Der 1841 in Berlin geborene Verfasser versetzt uns mit seinen Schülererinnerungen in die Zeit der Märzrevolution, der Reaktion und der sich daran anschließenden Neuen Ära. Als Sechsjähriger erlebt er, den Kuhfuß seines Vaters in den Händen, die Berliner auf den Barrikaden. 1853 beobachtet er mit seinem Schulfreund Julius Becher, wie eine ältere Frau auf dem Hausvogteiplatz tatsächlich noch wegen Meineids an den Pranger gestellt wird. Diese hentischen Berichte gewähren über das preußische Schulwesen hinaus kulturgeschichtliche Einblicke in das Bildungsbürgertum, die hugenottische Gemeinde, das aufstrebende Judentum und das alltägliche Berliner Leben der Jahre 1848-1861. Nicht nur die offene und ehrliche Erzählweise Schmidts überzeugt, auch die schöne, nur an sehr wenigen Stellen einmal antiquiert klingende Sprache. Berlins wohl schönster Platz, der Gendarmenmarkt, stellt den zentralen Schauplatz dieser Schülererinnerungen dar. In den Räumen des Französischen Doms ist Johannes Schmidt die ersten drei Jahre zur Schule gegangen, im Dom befindet sich auch die Dienstwohnung seines Vaters, in der er vierzehn Jahre lang mit seinen Eltern und Geschwistern wohnt. Lebendig berichtet er über den Unterricht am Französischen Gymnasium, über Theateraufführungen, Museumsbesuche, Schulausflüge und Schülerstreiche. Karl Ploetz und Konsistorialrat Auguste Fournier gehörten zu seinen Lehrern, der Kunsthistoriker Alfred Woltmann, der Schauspieler Richard Kahle, der Abenteurer Paul Güßfeldt, die Dichter Ernst von Wildenbruch und Jacob Negruzzi sowie die Prinzen Radziwill zu seinen Mitschülern. Liebevoll beschreibt Johannes Schmidt seine Ferienerlebnisse in Landsberg a.W. und in Berlinchen in der Neumark, wo er als Obertertianer zum ersten Male verlobt wird. Nach dem Studium der Philologie wird Johannes Schmidt selbst Gymnasialprofessor. Mit 29 Jahren heiratet er eine Urenkelin Charlotte Buffs, verehelichte Kestner, der Jugendliebe Goethes, die diesen zu seinem Roman "Die Leiden des jungen Werther" inspirierte. Die Verbindungen zum Französischen Gymnasium und zu seinen Mitschülern hält er sein Leben lang aufrecht. Johannes Eusebius Samuel Schmidt stirbt 1925 in Berlin- Steglitz, zwölf Monate nach Abfassung seiner Schüler- und Jugenderinnerungen. Eine Darstellung des geschichtlichen Rahmens und entsprechende Texterläuterungen des Herausgebers erleichtern die Lektüre, ein Personen- und ein Ortsregister die eigene Recherche. Den einen oder anderen Leser könnten diese Erinnerungen auch dazu ermuntern, wenn er, zufällig oder durch diese Lektüre angeregt, einen Teil der beschriebenen Wege entlang geht, sich in das alte Berlin vor 160 Jahren zu versetzen, als Urban und Jungfernheide noch Sumpfgebiete waren und selbst Pferdeomnibusse nur vereinzelt verkehrten. Als ein Schusterjunge mit an den Rändern hervorquellendem Schmalze für einen Dreier, einen Viertelgroschen, als kulinarischer Hochgenuss galt. Er wird dann vielleicht auf das heute noch erhaltene Portal des Pumpwerks an der Urbanstraße mit seinen zwei neogotischen Torbögen stoßen, das das damalige Stadtgebiet südlich des Landwehrkanals entwässerte, oder Unter den Linden vor dem Kronprinzenpalais stehen und einen kleinen Schwenk in die Niederlagstraße machen, um sich dessen Rückseite anzuschauen, an der sich einst das Französische Gymnasium befand.