Kalendergeschichten, Erinnerungsskizzen aus deutscher Vergangenheit, Begebenheiten aus dem Leben von Dichtern, Denkern und Verbrechern, Erzählungen, Kürzest-Essays, Anekdoten, Beobachtungen - Otto Jägersbergs vielgestaltige Prosa ist zugleich hinreißend einfach und lustvoll komplex. Und von einer Präzision, die sowohl poetisch als auch rasend komisch sein kann.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.05.2017Otto Jägersbergs kleine Prosa
Otto Jägersberg ist der Vorsitzende der Georg-Groddeck-Gesellschaft. Deshalb ist er überzeugt, dass es Franz Kafka viel besser ergangen wäre, hätte er in der Baden-Badener Klinik des alternativen Psychosomatikers das Kauen geübt, genauer: gelernt, sein "Es" kauen zu lassen. Die Erzählung "Der Hungerkünstler" wäre allerdings trotzdem entstanden, denn die führt Jägersberg auf die deftige böhmische Küche von Mama Kafka zurück.
In den kurzen Prosastücken ist das "Es" allerdings im Grunde das Leben, wie es eben so spielt, was zuweilen mit "allerdings" quittiert werden kann. "Kielmannsegg. Kam in den zwanziger Jahren zur Reichswehr und wurde noch an der Lanze ausgebildet, erst vom Bock, dann Pferd. Und als er in Pension ging, war er Befehlshaber über vierzig Atomraketen." Da resultiert der Effekt aus dem Weglassen, zumeist aber berichtet dieser Chronist des Alltäglichen allerdings von dem, was gewöhnlich weggelassen würde. So erfährt der Leser, was "zwei betagte Schriftsteller, denen ihre Erfolglosigkeit nichts mehr anhaben konnte", gerade eingekauft hatten, als sie sich zufällig in der Lichtenthaler Allee trafen; unter anderem Buttermilch. Otto Jägersberg trinkt lieber Wein, allerdings trank er früher aus "Bennverehrung" regelmäßig Bier.
"Sieger brauchen Bier." Deshalb haben die Amerikaner Richard Wagners Festspielhaus nicht bombardiert. Sie hielten es allerdings für eine Brauerei. Von Enzensberger ist indessen nur zu berichten, dass er früher während der Buchmesse Ringelsöckchen trug. Was es mit der Frau des Croupiers auf sich hat, soll allerdings hier nicht verraten werden. Nur so viel, dass es mit einer Wollmütze zu tun hat.
fap.
Otto Jägersberg: "Die Frau des Croupiers". Prosa. Diogenes Verlag, Zürich 2016. 234 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Otto Jägersberg ist der Vorsitzende der Georg-Groddeck-Gesellschaft. Deshalb ist er überzeugt, dass es Franz Kafka viel besser ergangen wäre, hätte er in der Baden-Badener Klinik des alternativen Psychosomatikers das Kauen geübt, genauer: gelernt, sein "Es" kauen zu lassen. Die Erzählung "Der Hungerkünstler" wäre allerdings trotzdem entstanden, denn die führt Jägersberg auf die deftige böhmische Küche von Mama Kafka zurück.
In den kurzen Prosastücken ist das "Es" allerdings im Grunde das Leben, wie es eben so spielt, was zuweilen mit "allerdings" quittiert werden kann. "Kielmannsegg. Kam in den zwanziger Jahren zur Reichswehr und wurde noch an der Lanze ausgebildet, erst vom Bock, dann Pferd. Und als er in Pension ging, war er Befehlshaber über vierzig Atomraketen." Da resultiert der Effekt aus dem Weglassen, zumeist aber berichtet dieser Chronist des Alltäglichen allerdings von dem, was gewöhnlich weggelassen würde. So erfährt der Leser, was "zwei betagte Schriftsteller, denen ihre Erfolglosigkeit nichts mehr anhaben konnte", gerade eingekauft hatten, als sie sich zufällig in der Lichtenthaler Allee trafen; unter anderem Buttermilch. Otto Jägersberg trinkt lieber Wein, allerdings trank er früher aus "Bennverehrung" regelmäßig Bier.
"Sieger brauchen Bier." Deshalb haben die Amerikaner Richard Wagners Festspielhaus nicht bombardiert. Sie hielten es allerdings für eine Brauerei. Von Enzensberger ist indessen nur zu berichten, dass er früher während der Buchmesse Ringelsöckchen trug. Was es mit der Frau des Croupiers auf sich hat, soll allerdings hier nicht verraten werden. Nur so viel, dass es mit einer Wollmütze zu tun hat.
fap.
Otto Jägersberg: "Die Frau des Croupiers". Prosa. Diogenes Verlag, Zürich 2016. 234 S., geb., 20,- [Euro].
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»Autor mit subtilem Witz.« Matthias Kehle / Badisches Tagblatt Badisches Tagblatt