gutes italienisches Pesto aus frischem Basilikum, Pinienkernen, Parmesan, Salz, Knoblauch und Olivenöl herstellen könnte. Das würde allerdings zwischen acht und neun Euro kosten und wäre deshalb nicht marktfähig.
Da hilft nur Finger weg vom Fertigfutter, wer braucht schon Fertig-Pesto, Eistee und überzuckerte Frühstücksflocken? Doch selber machen und erst recht selber anbauen kostet Zeit, und zwar zumeist die Frauen. Eigentlich wäre der Verbraucherschutz Sache der Politik, doch von dort ist offenbar nicht viel zu erwarten - die von Bode erhoffte Ampelkennzeichnung wurde kürzlich auf Druck der Lobbyisten abgelehnt.
Da bleibt nur eine Chance: Die ganze riesige Scheinwelt namens Lebensmittelindustrie dreht sich um den Käufer beziehungsweise dessen Geld. Nur er kann den überfälligen Wechsel anschieben. Verbraucherproteste lohnen sich, verspricht Bode. Und Nichtkaufen erst recht.
Hans-Ulrich Grimm: "Die Ernährungsfalle". Wie die Lebensmittelindustrie unser Essen manipuliert. Das Lexikon. Wilhelm Heyne Verlag, München 2010. 528 S., geb., 19,99 [Euro].
Thilo Bode: "Die Essensfälscher". Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen. S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2010. 224 S., br., 14,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hans-Ulrich Grimm und Thilo Bode klären den Verbraucher über die Täuschungen der Lebensmittelindustrie auf.
Von Manuela Lenzen
Müllrecycling ist im Prinzip eine gute Sache. Wenn es allerdings um "Abfallfreie Lebensmittelwirtschaft" geht, mit der Hans-Ulrich Grimms Ernährungs-Lexikon beginnt, dreht sich dem Leser doch eher der Magen um. Aus Schlachtabfällen, Blut, Federn und Schweinehäuten basteln Enzyme wie Protamex oder Transglutaminase Schinken oder "zusammengesetzte Steaks". Verkaufen ist schließlich allemal besser als Entsorgungsgebühren bezahlen. Grimm, der mit anderen den Ernährungsinformationsdienst "Dr. Watson - Der Food-Detektiv" betreibt, hat aus seinen früheren Publikationen und neuen Erkenntnissen ein informatives und aufrüttelndes Lexikon über das Essen beziehungsweise das, was wir dafür halten, zusammengetragen. Abkürzungen und Institutionen, Lobbyisten und Genfood-Kritiker, Großunternehmen und Zusatzstoffe: Der Leser, der den Verweisen durch die Artikel folgt, stößt auf immer neue Absurditäten: Massentierhaltung mit Bio-Siegel, Schnitzel aus Erdgas, Eiweiß aus Hühnermist, Flüssigrauch, simulierte Früchte, Hühnerdiesel. In der Parallelwelt der Supermärkte und Tütensuppe hilft Geld, die natürliche Ekelschwelle zu überwinden, so Grimm.
Der Autor zeigt, wie die als "Western Diet" bezeichnete Mischung aus Fertiggerichten, Haltbargemachtem, Vitaminangereichertem, Entfettetem und Überzuckertem hergestellt, vertrieben, beworben und auf nationaler, europäischer und weltweiter Ebene durchgesetzt wird. Coca-Kolonisierung nennt sich der Export der "Western Diet" in alle Welt, der dazu führt, dass die Südseeinsel Nauru, wo Diabetes bis 1954 nahezu unbekannt war, heute die mit 41 Prozent höchste Erkrankungsrate weltweit aufweist.
Die alles entscheidenden Gremien, so erfährt der Leser, tagen hinter verschlossenen Türen: Vom international verbindlichen Codex Alimentarius hat kein Verbraucher je gehört. Dabei ist es die "informelle Weltregierung in Sachen Lebensmittel": Kein Land, das am Welthandel teilnimmt, kann sich seinen Empfehlungen verschließen. Die Nahrungsmittelindustrie gibt in diesem Gremium den Ton an, Verbrauchervertreter kommen nur am Rande vor: Sie stellen drei von 262 Delegierten. Die Schweizer etwa rücken mit fünf Konzernvertretern und zwei Regierungsmitgliedern an. Dass die Empfehlungen stets neutral und wohl begründet sich, versteht sich da von selbst. So darf Erdbeeraroma aus Sägespänen ebenso wie Geflügelaroma aus Fischresten als "natürliches Aroma" bezeichnet werden: Sind Sägespäne und Fischreste etwa nicht natürlich?
Dass es auf nationaler Ebene nicht besser zugeht, kann man in dem nicht minder entlarvenden Buch von Thilo Bode, dem Gründer der Verbraucherorganisation "Foodwatch", nachlesen. Die Lebensmittelbuchkommission, die die "Verkehrsbezeichnungen" von Lebensmitten bestimmt, wird vom Verbraucherschutzministerium einberufen, tagt aber ohne Öffentlichkeit, die Teilnehmer sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, die Protokolle werden unter Verschluss gehalten. Beschlossen wird dort etwa, dass zusammengeklebte Fleischteile "Schinken" heißen dürfen, Schinkenbrote keinen Schinken enthalten und Brote nicht gebacken sein müssen.
Die Gewinnmargen bei Lebensmitteln sinken. Mit Kartoffeln und Haferflocken ist längst kein Vermögen mehr zu machen. Also müssen neue Produkte her und der Verbraucher überzeugt werden, sie zu kaufen. Den Anspruch, gesunde Lebensmittel zu produzieren, hat die Industrie schon lange aufgegeben, meint Bode, Täuschung und Irreführung gehören zum Handwerk. Studien kommen erstaunlicherweise zumeist zum vom Auftraggeber erwünschten Ergebnis, Mietmäuler mit Professorentitel verteidigen ganz nach Bedarf den Nutzen von Glutamat, Vitaminpillen oder Zucker.
