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Nach unseren beiden Bestsellern zu dem jüngst bei einer Reihe von Zwangsversteigerungen in Chicago aufgetauchten photographischen Werk der bis zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannten Vivian Maier (1926-2009) legen wir nun einen dritten Sammelband mit ihren unveröffentlichten Farbaufnahmen vor. Das Buch enthält mehr als 150 Photographien und ist nachgerade die direkte, farbige Fortsetzung der Sensation, die die Entdeckung von Vivian Maier in der Geschichte der Photographie ausgelöst hat. Denn auch im Bereich der Farbphotographie, die sich erst ab den 50er Jahren zu ästhetisch-technischer Reife…mehr

Produktbeschreibung
Nach unseren beiden Bestsellern zu dem jüngst bei einer Reihe von Zwangsversteigerungen in Chicago aufgetauchten photographischen Werk der bis zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannten Vivian Maier (1926-2009) legen wir nun einen dritten Sammelband mit ihren unveröffentlichten Farbaufnahmen vor. Das Buch enthält mehr als 150 Photographien und ist nachgerade die direkte, farbige Fortsetzung der Sensation, die die Entdeckung von Vivian Maier in der Geschichte der Photographie ausgelöst hat. Denn auch im Bereich der Farbphotographie, die sich erst ab den 50er Jahren zu ästhetisch-technischer Reife entwickelt hat, erweist sie sich als eine frühe Meisterin. Die Themenkreise, die sie hier behandelt, sind die ihrer schwarzweißen Bilderwelt: Sie findet ihre Motive als Flaneurin in der Großstadt und in ihrer nächsten Umgebung. Portraits von Passanten, Selbstportraits in Spiegeln, Street Photography, Stadtansichten und surreale Stillleben aus Schaufenstern, Ladenfronten und Straßenschildern. Ihre farbigen Bilder überraschen mit außergewöhnlich sicherem Blick für Komposition und Farbgefühl und sind von einer photographischen Geistesgegenwart, die alle Unterschiede aufhebt, die bis dahin die Photogeschichte zwischen der Berufs- und der Amateurphotographie aufgerichtet hat. Man könnte fast von einem "Bildersturm" sprechen, den Vivian Maier mit ihren schöpferischen Erfindungen, ihren Bildern einer Reporterin auf eigene Rechnung auch auf dem Gebiet der Farbphotographie entfacht. Ein Bildersturm, der alle bekannten Autoritäten und Hierarchien hinwegfegt. Joel Meyerowitz, Amerikas berühmtester Farbphotograph, und der Photokritiker Colin Westerbeck haben zur Würdigung des Werks von Vivian Maier einführende Essays beigesteuert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.11.2018

Sage mir, lieber Toaster, wer ich bin

Neues vom Kindermädchen: Diesmal zeigt die Fotografin Vivian Maier die Welt in Farbe.

Von Freddy Langer

Wer Vivian Maier sagt oder ihre Bilder betrachtet, muss an John Maloof denken. Der Immobilienmakler und Amateurstadthistoriker aus Chicago hat 2007 in einem kleinen Auktionshaus mehr als hunderttausend Schwarzweißnegative und Farbdias der bis dahin völlig unbekannten Hobby-Fotografin erworben, hat sie zunächst im Internet veröffentlicht, dann Bücher mit dem Material herausgegeben, parallel Ausstellungen organisiert, sogar einen Film über Vivian Maier gedreht - nachdem es einen anderen schon gab. Und selbst wenn nicht er es gewesen ist, der das medientaugliche Etikett "Die Mary Poppins der Fotografie" erfunden hat, weil Vivian Maier zeitlebens als Kindermädchen angestellt war und man ansonsten nur wenig über sie weiß, und auch nicht er zu bedenken gab, ob die Fotografiegeschichte nun neu geschrieben werden müsse, dürfte Maloof bei der Vermarktung des Materials derlei Überschwang nicht ungelegen gekommen sein. In den Feuilletons zwischen Chicago, New York und Berlin jedenfalls wurden die Aufnahmen mit denen von Diane Arbus und Helen Levitt, Robert Frank und Garry Winogrand verglichen, also den größten eines Genres, für das sich der Begriff Straßenfotografie eingebürgert hat. Es ist die künstlerische Form der Stadtreportage.

Mit den Vergleichen freilich kam das Problem: Waren die Bilder Plagiate, entsprangen sie dem Zeitgeist, war hier ein Genie entdeckt worden - oder hatte John Maloof in Richtung Kunstmarkt geschielt, als er begann, aus der unendlichen Fülle die Motive auszuwählen? In der Fotografie ist das Auswählen, das "editing", nicht weniger wichtig als das Aufnehmen der Bilder selbst. Robert Frank reduzierte für seinen epochemachenden Bildband "Die Amerikaner" seinen Bestand von 25000 Negativen auf 83 Motive. Das nennt man künstlerischen Willen. Vielleicht auch Besessenheit. Es geht darum, das Werk auf seine Essenz zu komprimieren.

Einen gewissen Grad von Fanatismus kann man auch Vivian Maier nicht absprechen. Dafür spricht schon die schiere Zahl ihrer belichteten Filme, von denen sie zweitausend nicht einmal hatte entwickeln lassen. Beim Blättern in den Büchern glaubt man, einen gewissen Blick auf die Welt herauslesen zu können: mit einem ausgeprägten Interesse an spielenden Kindern, schönen Frauen und skurrilen Männern, an den abstrakten Formen von Schatten an Fassaden sowie am eigenen Spiegelbild in Schaufenstern oder auf einer Radkappe. Doch was, wenn es in dem überwältigenden Fundus auch Bilder von schönen Männern gibt und von skurrilen Frauen? Auf einem der Bilder findet sich der Schriftzug "I am Camera" über dem Eingang eines Kinos, und einmal hat sie einen Werbezettel mit dem Satz "Here's a real Eye Opener" auf dem Bürgersteig fotografiert. So etwas muss einem erst einmal auffallen, und womöglich waren die Formulierungen für sie eine Art poetisch verdichteter Selbsteinschätzung.

Nun ist ein weiterer Band erschienen, diesmal Vivian Maiers Farbfotografien gewidmet, ein Aspekt, der bisher nur mit wenigen, allerdings großartigen Beispielen gewürdigt wurde. Umso höher sind die Erwartungen. Doch es wird nicht recht deutlich, nach welchen Kriterien die gut 150 Motive aus dem Bestand von 40 000 Ektachrome-Kleinbilddias ausgewählt wurden. "Vivian Maier war eine Universalphotographin, die sich selbst erschuf und die den Eindruck erweckt, zeitweise in einem Genre, dann wieder in einem gegensätzlichen tätig gewesen zu sein", schreibt Colin Westerbeck in seiner Einleitung. Dann glaubt er eine politische Analyse des Landes zu erkennen, weil Schwarze und Weiße in den Straßen Chicagos aneinander vorbeischauen, und Indizien für eine lesbische Neigung, weil Vivian Maier ein Faible für nackte Schaufensterpuppen entwickelt hatte. Manche Bilder sind zauberhaft, nicht zuletzt der blassen Pastelltöne wegen, die dem Material der Fünfziger eigen waren. Aber kaum schwirren einem die Namen von Fotografen wie Harry Callahan oder Saul Leitner durch den Kopf, wird die Qualität ihrer Arbeit schnell relativiert. Nur die vielen Selbstporträts, die auch hier den Takt vorgeben - als Schatten oder in teils vielschichtigen Spiegelungen, einmal sogar in einem Toaster -, behalten eine magische Anziehungskraft. Dort, wo die Fotografin sich selbst befragt, gerinnt das Geheimnis ihrer Biographie zum Bild.

Vivian Maier: "Die Farbphotographien".

Mit Texten von Joel Meyerowitz und Colin Westerbeck. Verlag Schirmer / Mosel, München 2018. 240 S., Abb., geb., 58,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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