Produktdetails
- Verlag: Hoffmann Und Campe
- 1995.
- Abmessung: 16 x 22, 5 cm
- Gewicht: 1517g
- ISBN-13: 9783455007336
- ISBN-10: 3455007333
- Artikelnr.: 08349211
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.05.1995Der Alte und das Mehr
Buchheims Festung - Eine Rezensentenkapitulation
Unter großem Mediengetöse und rechtzeitig zum 8. Mai hat Lothar-Günther Buchheim "Das Boot" zum zweiten Mal vom Stapel gelassen. Getauft ist es diesmal auf den Namen "Die Festung", erschienen im Verlag Hoffmann und Campe. Und da nun einmal besprochen werden muß, was mit hoher Bugwelle durch die Blätter rauscht, wollten wir gleich die Rezension hierher setzen, die 1973 in dieser Zeitung zum "Boot" erschien. Viel Falsches über die "Festung" hätte man damit nicht gesagt. Denn Seegang oder Landgang, das bleibt sich bei Buchheim ziemlich gleich. Aber da halten wir inne, denn wie hat sich Buchheim beim Schreiben der "Festung" gequält, zwanzig Jahre lang, alles genau erinnert, das hat ihm ein fleißiger Rezensent schon bestätigt. Nur zwei kleine Fehler wurden gefunden: der Name eines Nachtclubs in Paris ist nicht ganz korrekt, und bei La Palice mündet nicht die Gironde, sondern die Charente. Sonst alles authentisch, der wirkliche Krieg. Da muß es denn auch eine ganz authentische Rezension sein, für uns Heutige, daß niemand sagen kann, die Jungen hätten nicht lesen wollen und pflegten statt dessen ihre Vorurteile.
Der Ich-Erzähler, vulgo Buchheim, erlebt 1944 als Kriegsberichterstatter an der französischen Atlantikküste den aussichtslosen Kampf der deutschen U-Boot-Flotte gegen die alliierte Seehoheit. Die Feindfahrten mit U 96 vom Stützpunkt La Baule sind ungemütlich, aber Buchheim vertraut auf See seinem väterlichen Freund, dem Kommandanten des U-Bootes, der stets "der Alte" genannt wird. An Land hingegen genießt er die erotische Kollaboration der Französin Simone. Dieses Idyll geht zu Ende, als "der Alte" zum Flotillenchef in Brest befördert und Buchheim selbst nach Berlin zitiert wird. Nun muß einiges durchgestanden werden: das zerbombte Berlin, die Partei- und Militärchargen, allen voran Großadmiral Dönitz, den Buchheim kein Jahr vor Kriegsende auch schon als überzeugten Nationalsozialisten durchschaut.
Unser hellsichtiger Kriegsberichterstatter, der schließlich über München und Paris nach Brest zum "Alten" zurückkehrt und dann mitten in die alliierte Invasion gerät und auch noch die unter Spionageverdacht festgenommene Simone finden will, muß auf Grund seiner Position viel gesehen und gehört haben, von den Kriegsfronten, vom Widerstand, von der Zivilbevölkerung in Deutschland, vom Verhältnis zwischen Militär und Partei und nicht zuletzt vom Innenleben der Propagandastäbe. Und er muß eine Fülle von Aufzeichnungen aus den Kriegsjahren besitzen und darüber hinaus im Krieg ständig an die Nachkriegszeit gedacht haben.
Buchheim versucht, soviel Material wie möglich zu bewahren, "gute" Fotos und alle möglichen Erlebnisse. Denn "da sind schließlich tolle Sachen für später dabei", läßt er den Leser gleich auf der ersten Seite seines Romans wissen und: "Mein Fotoapparat - ein Sesam-öffne-dich." Schön wär's. Auf Seite 1109 fällt ihm selbst auf: "Ich ertappe mich dabei, wie ich vor mich hin brabbele." Buchheim war so freundlich, über den ganzen Text solche diskreten Hinweise zur Beurteilung seines Romans zu verstreuen: "Den ganzen Kopf voller Sprüche!" oder: "Meine Gedankenmühle ist wieder einmal in der falschen Laufrichtung in Betrieb und mahlt auch noch weiter . . ." Damit ist das Problem genau getroffen. Zwar beziehen sich diese Sätze allesamt auf Buchheims Situation im Jahr 1944, sie sind aber auch fünfzig Jahre später nicht von der Hand zu weisen.
