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Ausgerechnet am Tag ihrer Silberhochzeit wird Catherine von ihrem Mann vor die Alternative gestellt: "Willst du die Scheidung, oder sollen wir uns nur trennen?" Offenbar hat ihm eine seiner wechselnden Geliebten die Pistole auf die Brust gesetzt. Unbändige Wut, Trauer über den Verlust der gemeinsamen Vergangenheit, Hass auf die eigene Toleranz und Harmoniesucht, die ihrem Mann Karriere und Freiräume aller Art ermöglicht haben, treiben Catherine um. Bis sie nach drei qualvollen Jahren endlich neue Hoffnung schöpft.

Produktbeschreibung
Ausgerechnet am Tag ihrer Silberhochzeit wird Catherine von ihrem Mann vor die Alternative gestellt: "Willst du die Scheidung, oder sollen wir uns nur trennen?" Offenbar hat ihm eine seiner wechselnden Geliebten die Pistole auf die Brust gesetzt. Unbändige Wut, Trauer über den Verlust der gemeinsamen Vergangenheit, Hass auf die eigene Toleranz und Harmoniesucht, die ihrem Mann Karriere und Freiräume aller Art ermöglicht haben, treiben Catherine um. Bis sie nach drei qualvollen Jahren endlich neue Hoffnung schöpft.
Autorenporträt
Françoise Chandernagor, geboren 1945 in Palaiseau (Essonne), lebt in Paris und auf dem Land. Nach einem glänzenden Abschluß der Politikwissenschaften an der Ecole Nationale d'Administration gehörte sie jahrelang zu den wenigen weiblichen Führungskräften des Französischen Verwaltungsgerichts.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2000

Die Männer sind alle Versprecher
Françoise Chandernagor könnte etwas phantasievoller jammern / Von Michael Allmaier

Eine Frau trauert. Das ist der erste Satz dieses Buchs, und er beschreibt gut seinen Inhalt. Die Frau hat ihren Mann verloren. Er hat sie in ein teures Restaurant geführt und dort raten lassen, was an diesem Tag anders an ihm sei. Als sie es nicht erkennen konnte, hat er ihr gezeigt, dass er seinen Ehering nicht mehr trägt. Er wird sie verlassen. Episoden wie diese zu erfinden, gehört zu Françoise Chandernagors Geschäft. Sie schreibt Erfolgsromane.

Auch dieses Werk, das jetzt unter dem Titel "Die erste Frau" in deutscher Übersetzung erschienen ist, firmiert als Roman. Doch nicht nur der Klappentext legt den Eindruck nahe, dass diesmal die Autorin ihre eigene Geschichte erzählt. Die Geschichte ist nicht neu: Ein erfolgreicher Geschäftsmann Mitte fünfzig, hier trägt er den Groschenromannamen Francis Kelly, betreibt nach fünfundzwanzig Jahren die Scheidung von der Mutter seiner vier Kinder, der Schriftstellerin Catherine Lalande. Sie hat ihm nichts mehr zu geben, sie ist rascher gealtert als er, ihm blieb gar nichts übrig, als sich in eine jüngere Frau zu verlieben.

Die Ich-Erzählerin beschreibt nun, wie sie mit der neuen Situation zurechtkommt oder, besser gesagt, wie sie beinahe an ihr zerbricht. Die Vorstellung, dass man sich in Freundschaft trennen kann, wischt sie als Erstes energisch vom Tisch: "Scheidung ist der Tod." Sie schildert alle unerquicklichen Einzelheiten, von denen kein Jungvermählter glaubt, dass sie ihm widerfahren könnten: das kleinliche Gezänk um den gemeinsamen Besitz, den Zerfall des Freundeskreises in Getreue und Verräter, das qualvolle Sichmessen an einer schattenhaften Rivalin, die den eigenen Platz einnimmt.

Die Crux des Verlassenwerdens liegt wohl in der Identität des Räubers mit der Beute: Ein Mensch nimmt sich einem anderen weg. Alle gemeinsamen Erinnerungen stehen in Frage, vor allem dann, wenn sich die Trennung mit unerwarteter Brutalität vollzieht. Interessant ist darum vor allem der Blick auf Francis. Was war so schätzenswert an einem Mann, der eine Kartei seiner Geliebten unterhielt und seine Frau sogar anwies, für sie das Bett herzurichten?

