Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.12.2009Fast frei erfunden
Eine Frau betrachtet ihren Mann, der neben ihr liegt und schläft. Sie fragt sich, was sie falsch gemacht hat, und denkt zurück: an ihre ersten Treffen, als sie, eine scheue Schulbibliothekarin, sich mit seiner wohlhabenden Familie schwertat, damals, bevor er seine Karriere als Politiker begann. Weil aber der Mann der amerikanische Präsident ist und die Frau die First Lady, ist hier nichts einfach. Als Curtis Sittenfelds Roman letztes Jahr in Amerika erschien, war rasch die Rede vom Schlüsselroman über die Präsidentschaft George W. Bushs. Die Figur der First Lady, die in der Rückschau ihr Leben erzählt, ist zwar, wie Sittenfeld versichert, "frei erfunden", aber doch von der Lebensgeschichte einer ganz bestimmten "inspiriert", von Laura Bush. Bereits vor dem Erscheinen war von Enthüllungen und Skandalen zu lesen gewesen, dabei ist Alice Blackwell nur das fiktionale Porträt einer Frau an der Seite des mächtigsten Mannes der Welt, und ihre Erzählung die einer Frau, die sich fragt, wie sie einen fundamentalen Widerspruch aushalten soll: dass sie ihren Mann liebt, seine politischen Ansichten aber nicht teilt und ihre Überzeugungen mit ihrer Rolle in der Öffentlichkeit kollidieren. Wie schon Joe Kleins "Primary Colors" über den Wahlkampf von Bill Clinton ist auch hier die Reaktion auf solche Polit-Fiktion interessanter als das Buch selbst. "American Wife", meinte jedenfalls eine amerikanische Kritikerin, sei die Art von Buch, mit dem es sich Laura Bush gemütlich machen würde, wenn es nicht über Laura Bush wäre. (Curtis Sittenfeld: "Die Frau des Präsidenten". Aus dem Amerikanischen von Carina Tessari und Gesine Schröder. Aufbau Verlag, Berlin 2009. 687 S., geb., 22,95 [Euro].) deli
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Frau betrachtet ihren Mann, der neben ihr liegt und schläft. Sie fragt sich, was sie falsch gemacht hat, und denkt zurück: an ihre ersten Treffen, als sie, eine scheue Schulbibliothekarin, sich mit seiner wohlhabenden Familie schwertat, damals, bevor er seine Karriere als Politiker begann. Weil aber der Mann der amerikanische Präsident ist und die Frau die First Lady, ist hier nichts einfach. Als Curtis Sittenfelds Roman letztes Jahr in Amerika erschien, war rasch die Rede vom Schlüsselroman über die Präsidentschaft George W. Bushs. Die Figur der First Lady, die in der Rückschau ihr Leben erzählt, ist zwar, wie Sittenfeld versichert, "frei erfunden", aber doch von der Lebensgeschichte einer ganz bestimmten "inspiriert", von Laura Bush. Bereits vor dem Erscheinen war von Enthüllungen und Skandalen zu lesen gewesen, dabei ist Alice Blackwell nur das fiktionale Porträt einer Frau an der Seite des mächtigsten Mannes der Welt, und ihre Erzählung die einer Frau, die sich fragt, wie sie einen fundamentalen Widerspruch aushalten soll: dass sie ihren Mann liebt, seine politischen Ansichten aber nicht teilt und ihre Überzeugungen mit ihrer Rolle in der Öffentlichkeit kollidieren. Wie schon Joe Kleins "Primary Colors" über den Wahlkampf von Bill Clinton ist auch hier die Reaktion auf solche Polit-Fiktion interessanter als das Buch selbst. "American Wife", meinte jedenfalls eine amerikanische Kritikerin, sei die Art von Buch, mit dem es sich Laura Bush gemütlich machen würde, wenn es nicht über Laura Bush wäre. (Curtis Sittenfeld: "Die Frau des Präsidenten". Aus dem Amerikanischen von Carina Tessari und Gesine Schröder. Aufbau Verlag, Berlin 2009. 687 S., geb., 22,95 [Euro].) deli
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