Die reichlich verwendeten Zusatzstoffe haben dazu geführt, dass die gesunde menschliche Darmflora heute auf die Rote Liste der gefährdeten Arten gehört. Es wird höchste Zeit, Forscher in die entlegenen Regionen der Welt zu schicken, um festzustellen, wie sie denn einmal ausgesehen hat, bevor die probiotischen Joghurts auch dort ankommen.
Der Konzern Nestlé hat es selbst herausgefunden: 63 Prozent der Menschen macht das Einkaufen von Lebensmitteln keine Freude, und zwar wegen des Widerspruchs zwischen ihren Wünschen und der Einkaufswirklichkeit. Ein guter Grund, die Einkaufswirklichkeit zu verändern, meint Bode. Doch der Kunde hat kaum eine Möglichkeit, die Manipulationen und Wortspielchen der Konzerne zu durchschauen, fügt der Autor hinzu. Die Deklarationen sind oft völlig kryptisch, Glutamat etwa kann sich hinter der nichtssagenden Angabe "Würze" verstecken. Auch bei Bio-Produkten ist der Kunde nicht auf der sicheren und schon gar nicht auf der zuckerfreien Seite.
Besonders übel nehmen beide Autoren die Strategie der Lebensmittelkonzerne, den Kunden die Schuld für die Auswirkungen ihrer Produkte in die Schuhe zu schieben. Es stimmt einfach nicht, dass Kinder sich heute weniger bewegen als früher, so Bode, Erwachsene bewegen sich im Durchschnitt sogar mehr. Dass sie trotzdem immer dicker werden und Diabetes inzwischen zu den großen Seuchen der Menschheit zählt, geht einzig und allein auf die gestiegene Kalorienzufuhr zurück. Die Lebensmittelkonzerne sollten sich schämen, meint Bode. Statt sich scheinheilig für die Sportförderung oder die Rettung des Regenwaldes zu engagieren, sollten sie gesunde Produkte herstellen. Sie präsentieren sich als Teil der Lösung, dabei sind sie das Problem. Sie machen Zucker zu einem Grundnahrungsmittel und zielen dabei rücksichtslos vor allem auf Kinder. Die mögen natürlich Süßes, lieben die bunten Verpackungen, wollen haben, was die anderen auch haben, und müssen möglichst früh auf den genormten Industriegeschmack gebracht werden. Leider besteht eine Milchschnitte aus dreißig Prozent Zucker und siebenundzwanzig Prozent Fett. Die Folgekosten ernährungsbedingter Krankheiten von siebzig Milliarden Euro pro Jahr trägt natürlich der Verbraucher.
Nun gehört zu einem Betrug auch immer einer, der sich mehr oder weniger leicht betrügen lässt. Die Konzerne setzen auf die Naivität der Kunden, betont Bode, doch das Bestreben der Verbraucher, für Lebensmittel möglichst wenig zu bezahlen, spielt in keinem der Bücher eine Rolle. Dabei hat der Vertreter eines Konzerns, den Bode zitiert, so unrecht nicht, wenn er feststellt, dass er statt der "dreisten Mogelpackung", die der Kunde zurzeit in einem Fertig-Pesto finde, natürlich ein richtig gutes italienisches Pesto aus frischem Basilikum, Pinienkernen, Parmesan, Salz, Knoblauch und Olivenöl herstellen könnte. Das würde allerdings zwischen acht und neun Euro kosten und wäre deshalb nicht marktfähig.
Da hilft nur Finger weg vom Fertigfutter, wer braucht schon Fertig-Pesto, Eistee und überzuckerte Frühstücksflocken? Doch selber machen und erst recht selber anbauen kostet Zeit, und zwar zumeist die Frauen. Eigentlich wäre der Verbraucherschutz Sache der Politik, doch von dort ist offenbar nicht viel zu erwarten - die von Bode erhoffte Ampelkennzeichnung wurde kürzlich auf Druck der Lobbyisten abgelehnt.
Da bleibt nur eine Chance: Die ganze riesige Scheinwelt namens Lebensmittelindustrie dreht sich um den Käufer beziehungsweise dessen Geld. Nur er kann den überfälligen Wechsel anschieben. Verbraucherproteste lohnen sich, verspricht Bode. Und Nichtkaufen erst recht.
Hans-Ulrich Grimm: "Die Ernährungsfalle". Wie die Lebensmittelindustrie unser Essen manipuliert. Das Lexikon. Wilhelm Heyne Verlag, München 2010. 528 S., geb., 19,99 [Euro].
Thilo Bode: "Die Essensfälscher". Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen. S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2010. 224 S., br., 14,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Hans-Ulrich Grimm ist der Herausgeber der Website mit dem sprechenden Namen "Dr. Watson - Der Food-Detektiv". In diesem Buch werden nun die schlimmsten Fakten zum Zustand der industriell gefertigten Speisen, die wir alltäglich zu uns nehmen, versammelt - vom Schinkenzaubermittel Transglutaminase bis zum "Schnitzel aus Erdgas". Empörender noch als die verschleierten Tatsachen ist es jedoch, zu erfahren, so Rezensentin Manuela Lenzen, wie es bei dieser Verschleierung auch noch mit Recht und Gesetz zugeht. Transparenz in den Beurteilungsverfahren nämlich ist kaum je gegeben, die Konzerne haben im Grunde immer und überall die Oberhand. Die Rezensentin teilt sichtlich die Empörung des Autors, man kann nur schließen, dass sie dem Buch weite Verbreitung wünscht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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