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Wieso ignoriert China westliche Werte wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte? Warum verhält es sich anderen Staaten gegenüber desto übergriffiger, je stärker seine Wirtschaft wird? Die Antwort darauf steckt in Chinas großer Geschichte und seinem Anspruch, alleinige Supermacht zu sein. Über Jahrtausende hinweg verfügte das Reich der Mitte über das stärkste Militär, die florierendste Wirtschaft und den größten wissenschaftlichen und kulturellen Einfluss in seiner Region. Die Weltgeschichte stellt sich aus Chinas Sicht also völlig anders dar als jene, die den westlichen Kanon bestimmt - und…mehr

Produktbeschreibung
Wieso ignoriert China westliche Werte wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte? Warum verhält es sich anderen Staaten gegenüber desto übergriffiger, je stärker seine Wirtschaft wird? Die Antwort darauf steckt in Chinas großer Geschichte und seinem Anspruch, alleinige Supermacht zu sein. Über Jahrtausende hinweg verfügte das Reich der Mitte über das stärkste Militär, die florierendste Wirtschaft und den größten wissenschaftlichen und kulturellen Einfluss in seiner Region. Die Weltgeschichte stellt sich aus Chinas Sicht also völlig anders dar als jene, die den westlichen Kanon bestimmt - und hieraus speist sich Chinas Verständnis davon, wie man als Supermacht mit Menschen und anderen Staaten umgeht. In diese Position der Stärke will es zurück, nach Jahrzehnten, in denen das Land durch die westliche Kolonialpolitik und den importierten Kommunismus vorübergehend in seine Schranken gewiesen war. Michael Schuman erzählt Chinas komplexe Historie: von großen Dynastien und faszinierenden Persönlichkeiten, epischen Konflikten und einflussreichen Denkern. Er macht deutlich: China hat sich stets als alleinige Weltmacht gesehen, nach der die anderen sich ausrichten. Es geht nicht um die Frage, ob China die Welt wieder beherrscht, sondern wann und wie.
Autorenporträt
Michael Schuman, geboren 1968, studierte Asienwissenschaften, Politik und Internationale Beziehungen. Als Asien-Korrespondent schrieb er 23 Jahre lang für das ¿Wall Street Journal¿ sowie das ¿Time Magazine¿ und veröffentlichte außerdem bei der ¿New York Times¿, der ¿Business Week¿ und ¿Forbes¿. Schuman lebt in Peking.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Jürgen Osterhammel sieht Michael Schuman mit seiner Geschichte Chinas nicht an bisherige Bücher von Kai Vogelsang oder Klaus Mühlhahn heranreichen. Der Autor bemüht viele Quellen, aber nicht genug, meint er, um den Aufstieg Chinas befriedigend zu erklären. Statt für gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen interessiert sich Schuman mehr für das Kriegsgeschehen während der verschiedenen Dynastien, bedauert der Rezensent. Geschichtsphilosophisch liegt er laut Osterhammel zudem voll auf der Linie der Partei. Das Referieren der politischen Geschichte Chinas gelingt allerdings durchaus "leichtfüßig" und "verlässlich", räumt der Rezensent ein.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.07.2021

Nach so viel goldenen Zeitaltern ein noch goldeneres
Michael Schuman schreibt eine Geschichte Chinas und gibt dabei den Primatansprüchen der heutigen chinesischen Führung seinen Segen

Auch wenn das "Global Britain"-Getöse der gegenwärtigen Londoner Regierung, die nuklear aufrüstet und das viktorianische Seehandelsimperium wiederbeleben will, zur starken Konkurrenz um den Rang des vollmundigsten Geschichtsnationalismus geworden ist, bleibt China unter Xi Jinping der Champion historischer Triumphgebärden. Trumps MAGA (Make America Great Again) wäre - wenn es denn als klangvolle Parole taugte - ein ungleich erfolgreicheres MCGA voranzustellen. "Make China Great Again" verlangt nicht, wie in den vergleichbaren Fällen Russlands und der Türkei, die Scherbenhaufen verlorener Imperien mühsam zu kitten. Es genügt, unter der weisen Führung der Kommunistischen Partei in den nur kurz unterbrochenen Normalmodus der eigenen Wir-Geschichte zurückzuschwingen und das zu tun, was man seit mindestens zweitausend Jahren (mehr oder weniger) immer getan hat: einfach "groß" sein.

Xis "chinesischer Traum", mit dem er seine Bevölkerung in niedrigspanniger Dauerelektrisierung zu halten versucht, ist kein utopischer Griff nach nie erreichten Sternen (wie 1958 bis 1961 Mao Tse-tungs "Großer Sprung nach vorn"), sondern ein beruhigendes Kontinuitätsnarrativ: Nach so vielen Goldenen Zeitaltern ist ein noch goldeneres eine fast ausgemachte Sache, sofern die Anstrengung nicht nachlässt. Wer Papier, Porzellan und Schießpulver erfunden hat, dem sollten auch die Durchbrüche der Zukunft gelingen.

Weil in Selbstbewusstsein und Selbstdarstellung des heutigen Chinas so viel gelungene - oder zur Erfolgsserie hochgeredete - Vergangenheit steckt, gibt es jenseits eines kühlen Bildungsinteresses am immer noch Exotischen heißere politische Gründe, sich mit der Geschichte Chinas zu befassen: Was ist dran an der offiziellen Legitimitätsrhetorik, wonach die chinesische Nation ein historisch begründetes Recht besitzt, ihre angestammte Position als weltpolitischer Primus abermals einzunehmen und dabei die letzten Leidensspuren der Vergangenheit - die Heimholung Taiwans wäre der nächste Schritt - zu tilgen? Und eine ganz andere zweite Frage liegt nahe: Wie erklärt sich der "Aufstieg" Chinas vom Tiefpunkt der 1970er-Jahre, der in westlicher Fernbeobachtung vielfach als ein rätselhaftes Naturereignis erscheint, wo er doch eigentlich eine kolossale Bewährungsprobe für die historische Analyse sein sollte?

