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Der Beginn der Literatur ist die Erinnerung, ihr Ort ist der Rand der Welt. Die Landschaften Islands und der Färöer Inseln, die in Klaus Böldls Buch in klaren Linien entworfen werden, sind in ihrer scheinbaren Menschenferne doch auch Orte der Erinnerung: Ein Gehöft am Meer, ein ungewöhnlich geformter Felsen werden zum Kristallisationspunkt einer Erzählung, die unversehens in die heidnische Wikingerzeit zurückführt. "Die fernen Inseln" ist kein klassischer Reisebericht, sondern eine poetische Beschwörung der nordatlantischen Inselwelt - ein Buch, in dem die Zeitlosigkeit der Landschaft und die…mehr

Produktbeschreibung
Der Beginn der Literatur ist die Erinnerung, ihr Ort ist der Rand der Welt. Die Landschaften Islands und der Färöer Inseln, die in Klaus Böldls Buch in klaren Linien entworfen werden, sind in ihrer scheinbaren Menschenferne doch auch Orte der Erinnerung: Ein Gehöft am Meer, ein ungewöhnlich geformter Felsen werden zum Kristallisationspunkt einer Erzählung, die unversehens in die heidnische Wikingerzeit zurückführt. "Die fernen Inseln" ist kein klassischer Reisebericht, sondern eine poetische Beschwörung der nordatlantischen Inselwelt - ein Buch, in dem die Zeitlosigkeit der Landschaft und die Geschichten ihrer Bewohner im Medium des Erzählens zu einer magischen Einheit zusammentreten.
Autorenporträt
Klaus Böldl, geboren 1964 in Passau, debütierte 1997 mit dem Roman ¿Studie in Kristallbildung¿. Seither erschienen die Erzählung ¿Südlich von Abiskö, das poetische Reisebuch ¿Die fernen Inseln¿, sein Buch über Passau ¿Drei Flüsse¿ und die Romane ¿Der nächtliche Lehrer¿ und ¿Der Atem der Vögel¿. Für sein literarisches Werk wurde Klaus Böldl mit dem Tukan-Preis, dem Brüder-Grimm-Preis, dem Hermann-Hesse-Literaturpreis sowie dem Friedrich-Hebbel-Preis ausgezeichnet. Er lehrt mittelalterliche skandinavische Literatur an der Universität Kiel.Literaturpreise:Friedrich-Hebbel-Preis 2013
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2003

Die Glut dampft unterm Lesesessel
Reisebericht als Elementargedicht: Klaus Böldls "Ferne Inseln" stoßen ein Fenster zum Himmel auf / Von Heinrich Detering

In einer dieser unscheinbaren Szenen, die sich im Gedächtnis des Lesers verhaken, fällt der Blick des Erzählers auf "ein Fenster am Dorfrand, das gekippt wurde und auf einmal statt der undeutlichen Gestalt dahinter den Wolkenhimmel abbildete". Es ist der Himmel über den Färöerinseln im Nordatlantik, der sich da spiegelt, höher und weiter als sonst irgendwo. "Es gab da ein Muster", fährt der Erzähler fort, "dessen war ich nun sicher, auch wenn ich es noch nicht erkennen konnte." Im Unterschied zu ihm erkennt der Leser das Muster sogleich. Denn es ist dasselbe, dem dieses ganze wundersame Buch folgt; wie sein poetisches Emblem erscheint die Kippfigur. Auch Klaus Böldls Erzählung ist so ein Fenster, das mit einer kleinen, leisen Bewegung zum Spiegel eines Himmels werden kann, in dem das alltägliche Menschenleben beinahe spurlos aufgeht.

"Eine ferne und gleichzeitig traumhaft überdeutliche Inselwelt" schildert Böldl auch in diesem seinem dritten Prosatext: den äußersten Norden Europas, außer den Färöern auch Island und endlich die letzten Siedlungen der grönländischen Ostküste. Traumhaft, das ist ein Schlüsselwort. Wer dem Erzähler im Mittsommerlicht über die endlosen Uferwiesen und die vulkanischen Aschefelder Islands folgt, durch die Felswände der Färöer und endlich ins wie eine Apotheose dieser Welteinsamkeit erscheinende grönländische Eis, der gerät in eine erscheinende Traumsphäre, in der alles möglich und nichts ganz geheuer erscheint, in der das Geheimnisvolle und das Vertraute ineinander übergehen. Überwirklich ist es hier, im doppelten Sinne.

In dieser überscharfen Klarheit, in der die durch nichts getrübte Luft den Landschaftsräumen eine unwirkliche Weite gibt, tauchen zuweilen einsame Figuren auf. Wie in extrem verlangsamten Zeitlupenaufnahmen bewegen sie sich, immer sonderbar schweigsam und fern - die Leute, denen der Wanderer beim Heuwenden zusieht, "jeder so weit vom andern entfernt, daß nichts geredet werden konnte oder mußte", oder, auf der Terrasse eines Zweifamilienhauses, "ein steinaltes Ehepaar völlig reglos vor seinen Kaffeetassen, wie erstarrt im kalten Dunst". Da ist wieder die Kippfigur, verborgen in den Adjektiven. Denn noch ehe das Wort "erstarrt" gefallen ist, sind die beiden Steinalten ja, mit ebendieser Metapher, schon im Begriff, wieder zum Bestandteil des Felsgrundes zu werden, aus dem sie herausgewachsen scheinen, gehen flüchtige Zivilisation und dauernde Natur ineinander über wie der Nebeldunst und der erkaltende Dampf aus den Kaffeetassen. Solche Kleinstereignisse spielen sich hier ab, mehr nicht, und doch so welthaltig wie nur irgendein Romangeschehen.