Der Roman besteht, sieht man von der dürftig gestalteten Rahmenhandlung ab, überwiegend aus "Routinedialogen", Palavern, Zoten und Bordellgeschichten. "Die Festung" ist das imposante Gegenteil von literarischer Verdichtung. Ein endloser innerer Monolog, in dem die Außenwelt nur als Funktion der Innenwelt auftaucht. So liest man die rund fünfzehnhundert Seiten über den schrecklichsten aller Kriege und ist kaum je ergriffen oder auch nur berührt. Einmal trifft Buchheim in Zivilkleidung auf einen langen Zug von KZ-Häftlingen. Die Häftlinge bitten ihn flüsternd um Zigaretten, aber Buchheim ist Nichtraucher und kann ihnen nichts geben. Es bleiben selbst solche Szenen unerheblich, gleichgültig und für den Erzähler folgenlos. Als Maler müßte Buchheim wissen, daß malen und abpausen nicht ganz das gleiche ist. Und der Zweite Weltkrieg kann nichts gewesen sein, das man wie von der Tafel der Erinnerung einfach abschreibt. Es reicht eben nicht, dabeigewesen zu sein, soll der Krieg nach fünfzig Jahren etwas von sich preisgeben, das man nicht schon aus Augenzeugenberichten und Dokumenten, Erinnerungen, historischen und literarischen Werken kennt. So leicht ist Wahrhaftigkeit und Wirklichkeit nicht herzustellen.
Auch dem ideologischen Krieg wird Buchheim nicht gerecht. Daß "der Alte" auf der Hut ist und offiziell anders spricht als unter vier Augen, das macht wohl nicht deutlich, was der Überzeugungsterror, was Denunziationen und eine ideologische Gerichtsbarkeit für das Leben der Zivilisten und Soldaten bedeutet haben mögen. Zwar erfährt man, mit welchen Mitteln die Gestapo arbeitete, um Peter Suhrkamp in Haft zu nehmen. Das alles wirkt bei Buchheim allerdings mehr wie ein Räuber-und-Gendarm-Spiel. Es ist dieser immer gleich laute Rabaukenton, dieser forcierte Landsknechtjargon, der jede Erfahrung durch einen Spruch oder einen Fluch übertönt. Das Buch bleibt kalt. Die Schilderung des zerbombten Berlin oder die ein oder andere halbwegs gelungene Kriegsszene ändern daran nichts.
Vielleicht aber legt man falsche Maßstäbe an. Vielleicht wollte Buchheim den Krieg "von unten" aus der Sicht des einfachen Soldaten schildern, ohne jeden literarischen und epochalen Anspruch. Als "Verdauungsobsession", wie er selbst einmal schreibt. Oder wollte er der Remarque des Zweiten Weltkriegs werden? Hat er sich ein Beispiel an Hans Hellmut Kirst nehmen wollen, seinem Nachbarn in Feldafing, und dessen Trilogie "08/15"? Was immer es gewesen sein mag, funktioniert hat es nicht. Der Grund dafür ist einfach: typisch bei Buchheim ist nur Buchheim.