Michael Schumans Buch ist eine Geschichte Chinas von den Anfängen bis zur Gegenwart, eine "chinesische Weltgeschichte" allerdings nur in dem anspruchslosen Sinne, dass den kriegerischen wie zivilen Außenbeziehungen der verschiedenen kaiserlichen Dynastien besondere Beachtung geschenkt wird. Von einem solch ehrgeizigen Buch wird man Antworten auf beide Fragen erwarten können.

Über die Ursachen des Aufstiegs Chinas erfährt man leider so gut wie nichts. Da bleibt es bei dem richtigen, jedoch bei weitem nicht ausreichenden Hinweis, 1978 und in den Jahren danach habe der damalige oberste Machthaber Deng Xiaoping eine Reihe ebenso korrekter wie folgenschwerer Entscheidungen getroffen: eine der "ausschlaggebenden Wegscheiden in der Menschheitsgeschichte". Woher aber zum Beispiel die Potentiale kamen, die durch Dengs visionären Pragmatismus in ungeahnt produktiver Weise entfesselt wurden, dazu schweigt der Autor, der sich für Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt nur flüchtig interessiert. Stattdessen tischt er ein geschichtsphilosophisches Klischee auf: Heute bestätige sich der "wiederkehrende Zyklus der chinesischen Weltgeschichte". Anders gesagt: China ist nicht kleinzukriegen, nach jedem Rückschlag steigt ein umso prächtigerer Phönix aus der Asche. Von dem langjährigen Asien-Korrespondenten des Wall Street Journals hätte man sich mehr gegenwartsdiagnostischen Scharfsinn versprochen.

Was nun das Grundnarrativ betrifft, mit dem Schuman aus dem Feld der China-Versteher hervorzustechen bemüht ist, so muss er sich um die chinesische Übersetzung seines Buches keine Sorgen machen. Vermutlich aus purem Zufall ist er derselben Ansicht wie die offizielle chinesische Geschichtspropaganda. Seit dem Kaiser Wu der Han-Zeit (reg. 141-87 vor Christus) griff der chinesische Staat immer wieder über das Siedlungsland seiner hanchinesischen Kernbevölkerung hinaus und errichtete mächtige multikulturelle Reiche, die hegemonial ausstrahlten. Das ist eine historische Binsenweisheit. Schuman versetzt ihr den "spin", auf diese Reiche die anachronistische Bezeichnung "Supermacht" anzuwenden, eine Kategorie, die jenseits des nuklearen Patts im Kalten Krieg ziemlich unsinnig ist. Sie bündelt aber die ehrgeizigsten Primatansprüche heutiger chinesischer Politik. Während die Volksrepublik den Terminus "Imperium" (diguo) im Sinne von Lenins Imperialismustheorie stets für feindliche Mächte reserviert hat, kann sie bequem damit leben, selbst als letzte und höchste Inkarnation einer angeblich "ewigen" chinesischen "Supermacht" gefeiert zu werden.

Allerdings nimmt Schuman zwei zaghafte Einschränkungen vor. Zum einen habe China trotz der Bemühungen von über fünfhundert Konfuzius-Instituten auf allen Kontinenten noch nicht wieder jenen kulturellen Glanz erstrahlen lassen, der die Tang-Dynastie im achten Jahrhundert zum Wunder der Welt gemacht habe. Zum anderen bedenkt er Xi Jinping mit dem zweideutigen Kompliment, ihn mit dem Gründer der Ming-Dynastie im vierzehnten Jahrhundert zu vergleichen: einem ebenso erfolgreichen wie brutalen Tyrannen, der zugleich ein engstirniger Fremdenverächter und Abschotter war. Der Großen Mauer des Kaisers Hongwu entspreche Xi Jingpings "Great Firewall" gegen unerwünschte ausländische Einflüsse im Internet.

Schumans Geschichtserzählung bewegt sich leichtfüßig über das Terrain der politischen und militärischen Geschichte und ist im Wesentlichen verlässlich. Der erfahrene Journalist weiß Anekdoten und Pointen geschickt zu platzieren. Im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert verliert er allerdings die Übersicht. Er hat viel gelesen, am Ende aber für eine solch gigantische Aufgabe, wie es eine Gesamtgeschichte Chinas ist, nicht genug. Das Abenteuer der Forschung, die immer wieder neue, aufregende Themen erschließt, will und kann er nicht vermitteln.

Zum Glück herrscht auf dem deutschen Buchmarkt keine China-Not. Kai Vogelsangs "Geschichte Chinas" (F.A.Z. vom 6. Oktober 2012) für die älteren Epochen und Klaus Mühlhahns "Geschichte des modernen China" (F.A.Z. vom 4. Februar 2020) für die Zeit seit dem siebzehnten Jahrhundert behandeln das Thema auf einem Niveau, das für Michael Schuman unerreichbar bleibt. Und immer noch erhältlich ist ein Klassiker aus dem Jahr 1972, "Die chinesische Welt" des französischen Sinologen Jacques Gernet. JÜRGEN OSTERHAMMEL.

Michael Schuman: "Die ewige Supermacht". Eine chinesische Weltgeschichte.

Aus dem Amerikanischen von Norbert Juraschitz. Propyläen Verlag, Berlin 2021. 512 S., geb., 26,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Dieser lehrreiche Blick in Chinas Vergangenheit ist ein Blick in unsere Zukunft." Prof. Dr. Thomas Jäger cicero.de 20210601