Weil kein romantisches Wunschbild Böldls Kameraauge besticht, entgeht ihm nichts - der unvergängliche Plastikmüll am Wegrand sowenig wie die Farben des Mooses auf der Landebahn bei Reykjavík. Gerade aus der Konsequenz dieses Hyperrealismus aber entstehen hier vor den Augen des Lesers immer wieder metaphysische Landschaften, so abgründig, so unheimlich und vieldeutig wie nur je ein romantischer Text. Jederzeit können die Perspektiven kippen. Dann wird der Asphalt der aufgegebenen Straßenbauprojekte, die irgendwo in der Einsamkeit enden, geräuschlos "durchbrochen vom seit Jahrmillionen unbeirrbar sich fort und fort arbeitenden Gras", und die Bodenwärme des Lavafeldes dringt herauf aus jener "Glut im Erdinnern, von der uns ja alle nur eine hauchdünne Erdschicht trennt". Wer diesem Wanderer durch seine vier großen Kapitel folgt, wird manchmal sogar eine Ahnung des planetarischen Glutkerns spüren, von dem auch der sichere Lesesessel nur einen Hauch weit entfernt ist.

So einsam Böldls Urlandschaften oft aussehen, sie sind doch seit einem Jahrtausend erfüllt von Stimmen, die nicht zur Ruhe kommen. Wie etwa W. G. Sebalds Ostengland in den "Ringen des Saturn" - mit denen Böldls Buch auch im Rang vergleichbar ist - hallen diese nordischen Gegenden wider von Erinnerungen. Kein Berg, keine Bucht, die nicht irgendwann Schauplätze einer Saga gewesen wären, von Geschichte und Literatur in einem. Das beschriebene ist auch hier ein beschriftetes Land, und diese Schrift ist nicht weniger überwältigend gegenwärtig als die Natur. Da Klaus Böldl ein Kenner und exzellenter Übersetzer dieser altnordischen Dichtung ist, folgt er auch den Schriftspuren, die durch die Landschaften führen. Schöne und rätselhafte Geschichten hat er zu erzählen, von Helden- und Götterkämpfen, von Elfenzauber und Bannflüchen. Ob diese archaischen Welten selbst womöglich aus den alten Handschriften heraufgestiegen sind, mit deren Entzifferung wir den Erzähler manchmal beschäftigt sehen, oder die Mythen der Jahrhunderte aus dem Land, das bleibt hier ebenso in der Schwebe wie die Frage nach dem Verhältnis von Wirklichkeit und Traum. Immer wieder überkommt den Wanderer und mit ihm den Leser das Gefühl eines Déjà-vu, als nehme in den Felsen und Flechten, in Vulkanen und Eisbergen eine traumhaft vorgewußte Welt nur äußere Gestalt an. "Rollende Sphären" hat Thomas Mann diesen Wechseltausch von Mythos und Geschichte, Himmel und Erde genannt. Böldl sieht den Sphären beim Rollen, beim Rollentausch zu und erkundet die Schwindelgefühle, die dieser Anblick auslöst.

Auf die Urgestalt des Geschauten antwortet dieser Schriftsteller mit einer äußersten Sensibilität des Stils. Böldls vielgerühmte Nordland-Erzählungen "Studie in Kristallbildung" und "Südlich von Abisko" standen noch unter dem selbst auferlegten Zwang, die Landschaften am roten Faden einer Geschichte erzählen zu müssen. Befreit vom Zwang zum Plot, in der an Sebald oder Handke erinnernden Mischform aus Essay und Erzählung, wird nun sein Reisebericht zum Elementargedicht. Hätte Handke sein im Spätwerk immer neu proklamiertes Programm einmal verwirklicht und die Welt in ihrer unheimlichen und berückenden Fremdheit sich selbst erzählen lassen - es müßte sich ungefähr so anhören wie Böldls Prosa. Ruhig und gesammelt sind diese manchmal weiten Satzperioden, von strenger und zarter, manchmal spröder Prägnanz und großer Leuchtkraft. Von allen Eindrücken dieses eindringlichen Buches wird keiner dem Leser so lange nachgehen wie der Klang seiner Prosa.

Einmal nur, ganz beiläufig, erwähnt Böldl als Lehrmeister Cézanne, mit dem Diktum, die Farbe sei der Ort, an dem unser Gehirn und das Weltall sich begegnen. Es spricht für die Qualität dieses Buches, daß es dieses Zitat trägt - nicht zuletzt übrigens auch in der Nuanciertheit seiner Farbdarstellungen. Böldls Sainte-Victoire ist der Snaefallsjökull. Am Ende ist auch für den Leser wie für den Reisenden selbst kaum zu entscheiden, "was den stärkeren Eindruck gemacht hat: die von Wirklichkeit strotzenden Dinge oder das wie selten sonst wahrnehmbare Nichts zwischen diesen Dingen, in das man ja irgendwann eingehen wird". Unheimlich sind diese Übergänge vom Realismus ins Metaphysische, aber tröstlich manchmal auch. Vorerst genügt es, sich mit dem Wanderer am Anblick der vier oder fünf Schafe zu freuen, die am Sund zwischen Bordoy und Kalsoy grasen und "bereitwillig dazu einluden, im Licht ihrer unendlich gleichförmigen Existenz auszuruhen". Wer dieser Einladung folgen möchte, sollte Böldls Buch lesen.

Klaus Böldl: "Die fernen Inseln". S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2003. 158 S., geb., 16,90 [Euro].

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Von allen Eindrücken dieses so eindrücklichen Buches wird keiner dem Leser so lange nachgehen wie der Klang seiner Prosa. Frankfurter Allgemeine Zeitung