"Drei Theologen tun sich zusammen, um für einen Kollegen die Festschrift zum 60. Geburtstag herauszugeben. Werner Zillig vereint mit viel Humor alle Vorurteile, die die ach so vergeistigten Geisteswissenschaftler und die ach so habgierigen Verleger gegeneinander hegen. Ein fulminantes Feuerwerk!"
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.10.2004Habe nun, ächz!
Alles ganz anders: Werner Zilligs akademischer Schlüsselroman
Leider, lieber Leser, stammt die vorliegende Rezension nicht von uns. Vielmehr spielte uns eine alte Freundin im Spätsommer 2004 das Manuskript mit dieser Buchbesprechung in die Hände. Ihr Lebensgefährte, ein Gelegenheitsjournalist, hatte einen Verriß von Werner Zilligs im akademischen Milieu spielendem Schlüsselroman "Die Festschrift" abgefaßt. Kurz vor dem Abgabetermin verließ den Rezensenten jedoch der Mut. Zu "heiß" sei dem jungen Literaturwissenschaftler der "Stoff" geworden, zu "undurchdringlich" der "Dschungel aus Fakten und Fiktionen".
Besagte Freundin aber fand, "im Endeffekt" träfe der leicht aus dem Ruder gelaufene Artikel doch "ins Schwarze" - und bat uns mit Nachdruck, den Text für den Abdruck zu überarbeiten. Allerdings wolle ihr Freund, um "Komplikationen" zu vermeiden, unter keinen Umständen selbst in der Autorzeile auftauchen. So setzen wir also hier zähneknirschend unseren Namen unter eine Rezension, die - von stilistischen Glättungen abgesehen - gar nicht aus unserer Feder stammt.
Spätestens jetzt, lieber Leser, glauben Sie uns wahrscheinlich kein Wort mehr. Zu dämlich, ja an den Haaren herbeigezogen wirkt die Geschichte mit der alten Freundin und dem zugespielten Manuskript. Geben wir es also gleich zu: Diese Rezension von Zilligs "Festschrift" stammt doch von uns. Und Sie haben ja recht: Herausgeberfiktionen gehören wirklich zu den ältesten Hüten der Literaturgeschichte. Bei der "Insel Felsenburg" oder beim "Doktor Faustus" ging das vielleicht noch in Ordnung - aber inzwischen greift außer schreibenden Hochschuldozenten niemand mehr in diese metafiktionale Trickkiste. Kein Mensch braucht heute onkelhafte, augenzwinkernde Stegreifreden über alte Freundinnen und Manuskripte als Vorwand für eine Geschichte. Auch Sätze wie "Alle Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig" als Hinweise auf den Schlüsselcharakter einer Erzählung gehören verboten. Und wer einem Roman als "kleine intertextuelle Verbeugung" dreizehn ausführliche Motti von Eco bis Wilde in fünf verschiedenen Sprachen voranschickt, der hofft umsonst, daß sich bei diesem pseudobescheidenen Kunststück das Rampenlicht auf ihn richtet.
Wir brauchen wohl kaum noch zu erwähnen, daß der Linguist Werner Zillig, Jahrgang 1949 und nach akademischer Laufbahn in Münster nun Gastprofessor in Innsbruck, das Manuskript zu seinem Schlüsselroman laut Vorwort von einer "alten Freundin" erhielt, deren Mann Bernhard Selig es "ausschließlich für die private Lektüre" verfaßt hatte. Der katholische Theologe beschreibt in seinen Aufzeichnungen das Martyrium bei der Herausgabe einer Festschrift für seinen Doktorvater Fischkirchner, einen Tübinger Gleichnisforscher. Um auch "Die Festschrift" als Gleichnis zu entschlüsseln, braucht es kein Forscherleben: Seligs Passion für die textkritische Arbeit mit "StarWriter 5.1, 6.0a und WP for Windows" findet ihr Gegenstück im Lebenslauf von Zillig, der in Münster EDV-Beauftragter für den Fachbereich Germanistik war. Und ein Blick in die Bibliographie fördert eine von Zillig mitherausgegebene "Festschrift für Franz Hundsnurscher zum sechzigsten Geburtstag" hervor. Hinter dem fiktiven Litter-Verlag und seinem zwangsneurotischen Verleger steckt also der reale Lit-Verlag.
Als von seinen Mitherausgebern verkannter Tagelöhner im Weinberg des Textes kämpft Bernhard Selig allein gegen inkompatible Dateiformate, zu kurze Gedankenstriche und hebräische Sonderzeichen. Trost findet die Inkarnation von verkniffenem Gehorsam und vorauseilender Sklavenmoral nur in der "geheimen Leidenschaft", die "Affen- und Laffenhaftigkeit" der Hochschulwelt zu durchschauen, um sie später - warum gerade dort? - vor der "wissenschaftlichen Öffentlichkeit" zu bezeugen. Selig hält mit seinen Enthüllungen ein apokalyptisches Strafgericht über das universitäre Leben - auch wenn sein biederer Sprachgestus und sein jovialer Humor selbst in Professorenbriefwechseln kaum für ein Stirnrunzeln sorgen würden.
