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Produktdetails
  • Verlag: Tropen Verlag
  • ISBN-13: 9783932170966
  • ISBN-10: 3932170962
  • Artikelnr.: 22497968
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.07.2007

Erst das Saufen, dann die Moral
Frank Kelly Rich schreibt ein Handbuch für den modernen Trinker

Bei Texten, die nicht zur Hochkultur zu rechnen sind, nehmen sich die Verlage beim Übersetzen oft erstaunliche Freiheiten heraus. Ein einschlägiges Beispiel ist heute anzuzeigen. Wer genug Amerikanisch versteht, um seinen Chandler im Original zu lesen, der sollte sich "The Modern Drunkard" von Frank Kelly Rich kaufen. Alle anderen müssen mit der Eindeutschung "Die feine Art des Saufens" vorliebnehmen, die gerade im Tropen Verlag erschienen ist.

Auch das ist durchaus noch ein amüsantes Buch. Aber man merkt schon am Titel, dass ein wenig vom ursprünglichen Witz verlorengegangen ist. "Die feine Art des" ist natürlich ein Wortspiel. Mit "The Fine Art of" fangen viele Titel an. Bei Amazon findet man Beispiele wie "The Fine Art of Cunnilingus". Aber das deutsche "Art" hat mit dem englischen "art" nichts zu tun. Was ist dann am deutschen Titel komisch? Das Wort "Saufen" hingegen ist verräterisch ehrlich. Kelly schreibt vornehm und ironisch. Auf Deutsch würde er vom Trinken und nicht vom Saufen reden. Die Übersetzung hingegen ist deutlich vulgärer: kooky stuff - ekelhafte Schweinereien, sucks - ist voll Scheiße, shirt - Unterhose, dull - stinklangweilig, castoffs - räudige Exgenossen.

Auf den ersten Blick hält man das Buch eher für primitiv. Man denkt, das ist wieder eines von diesen witzigen Machwerken, wie sie einst den Eichborn-Verlag groß gemacht haben. Eine banale Idee wird bis zum Exzess übertrieben, und bald kehrt Langeweile ein. Doch das täuscht. Auch aus einem Stein kann man Whiskey pressen, wie das tapfere Schneiderlein aus dem Märchen sicher gern bezeugen würde.

Die Grundidee von Frank Kelly Rich ist einfach. Er liebt ohne jedes schlechte Gewissen die pharmakologische Wirkung des Alkohols, so wie andere Hunde lieben, Gartenarbeit oder Dampflokomotiven. Deshalb hat er vor etwa zehn Jahren die Zeitschrift "Modern Drunkard Magazine" gegründet. Diese war irgendwann so erfolgreich, dass er für den gleichen Leserkreis ein Buch produziert hat. Verwirrend ist vor allem, dass man nicht weiß, wo die Wahrheit aufhört und die Selbstironie anfängt. Wie weit wir mit dem Alkohol gehen, müssen wir jedenfalls selbst entscheiden. Rich gibt uns nicht die kleinste Hilfestellung dabei.

Was den Alkohol betrifft, so ist der Autor mehr ein Gourmand als ein Gourmet. Er propagiert in erster Linie die allgemeine Grundversorgung mit Bier, Wein und Schnaps. Wie schon Paracelsus wusste, ist das Wichtigste die Dosis. Wenn die Dosis kein Problem darstellt, dann ist es natürlich besser, seinen Durst mit Flüssigkeiten aus dem gehobenen Segment zu bekämpfen, jedenfalls so lange, wie man noch einen Unterschied merkt. Die verzweifelte Suche nach der Perfektion, mit der sich beispielsweise viele Weinliebhaber zum Narren machen, ist Rich völlig fremd. Er beschreibt das Trinken als Vergnügen für Millionen und nicht als verbissene Pflichterfüllung einer kleinen Elite.