"Ich, Buchheim" wäre der richtige Titel für das Buch gewesen, in dem für den Leser alles so echt und lebendig wie ein Abziehbildchen wirkt - vorausgesetzt, man hat bei der endlosen Lektüre noch einen Rest von Unterscheidungsvermögen bewahrt. Wenn nicht ab und zu geschossen würde, könnte man sonst glauben, man folge den Spuren eines fidelen Kegelbruders, dem die Gespielin im Vollrausch abhanden gekommen ist. Bei einem Teil der Rezensenten muß das Buch jedenfalls zu vorübergehenden Bewußtseinstrübungen geführt haben; die Dauerberieselung war immerhin lang und intensiv genug, daß mancher den Vergleich mit "Krieg und Frieden" anzubahnen versuchte. Tatsächlich ist das wirklich interessante an diesem Fall die überaus wohlwollende bis hymnische Aufnahme, die der Roman bei der Kritik gefunden hat. Man tut gerade so, als habe Buchheim das Genre des pazifistischen Kriegsromans erfunden. Womöglich kennt die Literaturkritik die älteren Kriegsromane nicht, weil die Gattung nicht viel gilt. Wer etwa sagen kann, er habe Jüngers "Stahlgewitter" gelesen oder doch eine Meinung darüber, gilt schon als Kenner. Als ob es eine neue Einsicht wäre, daß der Krieg dreckig, gemein und grausam zu sein pflegt, wird Buchheim dafür gelobt, daß er ohne Kunst den Krieg dreckig, gemein und grausam nennt und sich doch wacker hält. Hier gibt es offenbar einen Kriegshelden zu bewundern, wie man ihn in der Bundesrepublik gern sieht. Pazifistisch gesinnt, ein "Opfer", aber eben eines, das noch einmal davonkommt. Für die ältere Generation ein paar herzhafte Feindberührungen, für die Jüngeren ein bißchen Sex and crime und alles in allem eine ziemlich schamlose Kriegsverharmlosung. Ein Kritiker vermutet, daß Buchheim nicht für seine Bücher, sondern für sein unkonventionelles Verhalten geliebt werde, als letzter Unangepaßter. Tatsächlich aber paßt der Egomane Buchheim ausgezeichnet ins gesellschaftliche Bild der Bundesrepublik.
In einer kleinen Vorbemerkung macht Buchheim die Leser darauf aufmerksam, daß die Ereignisse, die hier geschildert sind, authentisch seien, die Personen hingegen mehr oder weniger erfunden. Nur, außer dem "Alten", der schemenhaft genug ist, der Französin Simone, die allenthalben als erotische Phantasie auftaucht, und Buchheim selbst gibt es in diesem Roman keine erkennbaren Personen. Die Welt des Lothar-Günther Buchheim ist menschenleer und der Krieg ein Naturereignis. So sieht es aus, wenn ein literarischer Autist den Zweiten Weltkrieg erlebt. Jeder ist sich selbst der Nächste. Wenn es diese Botschaft ist, die insgeheim gefeiert wird, dann hält das Buch dieser Gesellschaft auf unerwartete Weise doch noch den Spiegel vor. Buchheim soll übrigens noch ein paar tausend Manuskriptseiten in Reserve haben, gewissermaßen als verfügbare Manövriermasse für eine Trilogie. Da geht es uns wie dem Autor am Ende des Romans. Uns wird schwarz vor Augen. MICHAEL JEISMANN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Buchheims Festung - Eine Rezensentenkapitulation
Unter großem Mediengetöse und rechtzeitig zum 8. Mai hat Lothar-Günther Buchheim "Das Boot" zum zweiten Mal vom Stapel gelassen. Getauft ist es diesmal auf den Namen "Die Festung", erschienen im Verlag Hoffmann und Campe. Und da nun einmal besprochen werden muß, was mit hoher Bugwelle durch die Blätter rauscht, wollten wir gleich die Rezension hierher setzen, die 1973 in dieser Zeitung zum "Boot" erschien. Viel Falsches über die "Festung" hätte man damit nicht gesagt. Denn Seegang oder Landgang, das bleibt sich bei Buchheim ziemlich gleich. Aber da halten wir inne, denn wie hat sich Buchheim beim Schreiben der "Festung" gequält, zwanzig Jahre lang, alles genau erinnert, das hat ihm ein fleißiger Rezensent schon bestätigt. Nur zwei kleine Fehler wurden gefunden: der Name eines Nachtclubs in Paris ist nicht ganz korrekt, und bei La Palice mündet nicht die Gironde, sondern die Charente. Sonst alles authentisch, der wirkliche Krieg. Da muß es denn auch eine ganz authentische Rezension sein, für uns Heutige, daß niemand sagen kann, die Jungen hätten nicht lesen wollen und pflegten statt dessen ihre Vorurteile.
Der Ich-Erzähler, vulgo Buchheim, erlebt 1944 als Kriegsberichterstatter an der französischen Atlantikküste den aussichtslosen Kampf der deutschen U-Boot-Flotte gegen die alliierte Seehoheit. Die Feindfahrten mit U 96 vom Stützpunkt La Baule sind ungemütlich, aber Buchheim vertraut auf See seinem väterlichen Freund, dem Kommandanten des U-Bootes, der stets "der Alte" genannt wird. An Land hingegen genießt er die erotische Kollaboration der Französin Simone. Dieses Idyll geht zu Ende, als "der Alte" zum Flotillenchef in Brest befördert und Buchheim selbst nach Berlin zitiert wird. Nun muß einiges durchgestanden werden: das zerbombte Berlin, die Partei- und Militärchargen, allen voran Großadmiral Dönitz, den Buchheim kein Jahr vor Kriegsende auch schon als überzeugten Nationalsozialisten durchschaut.
