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Produktdetails
  • Verlag: Residenz
  • Seitenzahl: 110
  • Abmessung: 12mm x 153mm x 211mm
  • Gewicht: 249g
  • ISBN-13: 9783701711796
  • ISBN-10: 3701711798
  • Artikelnr.: 25118089
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.12.2001

Niemand sollte zuhause bleiben
Elizabeth Bishops Gedichte Von Tobias Döring

Ein Lebenswerk so schmal wie kostbar, so meisterhaft wie unangestrengt: kaum mehr als hundert Gedichte umfaßt ihr OEuvre, dazu Übertragungen aus dem Portugiesischen, Spanischen und Französischen sowie einige Erzählungen und Prosastücke. Ein literarisches Gesamtwerk aber, das jeder Zeile, jeder Silbe fast, durch die dezente Strenge der Beschränkung eine schier suggestive Wirkung abgewinnt. Wie andere Suchtmittel, bemerkte ihr Bewunderer John Ashbery, schaffe diese Lyrik, je öfter man davon probiere, nur immer Hunger auf mehr und verderbe jeden Appetit auf anderes.

Elizabeth Bishop (1911 bis 1979) führte ein bewegtes Leben. Die vielsprachige Amerikanerin lebte in Neuengland, wo sie geboren wurde, in Neuschottland, wo sie bei ihren Großeltern aufwuchs, sowie in Florida und Mexiko, wo sie in den Weltkriegsjahren vorübergehend eine Heimat suchte. Sie reiste durch Europa und Nordafrika und ließ sich schließlich 1951 in Brasilien nieder, wo sie mit ihrer Freundin ein Haus am Amazonas baute. Die literarische Anerkennung, die ihr seit jener Zeit zahlreiche Ehrungen und Preise eintrug, stützte sich meist auf ganz wenige ihrer Gedichte wie "The Fish" oder "In the Waiting Room", schnörkellose Wortdramen von ruhig kontrollierter Wucht. Auf deutsch war Bishops Werk bisher nur sehr vereinzelt zu finden. Der Übersetzerin Margitt Lehbert und dem Residenz Verlag ist nun zu danken, daß erstmals eine reiche Auswahl von knapp der Hälfte ihrer Gedichte in anspruchsvoller Übersetzung vorliegt.

"Ist es ein Mangel an Vorstellungskraft, der uns / an vorgestellte Orte führt, nicht einfach zu Hause bleiben läßt?" Wie bei diesen Zeile aus "Fragen des Reisens" sind es oft Reisereflexionen und die Vorstellung tropischer Landschaften, die sich durch Bishops Texte ziehen. Niemals jedoch erschöpfen sie sich in Exotik oder gefälligem Lokalkolorit. Denn in der Fokussierung auf scheinbar beliebige Details randständiger Lebenswelten, wahrgenommen im Vorübergleiten eines unbestechlich klaren Blicks, gewinnt hier Kontur, was Reiseliteratur sonst immer schon voraussetzt: das beobachtende Subjekt. So bietet das Gedicht "Florida", wie ein früher Rezensent verwundert feststellte, eine lange Reihe disparater Naturnotate, einfach angeordnet und protokolliert, ohne nach tieferer Bedeutung zu fragen. Doch diese schlichte Sprachhandlung hält fest, was das Wort "Lesen" im strikten Sinn bedeutet: etwas auflesen, sammeln, einer Spur folgen.

Den Dingen, Pflanzen oder Tieren, denen dabei die Aufmerksamkeit gilt, wird nie durch symbolische Überhöhung etwas von ihrem Eigenwert, ganz für sich selbst zu stehen, genommen. Und dennoch führen viele der Gedichte - wie beispielsweise "Die Landkarte", der programmatische Auftakt des Bandes - nachdrücklich vor, wie alles Sprachliche immer schon Aneignung vollzieht, weil jede Benennung die Welt in einen kulturellen Horizont einholt: "Diese Halbinseln nehmen das Wasser zwischen Daumen und Finger / wie Frauen, die Stoffe auf ihre Glätte prüfen." Was immer wir also prüfen oder greifen, gerät in den Bann einen Anthropozentrismus, alles Wahrgenommene menschengerecht zuzurichten. Mit subtiler Ironie spielt Bishop dies in dramatischen Monologen wie "Riesenkröte" oder "Verirrter Krebs" aus. Die Landkarte steht daher für unser ständiges Bemühen, eine fremde Wirklichkeit durch Darstellungen zu erschließen, die ihr doch stets nur schemenhaft beikommen.

Die Grundtönung melancholischer Kontemplation wird oft durch überraschend spielerische und ironische Momente aufgehellt. Zudem bieten Bishops Texte in ihrer sprachlichen Gestaltung einen Registerreichtum, der die klassische Formenstrenge der Sestine ebenso selbstverständlich einschließt wie schmiegsame Halbreime oder den lakonischen Erzählton alltagssprachlicher Diktion. Besonders für letzteres findet Margitt Lehbert vielfach stimmige Entsprechungen im Deutschen, die sich dem Vergleich zum englischen Original - das in dieser Ausgabe leider nicht enthalten ist - wohl stellen könnten. Den einprägsamsten von Bishops Gedichten eignet ohnehin ein Überschwang an Nüchternheit, der alles Gestische von Sprache in konkrete Handlung übersetzt: "Ich fing einen enormen Fisch / und hielt ihn neben dem Boot / halb aus dem Wasser, mein Haken / fest im Winkel seines Mauls. / Er kämpfte nicht. / Er hatte gar nicht gekämpft. / Er hing, ein ächzendes Gewicht, / lädiert und ehrwürdig / und unscheinbar." Was weiterhin aus diesem Fischzug folgt - ein Sieg der Farben, ein Augenblick der Niederlage und ein Regenbogen in der Ölpfütze im Boot -, gehört zu den enormen, unscheinbaren Höhepunkten dieses großen, schmalen Bandes. Bleibt zu hoffen, daß bald ihr gesamtes Werk auf deutsch vorliegt.

Elizabeth Bishop: "Die Farben des Kartographen". Gedichte. Ausgewählt und übertragen von Margitt Lehbert. Mit einem Nachwort von Evelyn Schlag. Residenz Verlag, Salzburg 2001. 110 S., geb., 34,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Wilhelm Genazino hat seine Rezension des Buches in zwei klar voneinander getrennt Teile gegliedert: sie besteht aus der Lobpreisung der amerikanischen Lyrikerin Bishop und aus der Klage über diese Auswahl von Gedichten aus vier verschiedenen Lyrikbänden der Autorin. Genazino preist Bishops "wunderbar einfache" Sprache, die weder "hermetisch abgeriegelt" noch rätselhaft sei und schwärmt, die Lyrikerin verwandele ihre Beobachtungen und Gedanken, die vor allem Naturerlebnisse wiedergeben, in einen "Riesenschatz". Der vorliegende Gedichtband allerdings ist für ihn ein einziges Ärgernis, was er um so schlimmer findet, als der Band die erste deutsche Gedichtsammlung der Lyrikerin ist. Er moniert, dass die Auswahl der Gedichte weder begründet noch angegeben wird, welchem Buch sie entnommen sind. Außerdem fehlt zu seiner Entrüstung fast überall die Datierung der Gedichte. Dass dann auch die Übersetzung einige "Holprigkeiten und Entgleisungen" aufweist, enttäuscht ihn zusätzlich, und selbst das Nachwort erweckt seinen Ingrimm, denn er geißelt es als "konzeptloses Durcheinander".

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