Frontmatter -- Vorwort -- Inhaltsverzeichnis -- 1. Einleitung -- 2. Wilhelm Röpkes Vorstellungen einer integrierten Weltwirtschaft -- 3. Röpkes Sicht des Europäischen Integrationsprozesses -- 4. Röpkes Europaentwurf im Vergleich mit ausgewählten Ökonomen seiner Zeit -- 5. Europa aus heutiger Perspektive: Wo hat Röpke Recht behalten, wo hat er sich geirrt? -- Literaturverzeichnis -- Backmatter
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.02.2014Röpkes Europa
Die Modernität des Denkens eines Vaters des Ordoliberalismus
Das Potential des Vermächtnisses, das der deutsche Ökonom Wilhelm Röpke (1899 bis 1966) hinterließ, ist noch keineswegs ausgeschöpft. Trotz der Renaissance seines Denkens in der internationalen wissenschaftlichen Diskussion sind viele seiner Ideen in Vergessenheit geraten. Die breitgefächerte wissenschaftliche Aktivität Röpkes wird durch die Vielzahl seiner Forschungsbereiche deutlich. Dazu gehören Fragen der Konjunktur genauso wie solche zu den methodologischen Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, Fragen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie zur internationalen Ordnung genauso wie solche der Gestaltung einer menschenwürdigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Weiterhin interessant ist auch Röpkes Beschäftigung mit der Wirtschaftsethik und der christlichen Soziallehre.
In den Bereich der Rekonstruktion, Rezeption und Aktualität von Röpkes Auffassungen gehört auch die vorliegende Arbeit Sara Warnekes, die Analyse der sehr zahlreichen Beiträge Röpkes zur europäischen Integration beinhaltet. Nach einer Einleitung stellt die Verfasserin Röpkes Vorstellungen von einer integrierten Weltwirtschaft dar, und sie erläutert, welche Voraussetzungen und internationalen Ordnungskriterien Röpke für notwendig hält, damit es zu einer regionalen beziehungsweise europäischen Wirtschaftsintegration kommen kann. Im dritten Kapitel geht es um Röpkes Kommentare und Vorschläge zum seinerzeit eingeschlagenen Integrationsweg in Europa, also vor allem zur Europäischen Zahlungsunion, zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) sowie zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG).
Auch die Beziehung Frankreichs zu den Vereinigten Staaten wird behandelt, und zwar kritisch. Röpkes Urteil fällt ambivalent aus: Auf der politischen Ebene beurteilt er die Rolle, die die Montanunion und die EGKS für die Integration Europas spielen können, positiv; den wirtschaftlichen Aspekt dieses Integrationsprozesses kritisiert er jedoch. Röpke hält die Ausweitung der EGKS um weitere Mitgliedstaaten für einen Fehler und er zeigt, dass ein Integrationsprozess ohne die Einführung adäquater, unterstützender Maßnahmen wie zum Beispiel Konvertibilität, Festsetzung haltbarer Wechselkurse und Implementierung marktwirtschaftlicher Prinzipien nicht durchführbar ist. In Bezug auf die EWG ist Röpke ebenfalls skeptisch.
Im vierten Kapitel vergleicht Sara Warneke Röpkes Europaentwurf mit den Auffassungen dreier zeitgenössischer Ökonomen: Ludwig Erhard, Alfred Müller-Armack und Friedrich von Hayek. Die Verfasserin arbeitet die Unterschiede zwischen diesen Ökonomen bezüglich des europäischen Integrationsprozesses heraus. Sie tut das, indem sie die theoretische Perspektive Röpkes und Hayeks und die praktische Perspektive Erhards und Müller-Armacks nebeneinander hält. Im fünften und abschließenden Kapitel betrachtet Warneke die Weiterentwicklung dieser Integrationsprozesse und zieht Bilanz. Sie untersucht die Relevanz von Röpkes Ideen am Beispiel der EGKS in der Stahlindustrie und der EWG und analysiert, welche Prognosen Röpkes sich bestätigt haben und welche nicht eingetreten sind. Darüber hinaus interpretiert sie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Vertrag von Lissabon und zur deutschen Begleitgesetzgebung vom 30. Juni 2009 im Lichte der Auffassungen Röpkes. Die Verfasserin zeigt, dass Röpkes Ansätze mit dem Ergebnis des Bundesverfassungsgerichtes kompatibel sind.
Das Buch ist lesenswert, vor allem wegen der akribischen Rekonstruktion von Röpkes Ideen zur wirtschaftlichen und politischen Integration Europas, aber auch wegen der darin enthaltenen Würdigung dieses Ökonomen, dessen Auffassungen nach wie vor aktuell sind. Dabei kommt Röpkes damaliger Ablehnung eines europäischen Bundestaates zentrale Bedeutung zu. Röpke trat für einen dezentralisierten europäischen Staatenbund mit Subsidiaritätsprinzip ein: Europa als Einheit in der Vielfalt brauche ein föderales System. Höchst aktuell wirken auch Röpkes Überlegungen zur kulturgeschichtlichen Bedeutung Europas und zum christlichen Erbe unseres Kontinents. Warneke gelingt es, eine Forschungslücke zu schließen, denn sie leistet mit dieser Arbeit einen wichtigen Beitrag zur in der Forschung eher vernachlässigten Historiographie Röpkes. Sie tut das, indem sie zentrale Aspekte sowohl der auf internationaler wie auch auf europäischer Ebene stattfindenden Integrationsprozesse einbezieht.
Aus dem Denken Röpkes lassen sich für die Ökonomen verschiedene Aufgaben ableiten: das Interesse für die epistemologischen Grundlagen der Wirtschaftswissenschaften zu fördern; in einen umfassenderen Dialog mit anderen Disziplinen einzutreten und eine größere Sensibilität in Bezug auf die ethische und dogmengeschichtliche Dimension der eigenen Disziplin zu entwickeln. Röpke hat stets die Richtungslosigkeit des wirtschaftlichen Denkens kritisiert. Sein Einwand gegen das Modelldenken in der Wirtschaft besteht darin, dass wir verlernen, prinzipiell zu denken und somit die Zusammenhänge mit anderen, über die Wirtschaft hinausreichenden Probleme verlieren könnten. Dieser Einwand ist nach wie vor aktuell.
GIUSEPPE FRANCO
Sara Warneke: Die europäische Wirtschaftsintegration aus der Perspektive Wilhelm Röpkes. Lucius & Lucius. Stuttgart 2013. 311 Seiten. 48 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Modernität des Denkens eines Vaters des Ordoliberalismus
Das Potential des Vermächtnisses, das der deutsche Ökonom Wilhelm Röpke (1899 bis 1966) hinterließ, ist noch keineswegs ausgeschöpft. Trotz der Renaissance seines Denkens in der internationalen wissenschaftlichen Diskussion sind viele seiner Ideen in Vergessenheit geraten. Die breitgefächerte wissenschaftliche Aktivität Röpkes wird durch die Vielzahl seiner Forschungsbereiche deutlich. Dazu gehören Fragen der Konjunktur genauso wie solche zu den methodologischen Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, Fragen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie zur internationalen Ordnung genauso wie solche der Gestaltung einer menschenwürdigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Weiterhin interessant ist auch Röpkes Beschäftigung mit der Wirtschaftsethik und der christlichen Soziallehre.
In den Bereich der Rekonstruktion, Rezeption und Aktualität von Röpkes Auffassungen gehört auch die vorliegende Arbeit Sara Warnekes, die Analyse der sehr zahlreichen Beiträge Röpkes zur europäischen Integration beinhaltet. Nach einer Einleitung stellt die Verfasserin Röpkes Vorstellungen von einer integrierten Weltwirtschaft dar, und sie erläutert, welche Voraussetzungen und internationalen Ordnungskriterien Röpke für notwendig hält, damit es zu einer regionalen beziehungsweise europäischen Wirtschaftsintegration kommen kann. Im dritten Kapitel geht es um Röpkes Kommentare und Vorschläge zum seinerzeit eingeschlagenen Integrationsweg in Europa, also vor allem zur Europäischen Zahlungsunion, zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) sowie zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG).
