Drei Frauen, ein Abend im Theater, "ein betörendes Spiel im Spiel". (O, The Oprah Magazine) - Ein intimer und ungewöhnlicher Roman von Claire Thomas
Während in den Bergen Buschfeuer wüten, sehen drei Frauen in Melbourne ein Beckett-Stück. Die Literaturprofessorin Margot hadert mit der Entfremdung von ihrem Sohn und ihrer Ehe mit dem dementen John. Ivy, Kunstmäzenin und Margots ehemalige Studentin, wird von den Verlusten in ihrer Vergangenheit eingeholt. Und Summer, Schauspielschülerin und Platzanweiserin im Theater, schwankt zwischen der Sorge um ihre Geliebte in der Feuerzone und Fragen zu ihrer Herkunft. Als sich die drei in der Pause begegnen, wird dies ihre Sicht auf sich selbst und auf ihre Umwelt für immer verändern. Voller Dringlichkeit und Feingefühl blickt Claire Thomas in das Innerste dreier Frauen unserer erschütterten Gegenwart.
Während in den Bergen Buschfeuer wüten, sehen drei Frauen in Melbourne ein Beckett-Stück. Die Literaturprofessorin Margot hadert mit der Entfremdung von ihrem Sohn und ihrer Ehe mit dem dementen John. Ivy, Kunstmäzenin und Margots ehemalige Studentin, wird von den Verlusten in ihrer Vergangenheit eingeholt. Und Summer, Schauspielschülerin und Platzanweiserin im Theater, schwankt zwischen der Sorge um ihre Geliebte in der Feuerzone und Fragen zu ihrer Herkunft. Als sich die drei in der Pause begegnen, wird dies ihre Sicht auf sich selbst und auf ihre Umwelt für immer verändern. Voller Dringlichkeit und Feingefühl blickt Claire Thomas in das Innerste dreier Frauen unserer erschütterten Gegenwart.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensentin Carola Ebeling schätzt die "herausfordernde" Erzählsituation, die Claire Thomas in ihrem Roman wage: Drei Frauen, die sich Becketts "Glückliche Tage" im Theater ansehen und dabei in je eigene Gedankenwelten abdriften; jede auf ihrem Platz, nur in der Pause begegnen sie sich einmal. Wie Thomas dabei die durch das Stück ausgelösten Assoziationsketten in den Köpfen der Figuren - eine 70-jährige Literaturprofessorin, ihre 40-jährige ehemalige Studentin und Mutter, und eine 22-jährige umweltbewusste Schauspielschülerin - motivisch miteinander verbinde, hält die Kritikerin für gelungen. Interessant findet sie die in den "Gedankenspiralen" verhandelten Themen (Kindesverlust, Klimakatastrophe, die eigenen Vorurteile) und ist den Frauen von Beginn an ganz nah - auch dadurch, dass der öffentliche Raum Theater hier mit seinem geschützten Platz im Dunkeln einen Raum für Intimität eröffne, wie sie analysiert. Ein "komplexer" Text, der trotz ernster Themen im Ton nie "leidend" gerät, lobt Ebeling.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.03.2022Klimatisierte
Räume
Und draußen brennt die Welt:
Claire Thomas’ Roman „Die Feuer“
Schon unangenehm, wenn um sieben Uhr abends noch vierzig Grad herrschen. Man will ja auch ins Theater. Im Saal friert und hüstelt man wegen der Klimaanlage, zieht sich den Rock zurecht, um das Sitzpolster nicht mit nackten Beinen berühren zu müssen. Die Buschfeuer oder „Wildfires“, die in den Bergen wüten und ihren Staub bis in die Stadt pusten, sind gefühlt ganz weit weg.
Die Handlung des Romans „Die Feuer“, des zweiten der australischen Autorin Claire Thomas, klingt zunächst unaufgeregt: Drei Frauen in Melbourne sehen sich Samuel Becketts Stück „Glückliche Tage“ an. Alles geschieht zwischen Beginn und Ende der Vorstellung und spielt sich in den Köpfen dreier Zuschauerinnen ab: Margot, Summer und Ivy sind unabhängig voneinander gekommen. Draußen ist Feuer, drinnen Theater.
