Paul van Ostaijen war die Leitfigur der flämischen Avantgarde und hinterließ trotz seines kurzen Lebens ein literarisches Werk, das die Moderne in Belgien und den Niederlanden bis heute beeinflußt. Die Feste von Angst und Pein, ein Zyklus von 19 Gedichten, entstand 1918-1921 in Berlin, wo van Ostaijen im prekären Exil lebte. Das Trauma des Ersten Weltkriegs, die politische Verfolgung der flämischen Unabhängigkeitsbewegung, in Deutschland die Gewalt des Spartakusaufstands und seiner blutigen Niederschlagung hatten seinen enthusiastischen Glauben an menschliche Solidarität und eine gerechte Welt zutiefst erschüttert. Existentielle Unsicherheit, Angst und Ohnmacht trieben ihn zur radikalen Absage an die bürgerlicheGesellschaft - und zur radikalen Modernisierung seiner Poetik. Van Ostaijen konzipierte das Kunstwerk neu: als selbständigen Sprachorganismus. Dieser erscheint indes verletzlich und zerrissen wie der Mensch, fragmentarisch wie dessen Bewußtsein. In der gebrochenen Syntax erscheint der Moloch der Großstadt in seiner ganzen Tristesse und Bedrohlich- keit. In ihr gehen Menschen wie Geister um: das Kind und die Hurenwirtin, der Flaneur und der Verbrecher, der Asket und der Aussätzige. Alltag und Natur, Metaphysik und Sinnlichkeit, Technik und Religion werden verknüpft. Von Mallarmé als auch vom Dadaismus beeinflußt, ließ van Ostaijen die Worte ein Eigenleben entwickeln: Seitenbild, Schreibrichtung, Schriftgröße und sogar die Textfarbe gehorchen eigenen Gesetzen. Dieses faszinierende kalligrammatische Experiment, erst 1952 postum erschienen, ist heute eines der einflußreichsten Dichtwerke der flämischen Literatur.