Unser hellsichtiger Kriegsberichterstatter, der schließlich über München und Paris nach Brest zum "Alten" zurückkehrt und dann mitten in die alliierte Invasion gerät und auch noch die unter Spionageverdacht festgenommene Simone finden will, muß auf Grund seiner Position viel gesehen und gehört haben, von den Kriegsfronten, vom Widerstand, von der Zivilbevölkerung in Deutschland, vom Verhältnis zwischen Militär und Partei und nicht zuletzt vom Innenleben der Propagandastäbe. Und er muß eine Fülle von Aufzeichnungen aus den Kriegsjahren besitzen und darüber hinaus im Krieg ständig an die Nachkriegszeit gedacht haben.
Buchheim versucht, soviel Material wie möglich zu bewahren, "gute" Fotos und alle möglichen Erlebnisse. Denn "da sind schließlich tolle Sachen für später dabei", läßt er den Leser gleich auf der ersten Seite seines Romans wissen und: "Mein Fotoapparat - ein Sesam-öffne-dich." Schön wär's. Auf Seite 1109 fällt ihm selbst auf: "Ich ertappe mich dabei, wie ich vor mich hin brabbele." Buchheim war so freundlich, über den ganzen Text solche diskreten Hinweise zur Beurteilung seines Romans zu verstreuen: "Den ganzen Kopf voller Sprüche!" oder: "Meine Gedankenmühle ist wieder einmal in der falschen Laufrichtung in Betrieb und mahlt auch noch weiter . . ." Damit ist das Problem genau getroffen. Zwar beziehen sich diese Sätze allesamt auf Buchheims Situation im Jahr 1944, sie sind aber auch fünfzig Jahre später nicht von der Hand zu weisen.
Der Roman besteht, sieht man von der dürftig gestalteten Rahmenhandlung ab, überwiegend aus "Routinedialogen", Palavern, Zoten und Bordellgeschichten. "Die Festung" ist das imposante Gegenteil von literarischer Verdichtung. Ein endloser innerer Monolog, in dem die Außenwelt nur als Funktion der Innenwelt auftaucht. So liest man die rund fünfzehnhundert Seiten über den schrecklichsten aller Kriege und ist kaum je ergriffen oder auch nur berührt. Einmal trifft Buchheim in Zivilkleidung auf einen langen Zug von KZ-Häftlingen. Die Häftlinge bitten ihn flüsternd um Zigaretten, aber Buchheim ist Nichtraucher und kann ihnen nichts geben. Es bleiben selbst solche Szenen unerheblich, gleichgültig und für den Erzähler folgenlos. Als Maler müßte Buchheim wissen, daß malen und abpausen nicht ganz das gleiche ist. Und der Zweite Weltkrieg kann nichts gewesen sein, das man wie von der Tafel der Erinnerung einfach abschreibt. Es reicht eben nicht, dabeigewesen zu sein, soll der Krieg nach fünfzig Jahren etwas von sich preisgeben, das man nicht schon aus Augenzeugenberichten und Dokumenten, Erinnerungen, historischen und literarischen Werken kennt. So leicht ist Wahrhaftigkeit und Wirklichkeit nicht herzustellen.
Auch dem ideologischen Krieg wird Buchheim nicht gerecht. Daß "der Alte" auf der Hut ist und offiziell anders spricht als unter vier Augen, das macht wohl nicht deutlich, was der Überzeugungsterror, was Denunziationen und eine ideologische Gerichtsbarkeit für das Leben der Zivilisten und Soldaten bedeutet haben mögen. Zwar erfährt man, mit welchen Mitteln die Gestapo arbeitete, um Peter Suhrkamp in Haft zu nehmen. Das alles wirkt bei Buchheim allerdings mehr wie ein Räuber-und-Gendarm-Spiel. Es ist dieser immer gleich laute Rabaukenton, dieser forcierte Landsknechtjargon, der jede Erfahrung durch einen Spruch oder einen Fluch übertönt. Das Buch bleibt kalt. Die Schilderung des zerbombten Berlin oder die ein oder andere halbwegs gelungene Kriegsszene ändern daran nichts.
