»Wieder an der eigenen Wohnungstür, sah er, dass Goofy sich hingelegt hatte, aber noch immer zur Tür starrte. Nun öffnete er sie doch leise und lauschte ins Dunkel. Nichts. Er stieg vorsichtig eine Treppe höher, aber auch dort herrschte Stille. Kein Laut drang aus der Wohnung von Susanne oder von
Schuberts, was er um halb drei Uhr nachts völlig normal fand. Während er auf dem Balkon gestanden…mehr»Wieder an der eigenen Wohnungstür, sah er, dass Goofy sich hingelegt hatte, aber noch immer zur Tür starrte. Nun öffnete er sie doch leise und lauschte ins Dunkel. Nichts. Er stieg vorsichtig eine Treppe höher, aber auch dort herrschte Stille. Kein Laut drang aus der Wohnung von Susanne oder von Schuberts, was er um halb drei Uhr nachts völlig normal fand. Während er auf dem Balkon gestanden hatte, war der nächtliche Besucher wahrscheinlich längst in seiner Wohnung angekommen. Doch irgendetwas hatte er in den Hausflur geschoben.
... Er eilte so leise wie möglich hinterher und erschrak ganz furchtbar, als Goofy erst einen lang gezogenen Jaulton von sich gab und dann dreimal kurz, aber leider sehr laut bellte.
Konstantin wollte schon ärgerlich auffahren, doch tatsächlich verspürte er selbst kurz danach das Bedürfnis, laut zu schreien. ... Vor ihm neben den Briefkästen im Flur lag leblos eine Person, die Augen starr aufgerissen.«
Der Fund einer Leiche im eigenen Treppenhaus gehört zu den Dingen, die man sich - frisch aus dem Gefängnis entlassen - nicht gerade wünscht. Zumal, wenn es sich bei der Leiche auch noch um ein Mordopfer handelt! Schließlich war Konstantin Neumann extra in diese ruhige Wohngegend von Münster gezogen, um ein neues Leben anzufangen. Als Haftentlassener (und noch dazu auf Bewährung), gehört er schnell zum Kreis der Verdächtigen. Da akribisches Forschen und Beobachten zu Konstantins Stärken (manchmal auch Schwächen) gehört, macht er sich selber auf die Suche nach dem Täter und stößt dabei auf seltsame Fragen: Wieso hält sich die Bestürzung bei seinen Nachbarn scheinbar in Grenzen? Was ist mit seinem Vormieter geschehen, der offenbar verschwunden ist? Ist der alte Mann im Erdgeschoß ein Altnazi? Und wie passen die Hinweise auf geraubte Kunstwerke und ein seit siebzig Jahren als verschollen geltendes Gemälde von Franz Marc in diesen ganzen Zusammenhang?
Dieser neue Krimi der Autorin, die mich schon mit „Rote Schatten über Münster“ begeistert hatte, hat mich erneut gut unterhalten. Das Thema Raubkunst wurde sehr schön in die Krimihandlung eingesponnen und mit diversen geschichtlichen Hintergrundinformationen versehen. Ich mag es ja sehr, wenn die Ausgangslage des Verbrechens eine eher ungewöhnliche ist – daher kam ich hier voll auf meine Kosten. Das zweite Ungewöhnliche an diesem Krimi ist der Ermittler, nämlich ein Ex-Häftling auf Bewährung. Seine im Gefängnis gesammelte Erfahrung macht er sich einige Male zunutze, außerdem steht im beratend ein Freund zur Seite, den er ebenfalls während der Haft kennenlernte und der seines Zeichens ein Experte im Bereich Kunstfälschung ist.
Neben diesen beiden gibt es noch weitere eindrucksvolle Charaktere: Eine recht burschikose Kommissarin, vor der sich Konstantin manchmal richtig fürchtet, seine schwer gestresste Schwester, die eigentlich dafür kämpft, dass ihr Bruder sich wieder in die Gesellschaft einlebt, ein sehr sympathischer 16jähriger mit Downsyndrom und ein griesgrämiger, dauernd schimpfender alter Mann im Rollstuhl, bei dem man die ganze Zeit über das Gefühl nicht loswird, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmt. Nur was? Ach ja, nicht vergessen will ich Hund Goofy, einen Polizeihund in Frührente (er ist so goldig!)
Die junge Frau vom Anfang bleibt übrigens nicht die einzige Tote! Es wird also spannend und der Handlungsverlauf sorgt immer wieder für Überraschungen. Und wenn ich nicht rätselte oder mich überraschen ließ, hab ich gelacht, zum Beispiel über den häufig nett sarkastischen Stil…
»Viel schlimmer konnte es nicht werden. Nachts um halb fünf Tee trinken allein mit einer Frau. Mit dieser Frau! Bestimmt neunzig Kilo Lebendgewicht, Millionen kleiner grauer Zellen, die ihm mit Spott und Hohn Informationen entlockten, und dazu noch ein Blick, bei dem auch ein hungriger Geier sein Essen fallen lassen würde.«
Fazit: Das Thema Raubkunst im Krimi – spannend, unterhaltsam und ungewöhnlich. Kann ich sehr empfehlen!