Während der erste Teil des Buches die Adventszeit der Festschrift in quälender Weise ins Endlose dehnt ("Ende 1998 wurde auch das Verlagsproblem einer Lösung ein gutes Stück nähergebracht") und Selig allenfalls durch "eine Welle agapeischer Zuneigung" zur weiblichen Hilfskraft für Sekunden aus seinem Dienst am Doktorvater gerissen wird, hält der zweite Teil eine sündige Belohnung für die Kärrnerarbeit bereit. Als Göttin aus der Maschine taucht die bildschöne Italianistin Manjo Monteverdi auf, um dem dreiundvierzigjährigen Priester gleich nach dem Kennenlernen - "Kommen Sie noch mit auf einen Kaffee!" - in ihrem Apartment ihren Lieblingscocktail zu mixen und die Unschuld zu rauben.
In der Wohnung seiner Maria Magdalena entdeckt der akademische Schmerzensmann, Gipfel der intertextuellen Albernheit, dann auch noch einen Erzählband seines Herrn und Schöpfers Werner Zillig. Und im Moment seiner Verführung denkt der bald schon ehemalige Theologe allen Ernstes daran, "wie leicht und selbstverständlich-humorvoll David Lodge immer solche Situationen beschreibt". Zum Glück, und hier möchten wir dann doch für den Linguisten in die Bresche springen, stammt sein nicht allein im theologischen Sinn leicht verfehlter Campusroman nicht nur nicht von Lodge. Er stammt auch nicht von Zillig. Der ist ja, siehe oben, nur der Herausgeber.
ANDREAS ROSENFELDER.
Werner Zillig: "Die Festschrift". Ein Roman. Verlag Klöpfer und Meyer, Tübingen 2004. 214 S., geb., 19,50 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Alles ganz anders: Werner Zilligs akademischer Schlüsselroman
Leider, lieber Leser, stammt die vorliegende Rezension nicht von uns. Vielmehr spielte uns eine alte Freundin im Spätsommer 2004 das Manuskript mit dieser Buchbesprechung in die Hände. Ihr Lebensgefährte, ein Gelegenheitsjournalist, hatte einen Verriß von Werner Zilligs im akademischen Milieu spielendem Schlüsselroman "Die Festschrift" abgefaßt. Kurz vor dem Abgabetermin verließ den Rezensenten jedoch der Mut. Zu "heiß" sei dem jungen Literaturwissenschaftler der "Stoff" geworden, zu "undurchdringlich" der "Dschungel aus Fakten und Fiktionen".
Besagte Freundin aber fand, "im Endeffekt" träfe der leicht aus dem Ruder gelaufene Artikel doch "ins Schwarze" - und bat uns mit Nachdruck, den Text für den Abdruck zu überarbeiten. Allerdings wolle ihr Freund, um "Komplikationen" zu vermeiden, unter keinen Umständen selbst in der Autorzeile auftauchen. So setzen wir also hier zähneknirschend unseren Namen unter eine Rezension, die - von stilistischen Glättungen abgesehen - gar nicht aus unserer Feder stammt.
Spätestens jetzt, lieber Leser, glauben Sie uns wahrscheinlich kein Wort mehr. Zu dämlich, ja an den Haaren herbeigezogen wirkt die Geschichte mit der alten Freundin und dem zugespielten Manuskript. Geben wir es also gleich zu: Diese Rezension von Zilligs "Festschrift" stammt doch von uns. Und Sie haben ja recht: Herausgeberfiktionen gehören wirklich zu den ältesten Hüten der Literaturgeschichte. Bei der "Insel Felsenburg" oder beim "Doktor Faustus" ging das vielleicht noch in Ordnung - aber inzwischen greift außer schreibenden Hochschuldozenten niemand mehr in diese metafiktionale Trickkiste. Kein Mensch braucht heute onkelhafte, augenzwinkernde Stegreifreden über alte Freundinnen und Manuskripte als Vorwand für eine Geschichte. Auch Sätze wie "Alle Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig" als Hinweise auf den Schlüsselcharakter einer Erzählung gehören verboten. Und wer einem Roman als "kleine intertextuelle Verbeugung" dreizehn ausführliche Motti von Eco bis Wilde in fünf verschiedenen Sprachen voranschickt, der hofft umsonst, daß sich bei diesem pseudobescheidenen Kunststück das Rampenlicht auf ihn richtet.