Vielleicht aber legt man falsche Maßstäbe an. Vielleicht wollte Buchheim den Krieg "von unten" aus der Sicht des einfachen Soldaten schildern, ohne jeden literarischen und epochalen Anspruch. Als "Verdauungsobsession", wie er selbst einmal schreibt. Oder wollte er der Remarque des Zweiten Weltkriegs werden? Hat er sich ein Beispiel an Hans Hellmut Kirst nehmen wollen, seinem Nachbarn in Feldafing, und dessen Trilogie "08/15"? Was immer es gewesen sein mag, funktioniert hat es nicht. Der Grund dafür ist einfach: typisch bei Buchheim ist nur Buchheim.
"Ich, Buchheim" wäre der richtige Titel für das Buch gewesen, in dem für den Leser alles so echt und lebendig wie ein Abziehbildchen wirkt - vorausgesetzt, man hat bei der endlosen Lektüre noch einen Rest von Unterscheidungsvermögen bewahrt. Wenn nicht ab und zu geschossen würde, könnte man sonst glauben, man folge den Spuren eines fidelen Kegelbruders, dem die Gespielin im Vollrausch abhanden gekommen ist. Bei einem Teil der Rezensenten muß das Buch jedenfalls zu vorübergehenden Bewußtseinstrübungen geführt haben; die Dauerberieselung war immerhin lang und intensiv genug, daß mancher den Vergleich mit "Krieg und Frieden" anzubahnen versuchte. Tatsächlich ist das wirklich interessante an diesem Fall die überaus wohlwollende bis hymnische Aufnahme, die der Roman bei der Kritik gefunden hat. Man tut gerade so, als habe Buchheim das Genre des pazifistischen Kriegsromans erfunden. Womöglich kennt die Literaturkritik die älteren Kriegsromane nicht, weil die Gattung nicht viel gilt. Wer etwa sagen kann, er habe Jüngers "Stahlgewitter" gelesen oder doch eine Meinung darüber, gilt schon als Kenner. Als ob es eine neue Einsicht wäre, daß der Krieg dreckig, gemein und grausam zu sein pflegt, wird Buchheim dafür gelobt, daß er ohne Kunst den Krieg dreckig, gemein und grausam nennt und sich doch wacker hält. Hier gibt es offenbar einen Kriegshelden zu bewundern, wie man ihn in der Bundesrepublik gern sieht. Pazifistisch gesinnt, ein "Opfer", aber eben eines, das noch einmal davonkommt. Für die ältere Generation ein paar herzhafte Feindberührungen, für die Jüngeren ein bißchen Sex and crime und alles in allem eine ziemlich schamlose Kriegsverharmlosung. Ein Kritiker vermutet, daß Buchheim nicht für seine Bücher, sondern für sein unkonventionelles Verhalten geliebt werde, als letzter Unangepaßter. Tatsächlich aber paßt der Egomane Buchheim ausgezeichnet ins gesellschaftliche Bild der Bundesrepublik.
In einer kleinen Vorbemerkung macht Buchheim die Leser darauf aufmerksam, daß die Ereignisse, die hier geschildert sind, authentisch seien, die Personen hingegen mehr oder weniger erfunden. Nur, außer dem "Alten", der schemenhaft genug ist, der Französin Simone, die allenthalben als erotische Phantasie auftaucht, und Buchheim selbst gibt es in diesem Roman keine erkennbaren Personen. Die Welt des Lothar-Günther Buchheim ist menschenleer und der Krieg ein Naturereignis. So sieht es aus, wenn ein literarischer Autist den Zweiten Weltkrieg erlebt. Jeder ist sich selbst der Nächste. Wenn es diese Botschaft ist, die insgeheim gefeiert wird, dann hält das Buch dieser Gesellschaft auf unerwartete Weise doch noch den Spiegel vor. Buchheim soll übrigens noch ein paar tausend Manuskriptseiten in Reserve haben, gewissermaßen als verfügbare Manövriermasse für eine Trilogie. Da geht es uns wie dem Autor am Ende des Romans. Uns wird schwarz vor Augen. MICHAEL JEISMANN
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