Dabei unterrichtet er uns durchaus auch in den Sekundärtugenden. Erst kommt das Saufen, dann kommt die Moral. "Sie dürfen sich nur am Schnaps Ihres Zimmergenossen vergreifen, wenn die Flasche bereits geöffnet ist und weniger als fünfundzwanzig Euro gekostet hat." "Schleichen Sie nicht um die Flaschen wie ein Vampir um die Blutbank." "Wenn Sie einen Tisch zerschlagen haben, sollten Sie anbieten, für den Schaden aufzukommen." Im Reich des Bacchus sind die ungeschriebenen Gesetze genauso kompliziert und widersprüchlich wie bei den Eingeborenen von Samoa oder am englischen Königshof. Man kann sich aber glaubhafter auf einen Blackout berufen, wenn man sie ausnahmsweise einmal bricht.

Frank Kelly Rich ist Anfang vierzig. Wenn man sein Handbuch liest, ahnt man, wie viel von dieser Lebenszeit er mit Feldforschung auf lauten Partys und in düsteren Bars verbracht hat. Dabei hat er genau beobachtet und sich erstaunlicherweise auch alles gemerkt. Hinter Sätzen wie den folgenden steht die Erfahrung vieler Nächte: "Die edelste Pflicht des Gastgebers ist es, seine Gäste zu unterhalten, und was gibt es Unterhaltsameres als einen Sturzbetrunkenen, der versucht, den Gastgeber zu spielen?" "Bier macht müde, Champagner albern, Wein melodramatisch und Tequila kriminell."

Der episodische Aufbau des Buches rührt wohl daher, dass Teile des Materials zunächst für die Zeitschrift geschrieben wurden. Eine nützliche Lebenshilfe ist ein Abschnitt wie "22 Anzeichen dafür, dass Sie ein Säufer sein könnten". So etwas kennt man ja aus Blättern wie der Apotheken-Umschau. Hier im Buch schreibt aber jemand, der Ehrfurcht vor Trinkern hat. Mehr in die Richtung eines Studium generale geht Kapitel 6: "Die Geschichte des Alkohols". Hier lernen wir historische Fakten wie König Hammurabis Beitrag zum Lebensmittelrecht kennen: Wer zu dünnes Bier verkauft, soll ertränkt werden.

Was das Buch auszeichnet, ist die liebevolle Art, mit der es verwirklicht wurde. Das gilt auch für die schönen Illustrationen, meist im Stil der fünfziger Jahre. Bei den Bildern im Buch gilt wie bei den Texten, dass der schmale Grat zwischen Wirklichkeit und Parodie kaum zu finden ist. Man ist sich fast sicher, dass man den freundlichen Herrn mit dem kleinen Hellen schon einmal auf einem alten Emailleschild gesehen hat. Wenn er nur etwas weniger benebelt grinsen würde.

ERNST HORST

Frank Kelly Rich: "Die feine Art des Saufens". Ein Handbuch für den modernen Trinker. Aus dem Amerikanischen von Gunter Blank. Tropen Verlag, Berlin 2007. 202 S., Abb., br., 14,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ernst Horst muss sich doch über die deutsche Übersetzung von Frank Kelly Richs "Handbuch für den modernen Trinker", wie es im Untertitel heißt, wundern, zeigt sie gegenüber dem amerikanischen Original doch recht weit reichende Freiheiten. Der Rezensent stellt fest, dass das vorliegende Buch "vulgärer" ist als seine Vorlage, an der er die feine Ironie und die Vornehmheit gerade bei dem eher derben Thema zu schätzen weiß. Denn dem Autor geht es in seinem Leitfaden nicht um den gehobenen Genuss erlesener Spirituosen, sondern ganz grundsätzlich um die Wirkung des Alkohols, so Horst amüsiert. Besonders angetan ist der Rezensent von der schönen Aufmachung des Bandes und seinen Illustrationen, wobei er sich, wie schon beim Text, nie ganz sicher ist, wo die Realität verlassen und ein parodistischer Boden betreten wird. Bei einem hat Horst aber keine Zweifel: die Ratschläge und Beobachtungen dieses Trinker-Leitfadens sind von Rich selbst in jahrelanger Mühe erprobt worden.

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