Auf der Bühne steckt Becketts Figur Winnie bis zur Hüfte in einem mit vertrocknetem Gras bedecktem Erdhügel und ruft nach Willie, ihrem Mann, der teilnahmslos dahinter liegt. Winnie ist eine Projektionsfläche für die drei Frauen, die auch irgendwie feststecken: in ihrem Leben, in Rollenbildern, in Ängsten und Erwartungen. Wobei sie sich ja eigentlich in einer größeren Katastrophe befinden. Aber der Klimawandel dringt nur schwerfällig in ihre Wahrnehmung, geht unter in den persönlichen Sorgen der privilegierten Bildungselite. Das ist die kognitive Dissonanz.
Die Frauen haben wenig gemein und begegnen sich nur flüchtig in der Pause, die Thomas als theatralisches Zwischenspiel in Dialogform inszeniert. Margot ist Literaturprofessorin kurz vor dem Ruhestand, ein Bruch mit ihrer beruflichen Identität, die sie ihr Leben lang versucht hat aufrechtzuhalten. Summer ist Schauspielschülerin und Platzanweiserin. Sie macht sich Sorgen: um die Erde, den Klimawandel und um ihre Freundin April, die sich in Richtung Flammen zu ihrem Elternhaus aufmacht. Ivy ist reich, Kulturmäzenin, hat ein Kleinkind und war mal eine Studentin von Margot. Ihr Geld investiert sie in verschiedene Wohltätigkeitsprojekte, um ihr Vermögen vor sich selbst zu rechtfertigen. Das Theaterstück legt nach und nach ihre vergessenen Wunden frei.
Claire Thomas steigt mit ihrer zwischen Kunst und Wirklichkeit oszillierenden Erzählung immer tiefer in die Psychologie der Frauen ein und stellt belanglose Gedanken in einen großen Kontext. Manchmal übernimmt sie sich und versucht, zu viele gesellschaftliche Debatten an ihren Figuren abzuarbeiten. Aber das Klimathema bleibt.
Als Winnie auf der Bühne ihren Sonnenschirm öffnet, der in Flammen aufgeht, springt ein Funke der unbequemen Realität auf den Theatersaal über. Ach, da draußen brennt es ja auch! Die schützenden Mauern des Theaters, die die Hitze abschirmen, werden im Laufe des Stückes durchlässiger. Man wollte doch nicht über den „verdammten Zustand des Planeten“ sprechen! Und doch wird immer deutlicher, wie entflammbar die Zivilisation ist.
EILEEN KELPE
Der große Zusammenhang
lädt auch die belanglosen
Gedanken politisch auf
Claire Thomas:
Die Feuer. Roman.
Aus dem Englischen
von Eva Bonné.
Hanser, München 2022. 255 Seiten, 23 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Räume
Und draußen brennt die Welt:
Claire Thomas’ Roman „Die Feuer“
Schon unangenehm, wenn um sieben Uhr abends noch vierzig Grad herrschen. Man will ja auch ins Theater. Im Saal friert und hüstelt man wegen der Klimaanlage, zieht sich den Rock zurecht, um das Sitzpolster nicht mit nackten Beinen berühren zu müssen. Die Buschfeuer oder „Wildfires“, die in den Bergen wüten und ihren Staub bis in die Stadt pusten, sind gefühlt ganz weit weg.
Die Handlung des Romans „Die Feuer“, des zweiten der australischen Autorin Claire Thomas, klingt zunächst unaufgeregt: Drei Frauen in Melbourne sehen sich Samuel Becketts Stück „Glückliche Tage“ an. Alles geschieht zwischen Beginn und Ende der Vorstellung und spielt sich in den Köpfen dreier Zuschauerinnen ab: Margot, Summer und Ivy sind unabhängig voneinander gekommen. Draußen ist Feuer, drinnen Theater.
Auf der Bühne steckt Becketts Figur Winnie bis zur Hüfte in einem mit vertrocknetem Gras bedecktem Erdhügel und ruft nach Willie, ihrem Mann, der teilnahmslos dahinter liegt. Winnie ist eine Projektionsfläche für die drei Frauen, die auch irgendwie feststecken: in ihrem Leben, in Rollenbildern, in Ängsten und Erwartungen. Wobei sie sich ja eigentlich in einer größeren Katastrophe befinden. Aber der Klimawandel dringt nur schwerfällig in ihre Wahrnehmung, geht unter in den persönlichen Sorgen der privilegierten Bildungselite. Das ist die kognitive Dissonanz.