Die Wahrheit dieser Anschuldigungen vorausgesetzt, versucht die Erzählerin sichtlich, Francis Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Sie beschreibt ihn als jungenhaften Charmeur, als Mann der großen Gesten, zugleich aber auch als Egoisten, Sadisten und notorischen Lügner, einen irischen Don Juan. An einer Scheidung seien immer beide schuld, so lässt sie ihn sagen. Dem Leser indes stellt sie den Fall so eindeutig dar, dass man befürchten muss, der Ex-Mann schreibe schon an der Erwiderung.

Der autobiografische Roman ist kein sehr ritterliches Sujet. Er erlaubt es dem Verfasser, nach Kräften auszuteilen, während er selbst vor juristischen wie ästhetischen Einwänden weitgehend geschützt ist. Aber Françoise Chandernagor geht es nicht um Abrechnung. Sie stilisiert Francis nicht zum typischen Mann. Der Erfolg des Buchs in Frankreich rührt wohl eher daher, dass Catherine als typische Frau empfunden wird: typisch für eine Generation, die die sexuelle Befreiung bloß zum Freiwild eines entfesselten männlichen Hedonismus machte und die nach schmerzlichen Erfahrungen nun ihre eigene Naivität beklagt.

Das Buch erzählt in zehn Kapiteln eine Geschichte von Tod und Wiedergeburt: "Ich bin in Trauer", "Ich bin verloren", "Ich bin blind", "Ich bin gebrochen", so heben sie an. Geschildert werden über einen Zeitraum von zwei Jahren die Empfindungen einer empfindungsstarken Frau: "Ich bin verbrannt. Und trotzdem verzehre ich mich noch. Staub? Nein, brennende Fackel! Lodernde Flamme, der die Enttäuschung und Eifersucht immer wieder neue Nahrung geben." Kitsch, sicherlich, aber nicht der kalkulierte Kitsch der billigen Romane, sondern der, der sich nun einmal einstellt, wenn man in Momenten der Kränkung von Rache, Aufopferung oder Vergebung fantasiert. Françoise Chandernagor bannt diese flüchtigen Gemütsregungen auf Papier. Oder, in ihren eigenen Worten: Das Tintenfass ist die Wasserquelle in der Feuersglut ihres Schmerzes.

"Genau wie bei mir", mag die geneigte Leserin sagen. Das ist gewiss etwas wert. Eigene Gefühle gedruckt zu finden stiftet Gemeinschaftsgefühl und erspart das Anlegen eines Tagebuchs. "Die erste Frau" taugt auch als Studie des Selbstbetrugs. Die Erzählerin fällt den üblichen Illusionen anheim. Sie empfindet die ärgste Zerrüttung als einen Moment großer Klarheit. Sie bewertet ihre Entscheidungsschwäche als Leidensfähigkeit und macht aus dem bürgerlichen Trauerspiel eine antike Tragödie, in der sie als die Königin Dido erscheint.

Wer Françoise Chandernagor wohl will, lobt die Aufrichtigkeit, mit der sie ihre Krise dokumentiert. Aber kein Nachwort, kein noch so behutsamer Versuch einer Distanzierung legt den Eindruck nahe, dass sie inzwischen über ihre Erzählerin hinausgewachsen ist. Das Buch verrät nicht, wie man sich für eine Trennung wappnen kann. So bleibt es doch die Zeit, die alle Wunden heilen muss; und man sieht ein, dass sie schneller vergeht, wenn man die schmerzlichsten Stunden mit der Vertiefung in ein dreihundertseitiges Klagelied überbrückt. Wer indes meint, dass auch in Herzensdingen Nachdenken hilfreich sein kann, der mache einen Bogen um dieses Buch.

Françoise Chandernagor: "Die erste Frau". Roman. Aus dem Französischen von Sabine Schwenk. Malik Verlag, München 2000. 319 S., geb., 39,80 DM.

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