Nichts fasziniert an der amerikanischen Gesellschaft mehr als ihre Fähigkeit, Gegensätze nicht nur zu ertragen, sondern erfolgreich zu nutzen. In vorzüglichen Reportagen und Geschichten über einzelne Menschen beschreibt der Autor die widersprüchliche Realität Amerikas und erklärt, weshalb diese Gesellschaft dennoch zusammenhält. Amerika zeigt, dass eine flexible Republik, die auf Konflikt statt auf Konsens setzt, funktionieren kann.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.07.2000Flexible oder verfallende Supermacht?
Verschiedene Ansichten über die Rolle der Vereinigten Staaten von Amerika in der globalisierten Welt
Robert von Rimscha: Die flexible Gesellschaft. Amerika als Modell für das 21. Jahrhundert. Econ Verlag, München 2000. 320 Seiten, 44,- Mark.
Chalmers Johnson: Ein Imperium verfällt. Wann endet das amerikanische Jahrhundert? Aus dem Amerikanischen von Thomas Pfeiffer und Renate Weitbrecht. Karl Blessing Verlag, München 2000. 320 Seiten, 42,90 Mark.
In Kalifornien werden Weiße in weniger als 20 Jahren in der Minderheit sein. Der Anteil der Menschen, die aus Asien oder Lateinamerika stammen und an der Westküste der Vereinigten Staaten ihr Glück suchen, nimmt ständig zu. Das Gesicht des bevölkerungsreichsten Bundesstaates ändert sich dadurch stetig. Aber Kalifornien wird es überleben.
Wie und warum wird die amerikanische Gesellschaft mit derartigen Entwicklungen besser fertig als die deutsche? Das beschäftigt Robert von Rimscha. Der Journalist, seit mehreren Jahren in Washington, zeigt, wie die einzig verbliebene Supermacht ihre inneren Spannungen aushält und sogar nutzt. Gleichzeitig stellt er die Frage, wie Deutschland auf die neuen Herausforderungen reagiert. In fünf Themenkreisen - Rasse, Religion, Ruhm, Reichtum und Recht - beschreibt Rimscha jene Flexibilität, die es Amerika ermöglicht, tiefe Gräben in der Gesellschaft zu überwinden. Er zeigt Menschen mit enormer Bewegungsfähigkeit, die den Europäern in mancher Hinsicht als Vorbild für den Weg in die globalisierte Welt des 21. Jahrhunderts dienen können.
Die Globalisierung verlange allen industriellen Gesellschaften große Anpassungsprozesse ab. Doch der Prozess der Globalisierung treffe manche Gesellschaften vorbereiteter als andere: Amerika werden Tugenden abverlangt, die bereits entwickelt sind, während Deutschland viele Veränderungs- und Modernisierungsschübe erst noch bevorstehen. Die neue Weltordnung - so Rimscha - ist nicht länger nur das Land, sondern der Globus der unbegrenzten Möglichkeiten, zumindest für jene, die nach amerikanischem Vorbild in Bewegung bleiben. Eine neue Welt der Grenzen prophezeit der Autor dagegen jenen, die stecken geblieben sind im ideologischen Dickicht des Kalten Krieges.
Ganz anders sieht Chalmers Johnson die Rolle Amerikas. Der Politikwissenschaftler weist auf erschreckende Parallelen zwischen dem imperialistischen Gebaren der Sowjetunion und dem starken Sendungsbewusstsein der amerikanischen Außenpolitik hin. Für ihn ist die Globalisierung "eine emphatische Umschreibung für das, was im 19. Jahrhundert noch schlicht Imperialismus geheißen hatte", also nichts anderes als ein Feldzug der Amerikaner, um den Rest der Welt zur Übernahme ihres Kapitalismusmodells zu zwingen. Nach Johnsons Lesart haben die Amerikaner es versäumt, seit dem Ende des Kalten Krieges die überkommenen Strukturen der Weltwirtschaft zu reformieren. Stattdessen versuchten sie, andere Völker auf den "American way" einzuschwören. Dabei würde ihr Imperium unnötig und möglicherweise mit tödlichen Folgen "überdehnt". Die so genannte Asien-Krise, die im Mai 1997 von Thailand aus die gesamte Region in Turbulenzen stürzte, signalisiere den Anfang vom Ende des amerikanischen Jahrhunderts. Mit dem Übergang zu einer tripolaren Welt würden sich die Vereinigten Staaten, Europa und Ostasien die Macht teilen und zugleich um sie konkurrieren.
Johnson geht es in seinem polemischen Buch vor allem darum, die "unschönen Aspekte des amerikanischen Imperiums" aufzuzeigen. Er spannt dabei einen Bogen vom Fehlverhalten amerikanischer Soldaten in Okinawa bis zur Balkan-Politik Washingtons. Schließlich prophezeit er der Supermacht wegen angeblicher politischer Instinkt- und Skrupellosigkeit das gleiche Schicksal wie dem untergegangenen Sowjetimperium.
PETER BADENHOP
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Verschiedene Ansichten über die Rolle der Vereinigten Staaten von Amerika in der globalisierten Welt
Robert von Rimscha: Die flexible Gesellschaft. Amerika als Modell für das 21. Jahrhundert. Econ Verlag, München 2000. 320 Seiten, 44,- Mark.