Wir brauchen wohl kaum noch zu erwähnen, daß der Linguist Werner Zillig, Jahrgang 1949 und nach akademischer Laufbahn in Münster nun Gastprofessor in Innsbruck, das Manuskript zu seinem Schlüsselroman laut Vorwort von einer "alten Freundin" erhielt, deren Mann Bernhard Selig es "ausschließlich für die private Lektüre" verfaßt hatte. Der katholische Theologe beschreibt in seinen Aufzeichnungen das Martyrium bei der Herausgabe einer Festschrift für seinen Doktorvater Fischkirchner, einen Tübinger Gleichnisforscher. Um auch "Die Festschrift" als Gleichnis zu entschlüsseln, braucht es kein Forscherleben: Seligs Passion für die textkritische Arbeit mit "StarWriter 5.1, 6.0a und WP for Windows" findet ihr Gegenstück im Lebenslauf von Zillig, der in Münster EDV-Beauftragter für den Fachbereich Germanistik war. Und ein Blick in die Bibliographie fördert eine von Zillig mitherausgegebene "Festschrift für Franz Hundsnurscher zum sechzigsten Geburtstag" hervor. Hinter dem fiktiven Litter-Verlag und seinem zwangsneurotischen Verleger steckt also der reale Lit-Verlag.
Als von seinen Mitherausgebern verkannter Tagelöhner im Weinberg des Textes kämpft Bernhard Selig allein gegen inkompatible Dateiformate, zu kurze Gedankenstriche und hebräische Sonderzeichen. Trost findet die Inkarnation von verkniffenem Gehorsam und vorauseilender Sklavenmoral nur in der "geheimen Leidenschaft", die "Affen- und Laffenhaftigkeit" der Hochschulwelt zu durchschauen, um sie später - warum gerade dort? - vor der "wissenschaftlichen Öffentlichkeit" zu bezeugen. Selig hält mit seinen Enthüllungen ein apokalyptisches Strafgericht über das universitäre Leben - auch wenn sein biederer Sprachgestus und sein jovialer Humor selbst in Professorenbriefwechseln kaum für ein Stirnrunzeln sorgen würden.
Während der erste Teil des Buches die Adventszeit der Festschrift in quälender Weise ins Endlose dehnt ("Ende 1998 wurde auch das Verlagsproblem einer Lösung ein gutes Stück nähergebracht") und Selig allenfalls durch "eine Welle agapeischer Zuneigung" zur weiblichen Hilfskraft für Sekunden aus seinem Dienst am Doktorvater gerissen wird, hält der zweite Teil eine sündige Belohnung für die Kärrnerarbeit bereit. Als Göttin aus der Maschine taucht die bildschöne Italianistin Manjo Monteverdi auf, um dem dreiundvierzigjährigen Priester gleich nach dem Kennenlernen - "Kommen Sie noch mit auf einen Kaffee!" - in ihrem Apartment ihren Lieblingscocktail zu mixen und die Unschuld zu rauben.
In der Wohnung seiner Maria Magdalena entdeckt der akademische Schmerzensmann, Gipfel der intertextuellen Albernheit, dann auch noch einen Erzählband seines Herrn und Schöpfers Werner Zillig. Und im Moment seiner Verführung denkt der bald schon ehemalige Theologe allen Ernstes daran, "wie leicht und selbstverständlich-humorvoll David Lodge immer solche Situationen beschreibt". Zum Glück, und hier möchten wir dann doch für den Linguisten in die Bresche springen, stammt sein nicht allein im theologischen Sinn leicht verfehlter Campusroman nicht nur nicht von Lodge. Er stammt auch nicht von Zillig. Der ist ja, siehe oben, nur der Herausgeber.
ANDREAS ROSENFELDER.
Werner Zillig: "Die Festschrift". Ein Roman. Verlag Klöpfer und Meyer, Tübingen 2004. 214 S., geb., 19,50 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Andreas Rosenfelder nimmt bei seinem Verriss dieses "Campusromans" von Werner Zillig kein Blatt vor den Mund. Schon die Rahmenfiktion, in der sich der Autor lediglich als Herausgeber des Romans ausgibt, dem ihn irgendeine "alte Freundin" zugespielt haben soll, bezeichnet der Rezensent als einen der "ältesten Hüte" der Literatur und er findet zudem, dass Hinweise auf rein zufällige Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen als Indiz für den "Schlüsselcharakter" des Buches "verboten gehören". Die 13 Motti vor den Kapiteln "in fünf verschiedenen Sprachen" entlarvt Rosenfelder dann auch gnadenlos als "pseudobescheidenes" Gebaren Zilligs und meint, dass dies kein geeignetes Mittel sei, ins "Rampenlicht" zu treten. Der Roman beschreibt die mühsame Arbeit des katholischen Theologen Bernhard Selig, eine Festschrift für seinen Doktorvater herauszugeben, der zweite Teil lässt dem Protagonisten "Erlösung" zuteil werden in Gestalt der "bildschönen" Italianistin Manjo Monteverdi, die dem Theologen schließlich seine "Unschuld raubt", fasst der Rezensent zusammen. Als den "Gipfel der "intertextuellen Albernheiten" geißelt Rosenfelder, dass Selig in Monteverdis Bücherregal ausgerechnet ein Buch von Zillig entdeckt und so kommt er zu dem Schluss, dass dieser Roman "nicht allein im theologischen Sinn leicht verfehlt" ist.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH