Die politische Elite in der EU versagt. So frißt die Globalisierung den breiten Wohlstand. Wie kann Europa dennoch gerettet werden? Dieses Buch präsentiert überraschende Lösungen.
Brüssel ist ungleich bedeutsamer als Berlin: Vier von fünf wichtigen politischen Entscheidungen, die uns betreffen, fallen in der EU-Hauptstadt – aber durch wen? Hans-Peter Martin, Europa-Rebell und EU-Abgeordneter, zeigt, daß Lobbyisten und Beamte an der Macht sind. Die politische Elite kümmert sich lieber um sich selbst als um den Traum eines fairen, sozialen Europas. Demokratisch ist das nicht, aber teuer. Die Deutschen zahlen für eine EU, die aus den Fugen geraten ist. Viel zu viele und falsche Richtlinien, skandalöse Abläufe, überflüssige Institutionen, eine vorschnelle Osterweiterung, eine untaugliche EU-Verfassung, der Streit um die Türkei – und nie wird das Volk gefragt. Der Autor durchbricht das Tabu, das EU-Kritik in Deutschland aus historischen Gründen oft umgibt. Seine herausfordernde These: Nein zu dieser EU, aber ja zu Europa.
Brüssel ist ungleich bedeutsamer als Berlin: Vier von fünf wichtigen politischen Entscheidungen, die uns betreffen, fallen in der EU-Hauptstadt – aber durch wen? Hans-Peter Martin, Europa-Rebell und EU-Abgeordneter, zeigt, daß Lobbyisten und Beamte an der Macht sind. Die politische Elite kümmert sich lieber um sich selbst als um den Traum eines fairen, sozialen Europas. Demokratisch ist das nicht, aber teuer. Die Deutschen zahlen für eine EU, die aus den Fugen geraten ist. Viel zu viele und falsche Richtlinien, skandalöse Abläufe, überflüssige Institutionen, eine vorschnelle Osterweiterung, eine untaugliche EU-Verfassung, der Streit um die Türkei – und nie wird das Volk gefragt. Der Autor durchbricht das Tabu, das EU-Kritik in Deutschland aus historischen Gründen oft umgibt. Seine herausfordernde These: Nein zu dieser EU, aber ja zu Europa.
Hans-Peter Martins Innenblick des EU-Parlamentarismus
Mit 18 Prozent der Stimmen ist die europakritische "Liste Dr. Martin" des EU-Abgeordneten, Journalisten und Buchautors Hans-Peter Martin bei der Europawahl am 7. Juni in Österreich eindrucksvoll bestätigt worden. Martin kann sich damit das Verdienst zuschreiben, einen weiteren Anstieg der rechtspopulistischen Euroskeptiker in seinem Heimatland verhindert zu haben. Von diesen unterscheidet ihn eine proeuropäische Grundhaltung, die den europapolitischen Quereinsteiger allerdings nicht davon abhält, den Zustand der real existierenden EU umso entschiedener zu geißeln. Neben den Räten und der Kommission, die als Inbegriff des Brüsseler Molochs schon immer eine begehrte Zielscheibe der EU-Gegner abgaben, hat er es dabei insbesondere auf seine Parlamentskollegen abgesehen. Diese werden als "verkommene Elite" bloßgestellt, die sich an üppig fließenden Tagegeldern und Aufwandsentschädigungen hemmungslos bereichere, statt ihrer eigentlichen Arbeit nachzugehen.
Das Problem dieser Kritik liegt nicht darin, dass sie in der Sache völlig falsch wäre. Nachdem der Abgeordnete Martin die skandalträchtigen Auswüchse der Brüsseler Politikfinanzierung in der abgelaufenen Legislaturperiode mutig offengelegt hatte, war es ja das Parlament selbst, das dem "Nestbeschmutzer" recht gab und sich um eine Korrektur der bestehenden Regelungen bemühte. Auch an vielen anderen Stellen trifft der Autor bei der Benennung der Missstände ins Schwarze, wenn er etwa die Intransparenz des Ratssystems oder die Lobbying-Praktiken in der EU beschreibt. Hier bewegt er sich auf dem Terrain des Enthüllungsjournalisten, dessen Insider-Blick den Leser immer wieder erstaunt die Augen reiben lässt. Die Auswege, die Martin "zur Rettung der Demokratie und des Wohlstands" in Europa anbietet, mögen ebenfalls provokativ sein und in ihrer hehren Rhetorik realitätsfremd anmuten; dennoch weisen sie in die richtige Richtung.
Was die Darstellung zu einem ausgesprochenen Ärgernis macht, ist ihre Maßlosigkeit. Indem er einen größtmöglichen Gegensatz zwischen der europäischen Idee und der Wirklichkeit des europäischen Politikbetriebs aufbaut, tappt der Autor geradewegs in die Populismusfalle. Gewiss mag die elitenbasierte Struktur der EU ein Hauptgrund für das leidige Demokratiedefizit sein. In ihr liegt aber auch eine Erklärung für die epochalen Fortschritte des Integrationsprozesses in der Vergangenheit, die in einem volldemokratisierten Entscheidungssystem niemals möglich gewesen wären. Dass die EU eben Frieden, Demokratie und Wohlstand befördert hat, indem sie die Zusammenarbeit zwischen ihren Mitgliedern einerseits vertiefte und sich andererseits von den sechs Gründerstaaten zur heutigen 27er-Gemeinschaft erweiterte, scheint der Autor als historische Selbstverständlichkeit zu nehmen. Wenn die EU tatsächlich so bedrohlich ist, wie der reißerische Untertitel des Buches mutmaßt, stellt sich doch die Frage, weshalb es viele Länder gar nicht eilig genug haben, ihr anzugehören.
Zu den Hauptschuldigen der beklagten Zustände gehören - natürlich! - die Parteien, insbesondere die großen Parteien, in deren "Würgegriff" sich die EU angeblich befindet. Dieses Lamento fügt sich ganz in die Stereotypen der Systemkritik, die uns aus parteienstaatlich verfassten Ländern wie Österreich und Deutschland vertraut sind. Statt das Volk gegen die parteipolitische Klasse in Stellung zu bringen und das Heil reflexhaft in direktdemokratischen Beteiligungsformen zu suchen, sollte Martin eigentlich wissen, dass eine Beseitigung der Übermacht des Rates, die er selbst zu Recht als institutionelles Kernproblem der Union bezeichnet, eine stärkere Parteipolitisierung der europäischen Entscheidungsprozesse geradezu erfordert. Dass dem Autor auch hier jeglicher Sinn für die Ambivalenzen des Integrationsprojektes fehlt, schadet der Wirkung seiner Streitschrift gleich doppelt: Den Proeuropäern hilft es, die vorgetragenen Kritikpunkte nicht allzu wichtig zu nehmen, während die Antieuropäer sich in ihrer generellen Ablehnung der EU bestätigt fühlen können.
FRANK DECKER
Hans-Peter Martin: Die Europafalle. Das Ende von Demokratie und Wohlstand. Piper Verlag, München 2009. 286 S., 18,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Nicht ganz unbekannt sind der Rezensentin Claire-Lise Buis die lauten Töne, die der österreichische Europa-Politiker Hans-Peter Martin anschlägt, wenn es gilt, faule EU-Politiker zu geißeln. Und auch wenn sie seine Auslassungen über das "Inzuchtsystem Brüssel" übelgelaunt, seine Kritikpunkte oft klischeehaft und seine Argumente etwas beliebig findet - von der Hand weisen, meint sie, lassen sich seine Klagen über das Brüsseler Demokratiedefizit keinesfalls.
© Perlentaucher Medien GmbH
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