Chalmers Johnson: Ein Imperium verfällt. Wann endet das amerikanische Jahrhundert? Aus dem Amerikanischen von Thomas Pfeiffer und Renate Weitbrecht. Karl Blessing Verlag, München 2000. 320 Seiten, 42,90 Mark.
In Kalifornien werden Weiße in weniger als 20 Jahren in der Minderheit sein. Der Anteil der Menschen, die aus Asien oder Lateinamerika stammen und an der Westküste der Vereinigten Staaten ihr Glück suchen, nimmt ständig zu. Das Gesicht des bevölkerungsreichsten Bundesstaates ändert sich dadurch stetig. Aber Kalifornien wird es überleben.
Wie und warum wird die amerikanische Gesellschaft mit derartigen Entwicklungen besser fertig als die deutsche? Das beschäftigt Robert von Rimscha. Der Journalist, seit mehreren Jahren in Washington, zeigt, wie die einzig verbliebene Supermacht ihre inneren Spannungen aushält und sogar nutzt. Gleichzeitig stellt er die Frage, wie Deutschland auf die neuen Herausforderungen reagiert. In fünf Themenkreisen - Rasse, Religion, Ruhm, Reichtum und Recht - beschreibt Rimscha jene Flexibilität, die es Amerika ermöglicht, tiefe Gräben in der Gesellschaft zu überwinden. Er zeigt Menschen mit enormer Bewegungsfähigkeit, die den Europäern in mancher Hinsicht als Vorbild für den Weg in die globalisierte Welt des 21. Jahrhunderts dienen können.
Die Globalisierung verlange allen industriellen Gesellschaften große Anpassungsprozesse ab. Doch der Prozess der Globalisierung treffe manche Gesellschaften vorbereiteter als andere: Amerika werden Tugenden abverlangt, die bereits entwickelt sind, während Deutschland viele Veränderungs- und Modernisierungsschübe erst noch bevorstehen. Die neue Weltordnung - so Rimscha - ist nicht länger nur das Land, sondern der Globus der unbegrenzten Möglichkeiten, zumindest für jene, die nach amerikanischem Vorbild in Bewegung bleiben. Eine neue Welt der Grenzen prophezeit der Autor dagegen jenen, die stecken geblieben sind im ideologischen Dickicht des Kalten Krieges.
Ganz anders sieht Chalmers Johnson die Rolle Amerikas. Der Politikwissenschaftler weist auf erschreckende Parallelen zwischen dem imperialistischen Gebaren der Sowjetunion und dem starken Sendungsbewusstsein der amerikanischen Außenpolitik hin. Für ihn ist die Globalisierung "eine emphatische Umschreibung für das, was im 19. Jahrhundert noch schlicht Imperialismus geheißen hatte", also nichts anderes als ein Feldzug der Amerikaner, um den Rest der Welt zur Übernahme ihres Kapitalismusmodells zu zwingen. Nach Johnsons Lesart haben die Amerikaner es versäumt, seit dem Ende des Kalten Krieges die überkommenen Strukturen der Weltwirtschaft zu reformieren. Stattdessen versuchten sie, andere Völker auf den "American way" einzuschwören. Dabei würde ihr Imperium unnötig und möglicherweise mit tödlichen Folgen "überdehnt". Die so genannte Asien-Krise, die im Mai 1997 von Thailand aus die gesamte Region in Turbulenzen stürzte, signalisiere den Anfang vom Ende des amerikanischen Jahrhunderts. Mit dem Übergang zu einer tripolaren Welt würden sich die Vereinigten Staaten, Europa und Ostasien die Macht teilen und zugleich um sie konkurrieren.
Johnson geht es in seinem polemischen Buch vor allem darum, die "unschönen Aspekte des amerikanischen Imperiums" aufzuzeigen. Er spannt dabei einen Bogen vom Fehlverhalten amerikanischer Soldaten in Okinawa bis zur Balkan-Politik Washingtons. Schließlich prophezeit er der Supermacht wegen angeblicher politischer Instinkt- und Skrupellosigkeit das gleiche Schicksal wie dem untergegangenen Sowjetimperium.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Ein "anregendes Buch", lobt Dieter Buhl das Buch des Washingtoner Korrespondenten des Tagesspiegels. Zwar meint er, dass die Deutschen den USA keineswegs so ablehnend gegenüberstehen, wie Rimscha offenbar voraussetzt, aber diese Einstellung sei wohl der "traditionellen Arroganz der Amerika-Kenner" geschuldet. Buhl nimmt es nicht weiter übel. Rimscha belege seine Hauptthese, dass sich die amerikanische Gesellschaft durch Widersprüchlichkeit und Flexibilität auszeichne, mit vielen "eingängigen" Beispielen. Und wenn auch die Reportagen und Porträts keine ganz neuen Sujets behandeln, vermitteln sie nach Ansicht des Rezensenten doch "einen nachhaltigen Eindruck von jenem kleinteiligen, vielfarbigen, strapazierfähigen Quilt namens Amerika".
© Perlentaucher Medien GmbH
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