Die Frauen haben wenig gemein und begegnen sich nur flüchtig in der Pause, die Thomas als theatralisches Zwischenspiel in Dialogform inszeniert. Margot ist Literaturprofessorin kurz vor dem Ruhestand, ein Bruch mit ihrer beruflichen Identität, die sie ihr Leben lang versucht hat aufrechtzuhalten. Summer ist Schauspielschülerin und Platzanweiserin. Sie macht sich Sorgen: um die Erde, den Klimawandel und um ihre Freundin April, die sich in Richtung Flammen zu ihrem Elternhaus aufmacht. Ivy ist reich, Kulturmäzenin, hat ein Kleinkind und war mal eine Studentin von Margot. Ihr Geld investiert sie in verschiedene Wohltätigkeitsprojekte, um ihr Vermögen vor sich selbst zu rechtfertigen. Das Theaterstück legt nach und nach ihre vergessenen Wunden frei.
Claire Thomas steigt mit ihrer zwischen Kunst und Wirklichkeit oszillierenden Erzählung immer tiefer in die Psychologie der Frauen ein und stellt belanglose Gedanken in einen großen Kontext. Manchmal übernimmt sie sich und versucht, zu viele gesellschaftliche Debatten an ihren Figuren abzuarbeiten. Aber das Klimathema bleibt.
Als Winnie auf der Bühne ihren Sonnenschirm öffnet, der in Flammen aufgeht, springt ein Funke der unbequemen Realität auf den Theatersaal über. Ach, da draußen brennt es ja auch! Die schützenden Mauern des Theaters, die die Hitze abschirmen, werden im Laufe des Stückes durchlässiger. Man wollte doch nicht über den „verdammten Zustand des Planeten“ sprechen! Und doch wird immer deutlicher, wie entflammbar die Zivilisation ist.
EILEEN KELPE
Der große Zusammenhang
lädt auch die belanglosen
Gedanken politisch auf
Claire Thomas:
Die Feuer. Roman.
Aus dem Englischen
von Eva Bonné.
Hanser, München 2022. 255 Seiten, 23 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
"Ein brillanter Roman ... Claire Thomas erzählt von Risikowahrnehmung und Kontrollverlust, von Angst und Panik, von weiblicher Körpergebundenheit und männlichem Fatalismus - ganz locker, mit bezwingender Raffinesse. Ein Stück Climate Fiction, menschenfreundlich konstruiert, brillant, klug und unterhaltsam." Meike Feßmann, Tagesspiegel, 10.04.22
"Virtuos verzahnt Claire Thomas das Innere der Frauen mit den komischen und treffenden Dialogen des Stücks. Und entlarvt zugleich die bildungsbürgerliche Blase der Selbstbespiegelung, während draußen Buschfeuer toben - der Klimawandel fordert seinen Tribut." Brigitte Woman, 05/2022
"Claire Thomas steigt mit ihrer zwischen Kunst und Wirklichkeit oszillierenden Erzählung immer tiefer in die Psychologie der Frauen ein und stellt belanglose Gedanken in einen großen Kontext." Eileen Kelpe, Süddeutsche Zeitung, 15.03.22
"Der australischen Autorin gelingt es, drei weibliche Biografien mit all ihren Ängsten und Erinnerungen lebendig werden zu lassen." Manuela Reichart, Deutschlandfunk Kultur, 12.02.22
"Virtuos verzahnt Claire Thomas das Innere der Frauen mit den komischen und treffenden Dialogen des Stücks. Und entlarvt zugleich die bildungsbürgerliche Blase der Selbstbespiegelung, während draußen Buschfeuer toben - der Klimawandel fordert seinen Tribut." Brigitte Woman, 05/2022
"Claire Thomas steigt mit ihrer zwischen Kunst und Wirklichkeit oszillierenden Erzählung immer tiefer in die Psychologie der Frauen ein und stellt belanglose Gedanken in einen großen Kontext." Eileen Kelpe, Süddeutsche Zeitung, 15.03.22
"Der australischen Autorin gelingt es, drei weibliche Biografien mit all ihren Ängsten und Erinnerungen lebendig werden zu lassen." Manuela Reichart, Deutschlandfunk Kultur, 12.02.22