Auch die Beziehung Frankreichs zu den Vereinigten Staaten wird behandelt, und zwar kritisch. Röpkes Urteil fällt ambivalent aus: Auf der politischen Ebene beurteilt er die Rolle, die die Montanunion und die EGKS für die Integration Europas spielen können, positiv; den wirtschaftlichen Aspekt dieses Integrationsprozesses kritisiert er jedoch. Röpke hält die Ausweitung der EGKS um weitere Mitgliedstaaten für einen Fehler und er zeigt, dass ein Integrationsprozess ohne die Einführung adäquater, unterstützender Maßnahmen wie zum Beispiel Konvertibilität, Festsetzung haltbarer Wechselkurse und Implementierung marktwirtschaftlicher Prinzipien nicht durchführbar ist. In Bezug auf die EWG ist Röpke ebenfalls skeptisch.
Im vierten Kapitel vergleicht Sara Warneke Röpkes Europaentwurf mit den Auffassungen dreier zeitgenössischer Ökonomen: Ludwig Erhard, Alfred Müller-Armack und Friedrich von Hayek. Die Verfasserin arbeitet die Unterschiede zwischen diesen Ökonomen bezüglich des europäischen Integrationsprozesses heraus. Sie tut das, indem sie die theoretische Perspektive Röpkes und Hayeks und die praktische Perspektive Erhards und Müller-Armacks nebeneinander hält. Im fünften und abschließenden Kapitel betrachtet Warneke die Weiterentwicklung dieser Integrationsprozesse und zieht Bilanz. Sie untersucht die Relevanz von Röpkes Ideen am Beispiel der EGKS in der Stahlindustrie und der EWG und analysiert, welche Prognosen Röpkes sich bestätigt haben und welche nicht eingetreten sind. Darüber hinaus interpretiert sie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Vertrag von Lissabon und zur deutschen Begleitgesetzgebung vom 30. Juni 2009 im Lichte der Auffassungen Röpkes. Die Verfasserin zeigt, dass Röpkes Ansätze mit dem Ergebnis des Bundesverfassungsgerichtes kompatibel sind.
Das Buch ist lesenswert, vor allem wegen der akribischen Rekonstruktion von Röpkes Ideen zur wirtschaftlichen und politischen Integration Europas, aber auch wegen der darin enthaltenen Würdigung dieses Ökonomen, dessen Auffassungen nach wie vor aktuell sind. Dabei kommt Röpkes damaliger Ablehnung eines europäischen Bundestaates zentrale Bedeutung zu. Röpke trat für einen dezentralisierten europäischen Staatenbund mit Subsidiaritätsprinzip ein: Europa als Einheit in der Vielfalt brauche ein föderales System. Höchst aktuell wirken auch Röpkes Überlegungen zur kulturgeschichtlichen Bedeutung Europas und zum christlichen Erbe unseres Kontinents. Warneke gelingt es, eine Forschungslücke zu schließen, denn sie leistet mit dieser Arbeit einen wichtigen Beitrag zur in der Forschung eher vernachlässigten Historiographie Röpkes. Sie tut das, indem sie zentrale Aspekte sowohl der auf internationaler wie auch auf europäischer Ebene stattfindenden Integrationsprozesse einbezieht.
Aus dem Denken Röpkes lassen sich für die Ökonomen verschiedene Aufgaben ableiten: das Interesse für die epistemologischen Grundlagen der Wirtschaftswissenschaften zu fördern; in einen umfassenderen Dialog mit anderen Disziplinen einzutreten und eine größere Sensibilität in Bezug auf die ethische und dogmengeschichtliche Dimension der eigenen Disziplin zu entwickeln. Röpke hat stets die Richtungslosigkeit des wirtschaftlichen Denkens kritisiert. Sein Einwand gegen das Modelldenken in der Wirtschaft besteht darin, dass wir verlernen, prinzipiell zu denken und somit die Zusammenhänge mit anderen, über die Wirtschaft hinausreichenden Probleme verlieren könnten. Dieser Einwand ist nach wie vor aktuell.
GIUSEPPE FRANCO
Sara Warneke: Die europäische Wirtschaftsintegration aus der Perspektive Wilhelm Röpkes. Lucius & Lucius. Stuttgart 2013. 311 Seiten. 48 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main