Man hört gelegentlich davon: ein Mann geht abends kurz außer Haus, um nur Zigaretten im nächsten Lokal zu holen und verschwindet dann spurlos. Bei Monsieur Norbert Monde, dem Familienvater und Industriellen ist es fast ähnlich. An seinem 48. Geburtstag geht er morgens noch in sein Büro, doch niemand
nimmt Notiz von seinem Jubiläum. Auch seine Frau hat vergessen, ihm zum Geburtstag zu gratulieren.…mehrMan hört gelegentlich davon: ein Mann geht abends kurz außer Haus, um nur Zigaretten im nächsten Lokal zu holen und verschwindet dann spurlos. Bei Monsieur Norbert Monde, dem Familienvater und Industriellen ist es fast ähnlich. An seinem 48. Geburtstag geht er morgens noch in sein Büro, doch niemand nimmt Notiz von seinem Jubiläum. Auch seine Frau hat vergessen, ihm zum Geburtstag zu gratulieren. Selbst sein Sekretär, der stets daran gedacht hatte, vergisst es an diesem Tag.
Ohne irgendwelche Vorkehrungen zu treffen, ja ohne einen inneren Kampf, verlässt er sein Büro, geht zu seiner Bank und hebt etwas mehr als dreihunderttausend Franc von seinem Konto ab … und verschwindet wie ein Verbrecher. Nach drei Tagen gibt Madame Monde endlich eine Vermisstenanzeige auf. Für die Polizei jedoch noch kein Grund für Nachforschungen, auch das abgehobene Geld ist für sie nicht der Rede wert.
Monsieur Monde hatte die Zwischenzeit genutzt, ließ sich beim Friseur den Bart abnehmen und sich einen neuen, unauffälligen Anzug gekauft. Anschließend war er mit dem Geld ans Mittelmeer gefahren und hatte sich ein Mittelklassehotel gesucht. Dort wird er Ohrenzeuge eines äußerst heftigen Ehestreites im Nachbarzimmer.
Als der Ehemann gegangen ist und es nebenan verdächtig ruhig ist, entschließt sich Monsieur Monde dazu, nach der Ehefrau zu schauen. Die hat schon reichlich Schlaftabletten genommen, sodass er ihr beim Erbrechen behilflich ist. Zwar keine ideale Gelegenheit zum Kennenlernen, doch Monsieur Monde lebt fortan mit seiner Zimmernachbarin, namens Julie, zusammen.
Beide suchen sich eine neue Bleibe und Monsieur Monde muss sich schließlich auch nach einem neuen Job umsehen, denn man hat ihm das ganze Geld gestohlen. So kümmert er sich um die Abrechnungen in einem Nachtklub, wo ihn jedoch seine Vergangenheit einholt. Seine erste Frau, die (wie er jetzt) vor vielen Jahren spurlos verschwunden war und ihn mit zwei Kindern allein zurückließ, taucht plötzlich in dem Nachtclub auf.
Der Roman über den Neuanfang in der Mitte des Lebens, der 2004 verfilmt wurde, erschien 1945 unter dem Originaltitel „La fuite de Monsieur Monde“ und ist einer der bekanntesten Non-Maigret-Romane. Die deutsche Erstausgabe des Romans wurde erst 1970 unter dem Titel „Die Flucht des Herrn Monde“ veröffentlicht. Die vorliegende Übersetzung erschien erstmals 1991 im Diogenes Verlag und wurde jetzt für die neue Edition der „Ausgewählten Romane“ noch einmal überarbeitet.
Manfred Orlick